Heiligenhafen: Bürger-Votum gegen Schwimmbad und Hotel

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. 2536 Heiligenhafener haben am Sonntag beim Bürgerentscheid gegen ein touristisches Großprojekt gestimmt. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 47,5 Prozent waren es am Ende des Abends deutliche 65 Prozent, die keine weitere Bebauung auf dem Steinwarder wollten – kein Erlebnisbad, kein Familienhotel und keine Parkpalette. Was folgt daraus für den Tourismus an der Ostseespitze? Projekt-Gegner fordern jetzt mehr Nachhaltigkeit: „Solche Bauprojekte sind einfach nicht gewollt“, sagt Jörn Brauer vom Bündnis Steinwarder. Er und seine Mitstreiter hatten ein Bürgerbegehren in Gang gesetzt, das nun in dem Bürgerentscheid mündete. „Wir sind alle sehr glücklich, dass es so deutlich ausgegangen ist“, sagt der Bündnis-Sprecher. Das Ergebnis würde zeigen, dass die Heiligenhafener einen anderen Tourismus wollen. Dieser müsse zeitgemäß weiterentwickelt werden, was in ihren Augen mehr Nachhaltigkeit und Naturnähe bedeute. Mit der Abstimmung ergehe auch ein Auftrag der Wähler an alle politischen Parteien in Heiligenhafen, einen anderen Weg im Tourismus einzuschlagen, sagt Brauer. Das Bündnis Steinwarder werde sich auch weiterhin in der Stadt engagieren. So möchten sich die Mitglieder dafür einsetzen, dass auf der Potenzialfläche am Steinwarder ein Naturerlebnispfad gestaltet werde. „Sind Sie dafür, dass auf dem Steinwarder keine weitere Bebauung vorgenommen wird, die Planungen für ein Hotel, Erlebnisbad und Parkpalette eingestellt und die hierfür beschlossenen Aufstellungsbeschlüsse aufgehoben werden?“ Vorläufiges Gesamtergebnis Ja: 65,03 Prozent Nein: 34,97 Prozent Wahlberechtigte: 8291 Wähler: 3932 Gültige Stimmen: 3900 Ja: 2536 Nein: 1364 Die vier Stimmbezirke: Warderschule: Ja: 659 (66,97 Prozent) Nein: 325 (33,03 Prozent) Pier 15: Ja: 637 (66,15 Prozent) Nein: 326 (33,85 Prozent) Rathaus: Ja: 520 (66,50 Prozent) Nein: 262 (33,50 Prozent) Jugendzentrum: Ja: 720 (61,49 Prozent) Nein: 451 (38,51 Prozent) Auch ein Schwimmbad für Heiligenhafen verliert das Bündnis nicht aus den Augen. „Es geht uns um einen anderen Standort. Es sollte geprüft werden, welche Fördermittel für ein regionales Schwimmbad in Zusammenarbeit mit umliegenden Kommunen möglich sind“, erklärt Brauer. Er betont aber auch, dass dies nicht Aufgabe des Bündnisses sei, sondern von der Stadt gelöst werden müsse. Große Enttäuschung bei den Projekt-Befürwortern: Als Geschäftsführer der Heiligenhafener Verkehrsbetriebe (HVB) und unterlegener Projekt-Verfechter betont Manfred Wohnrade auch im Namen des Tourismus-Service: „Natürlich bin ich nach all den Jahren der Vorarbeit sehr enttäuscht über dieses Ergebnis, da wir solch eine Chance in den nächsten Jahren nicht mehr bekommen werden.“ Das Thema Schwimmbad dürfte sich damit für Heiligenhafen erledigt haben, da es dafür andernorts definitiv keine Förderung aus Landesmitteln geben werde, so Wohnrade. Was er zudem bedauert: „Somit dürften HVB und die Stadt auf dem Steinwarder wohl einen mittleren sechsstelligen Euro-Betrag für Projektentwicklung und Vorplanung in den Sand gesetzt haben." Pro-Stimmen sehen Tourismus ausgebremst: An dem Willen der Bürger sei nicht zu rütteln, sagt Michael Jesse von der „Initiative Pro Schwimmbad“ und ist ebenfalls ernüchtert vom Ausgang des Bürgerentscheids: „Schade, wir hatten nicht gedacht, dass es so ausgeht. In unserem Umfeld war die Stimmung zuvor eine andere.