Heiligenhafen: Stadt kauft Binnensee

Gute Investition in die Zukunft oder Steuerverschwendung? Dass die Stadt Heiligenhafen mit der Verabschiedung des Etats für 2021 auch den darin mit 1,452 Millionen Euro eingepreisten Erwerb des Binnensees vom Bundesamt für Immobilienaufgaben abgesegnet hat, sorgt auch und vor allem rings um das 800 000-Quadratmeter-Areal für Gesprächsstoff. Bei einem Rundgang haben die LN am Binnensee-Ufer die Reaktionen auf den einmütig beschlossenen Millionen-Deal eingefangen. Binnensee: Lob für Spielplätze und Strandbereich: Unweit der Bronzestatue von Fischer Stüben, am stadtseitigen Südufer, absolviert Karl-Heinz Rinne die letzten Schritte seiner nahezu täglichen, knapp sechs Kilometer langen Walking-Runde. Der fitte 86-Jährige findet: „Der Kauf des von Einheimischen wie Gästen wirklich gut angenommenen Areals ist eine gute Idee und gut angelegtes Geld. Neben dem Rundweg ist vor allem der aufgeschüttete Strandbereich am Binnensee-Nordufer mit den Spielplätzen ein echter Gewinn für alle.“ Jährliche Pacht-Ersparnis von 30 000 Euro: Dass die Stadt mit dem Binnensee-Erwerb auch jährliche Pachtzahlungen an den Bund für das aufwendig aufgemöbelte Strandgelände in Höhe von 30 000 Euro sparen und zudem 5000 Euro per anno von Anrainern und Stegbesitzern kassieren kann, sind auch für Kirsten Gackenholz (60) sehr positive Nebeneffekte. Sie dreht gerade mit Dackel-Bracke „Alice“ und Petra Gundlach (61) nebst Terrier „Juno“ eine Gassi-Runde um den See und sagt: „Der Kauf ist grundsätzlich okay.“ Allerdings sei hier in den vergangenen Jahren zu viel für den Tourismus in der ersten Reihe ausgegeben worden. Man müsse künftig mehr in die zweite Reihe investieren und dürfe den Wohnungsbau nicht vernachlässigen. Ihre Freundin fügt hinzu: „Dass der Binnensee ringsherum hübsch gemacht wurde und jetzt gekauft werden soll, ist gut. Gut ist aber auch, dass das Projekt Hotel- und Schwimmbad-Bau auf dem Steinwarder per Bürgerentscheid abgeschmettert wurde.“ Kurzweiliger Zwischenstopp auf dem Strandspielplatz: Als Hamburger Tagesausflügler halten auch Dennis (48) und Carina Potenberg (44) – mitsamt ihren Söhnen Julian (7) und Felix (3) – den städtischen Binnensee-Erwerb für „durchaus sinnvoll“. Der 44-jährige Familienvater meint beim kurzweiligen Zwischenstopp auf dem Strandspielplatz: „Wenn einem diese wirklich schöne Kulisse gehört, hat man ja auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten.“ Ein paar Steinwürfe weiter, auf dem Fitnessgeräte-Parcours, vertreibt sich Marie Thomas (22) mit Sohn Louis (4) die Zeit. Während ihr Spross sich sportlich betätigt, sagt die Heringsdorferin: „Wir sind hier auf Oma-Besuch und finden die Geräte sowie die Spielplätze mit dem Drumherum auch toll. Aber ob der Binnensee-Kauf sich lohnt und am Ende Geld spart? Kann man machen, muss man aber nicht.