“ Das Projekt sei „gestorben“, es gebe keine Alternative, sagt Jesse und betont: „Die Essenz ist, dass ein großer Teil keine touristische Fortentwicklung möchte und den Tourismus ausgebremst hat.“ Lesen Sie auch Winter-Traum für Huskies: Schlittenhunde genießen Schnee in Ostholstein Corona-Spätfolgen: Schwartauerin und Stephan Weil kämpfen für Aufklärung Tourismus-Kodex für die Ostseeküste: So geht Urlaub mit Corona Michael Jesse sieht Fehler in der Vergangenheit. „Es wurde über Jahre versäumt, die Innenstadt zu beleben, Fahrradwege auszubauen und die Infrastruktur besser zu lenken. Vielleicht hätten die Heiligenhafener dann gesagt, dass die Stadt auch ein Schwimmbad noch gut vertragen könnte.“ Jetzt befürchte er aber, dass Investoren abgeschreckt werden und nicht mehr in Heiligenhafen investieren könnten. An den propagierten „sanften“ Tourismus wolle er nicht so recht glauben und verdeutlicht: „Auf dem Gelände ist das Totholz weiter unter sich.“ Fläche darf nicht mehr überplant werden: Durch den Bürgerentscheid ist festgelegt, dass die Fläche auf dem Steinwarder für zwei Jahre nicht neu überplant werden darf. Im Sommer läuft zudem die Übergangsfrist eines Naturschutzgesetzes von 2016 ab, das in einem Küstenstreifen von 150 Metern neue Bebauungen untersagt. Für Bürgermeister Kuno Brandt (parteilos) ist es daher auch sehr fraglich, ob das Grundstück dann erneut für Projekte dieser Art überhaupt zur Verfügung stünde. Als Rückschritt beurteilt der Heiligenhafener Gewerbeverein „Partner mit Herz“ das Resultat des Bürgerentscheids. Der Vorsitzende Thomas Kowoll macht aber klar: „Es war eine demokratische Entscheidung. Die Mehrheit ist gegen das Projekt.“ Auch persönlich hätte er gerne ein Schwimmbad vor allem für eine Schwimmausbildung vor Ort gehabt. „Unser Hauptanliegen ist und bleibt dennoch die Innenstadtbelebung.“ Im Streit um die Steinwarder-Bebauung sei dieses Thema wieder einmal untergegangen. Politik berät nächstes Tourismusprojekt: Bürgermeister Brandt verweist auf ein Sanierungsgebiet im Rahmen der Städtebauförderung: „Es geht um den Bereich Hafen/Strand. Dies ist in erster Linie nicht touristisch, aber es soll auch dafür sorgen, die Durchgängigkeit ins Zentrum zu verbessern, damit die Innenstadt profitiert.“ In Sachen Tourismus stehe darüber hinaus in diesen Tagen ein anderes Projekt im Mittelpunkt der politischen Beratungen. Die Planungen für den Neubau eines Ferienzentrums im Bereich des alten Kursaals sollen weiter vorangetrieben werden. Dort geht es um Freizeitmöglichkeiten wie Bowling, Kino, Gastronomie und um Ferienwohnungen. „Hier sind die Voraussetzungen auch andere. Der Bereich ist zu 100 Prozent versiegelt, es kommt keine Naturfläche weg“, sagt Brandt und schaut abschließend noch mal zurück auf den Sonntag: „In der Deutlichkeit hatte ich das Ergebnis nicht erwartet.“ Außerdem hätte er sich noch mehr Beteiligung erhofft, da es direkt um Heiligenhafen gegangen sei. Von Markus Billhardt