“ Der Binnensee in Heiligenhafen entstand 1954, als die ursprüngliche Insel Graswarder mit einer künstlichen Verbindung an die Halbinsel Steinwarder angedockt wurde. Die rund 800 000 Quadratmeter große ovale Wasserfläche mit einer maximalen Tiefe von drei Metern zwischen dem Steinwarder und dem stadtseitigen Südufer wurde fortan Binnensee genannt. Aktive Wassersportler haben dank des Sperrwerks an der Ostseite einen Zugang zum Jachthafen und zur offenen Ostsee. An der Nordwestseite verbindet die sogenannte Elefantenbrücke den Ferienpark mit dem Steinwarder und dient dem Binnensee zugleich als Sperrtor zu den Salzwiesen. Der See hat eine Uferlänge von 4,5 km. Ein mit Spielplätzen, Sportgeräten, Bänken und Liegen bestückter, gut 5,4 km langer Promenaden-Rundweg bietet Fußgängern, Joggern und Radfahrern ausreichend Erholungs- und Betätigungsmöglichkeiten. Gemeinsames Kofferschleppen auf dem Steinwarder: Unterdessen ist Ingmar Petersen (50) mit seiner Tochter Marie (13) gerade damit beschäftigt, etliche Koffer in seinen Kombi zu wuchten. Die Hamburger Familie besitzt eine Ferienwohnung auf dem Steinwarder mit Binnensee-Blick und packt gerade ihre Sachen für die Heimfahrt. Petersen findet: „Wenn der Kauf für die Stadt von Vorteil ist, warum nicht? Auf jeden Fall wurde hier rings um den See in den letzten Jahren mit Detailliebe viel für Gäste wie Einheimische getan – was ich auch bei meiner Jogging-Runde zu schätzen weiß.“ Hamburger Segler mit familiärer Affinität zum Binnensee: Ein paar Laufminuten weiter, unweit der coronabedingt weitgehend verwaisten Betonsiedlung um das Haus des Kurgastes, den Kursaal und das Aktiv-Hus, führt Eckhard Timm (43) gerade seine Berner Sennenhündin „Lilly“ an der langen Leine. Der Hamburger, dessen Eltern eine Ferienwohnung bei Göhl besitzen, berichtet: „Wir haben tatsächlich eine familiäre Affinität zum Binnensee. Denn genau wie ich, haben hier auch unsere Kinder das Segeln gelernt. Es sollte sich für die Stadt lohnen, den See zu halten, denn er bietet zu mancher Jahreszeit sogar mehr als die Ostseeküste.“ Mobile Fleischfachverkäuferinnen gegen weitere Bebauung: Für Anja Bobertz, die am Binnensee-Südwestufer in der Mittagspause auf einer Bank sitzend die wärmenden Sonnenstrahlen genießt, ist der Millionen-Deal indes eher eine Nummer zu groß. Die 38-Jährige gesteht: „Ich weiß zwar nicht genau warum, aber ich hab’ dabei irgendwie ein schlechtes Gefühl.“ Das geht Yvonne Rades (44) zwar nicht so. Aber die Heiligenhafener Fleischfachverkäuferin dreht mit ihrer Kollegin Kathrin Schulz (43) – ebenfalls in der Mittagspause – gerade eine flotte Walking-Runde um den See und meint: „Wem der See gehört, ist mir ziemlich egal. Hauptsache, wir können ihn weiterhin auch zum Stand-up-Paddling benutzen – und das Areal wird möglichst naturnah belassen und nicht noch weiter bebaut.“ Lesen Sie auch Mit App und Test: Heiligenhafen bereitet sich auf Touristen vor Heiligenhafen 2036: Das ist der 28-Millionen-Plan Ferienzentrum in Heiligenhafen: Widerstand gegen weiteres Großprojekt Wassersportler Jesse: „Kauf ist eine wunderbare Sache“: Michael Jesse ist es allerdings nicht egal, wem die künstlich angelegte Wasserfläche künftig gehört. Der Inhaber und Betreiber des Wassersportcenters am Eichholzweg stellt als gewerblicher Südufer-Anrainer klar: „Wenn Heiligenhafen den Binnensee kauft, ist das für mich eine wunderbare Sache. Denn dann bleibt das Geld, das ich für meine Steganlage als Pächter zahlen muss, wenigstens in unserer Stadt und landet nicht mehr beim Bund.“ Von Andreas Oelker