Heino Ferch im LN-Interview: „Das Verbrechen ist zutiefst menschlich“

Die Ostseeküste kennt der Schauspieler Heino Ferch mittlerweile gut. Er stand hier unter anderem für das ZDF in der Rolle des Kommissars Simon Kessler vor der Kamera. „Das Mädchen am Strand“, der dritte Zweiteiler aus dieser Reihe, feiert am 6. und 8. Januar 2020 seine TV-Premiere. Im LN-Interview berichtet Heino Ferch von seinen Eindrücken aus dem Norden, von der Zusammenarbeit mit Barbara Auer und seinen Erinnerungen an die eigene Abiturfeier. Herr Ferch, für den Dreh auf dem Parkplatz „Dazendorfer Steilufer“ wurde ein gewaltiger Campingbus als fiktives Büro der Ermittler herangefahren – war das nicht ein ungewöhnliches Arbeitsumfeld für Ihre Figur des Kommissars Kessler? Der Regisseur Thomas Berger wollte kein riesiges, klassisches Polizeipräsidium, deshalb entstand die Idee vom Camper – und dann stand dort so ein Monstrum mitten in einer sehr, sehr schönen Landschaft wie ein gelandetes Ufo. Das war eine bizarre Situation für das Ermittler-Trio und für Verhöre: Man kann dort ja machen, was man will, und es hört einen keiner. Am Tag dieses Drehs war es sehr heiß, doch Simon Kessler wirkt im Anzug, mit Hemd und Krawatte so cool wie immer. Gibt es einen Trick, unter solchen Bedingungen unterkühlt zu bleiben? Zum einen war es nur ein leichter Sommeranzug, und zum anderen verlangt es eben die Rolle. Ich versuche, konzentriert durch den Tag zu gehen, und lasse mich von Umständen wie Hitze nicht beeindrucken. Und Kessler ist ja wirklich unterkühlt – und auch ruppig und straight. Haben Sie nicht manchmal Lust, die Figur des Simon Kessler sympathischer zu gestalten? In der Konstellation von Barbara Auer und mir in den Rollen von Hella Christensen und Simon Kessler treffen zwei sehr gegensätzliche Charaktere aufeinander: Christensen als eine lokal eingebundene, sehr empathische Kommissarin im Ruhestand – und Kessler als der FBI-Hund aus der Großstadt. Er ist schon etwas emotionaler geworden, und wir sehen auch ein bisschen in ihn hinein. Aber man muss diesem Charakter in seiner Grundstruktur weiter Futter geben, um diese Konstellation mit dem Spannungsfeld aufrechtzuerhalten. Sind Barbara Auer und Sie inzwischen ein eingespieltes Team? Ja, natürlich. Wir mögen und schätzen uns sehr. Ich empfinde es immer als ein Geschenk, wenn ich mit Barbara Auer arbeite, weil sie einfach eine fabelhafte Frau ist und eine Super-Schauspielerin sowieso. Da man bei so einem Projekt viele Tage gemeinsam im Team arbeitet und viel Zeit miteinander verbringt, ist es sehr angenehm, wenn man sich auch mag. In „Das Mädchen am Strand“ ereignet sich bereits der dritte Mord in dem kleinen Ort Nordholm. Müsste sich der Ermittler Simon Kessler nicht allmählich fragen, ob dort das übernatürliche Böse am Werk ist? Nordholm hat ein hohes kriminelles Potenzial (lacht). Aber wir wissen ja alle, dass es ein fiktiver Ort ist, den es auf der Landkarte nicht gibt. Nordholm steht stellvertretend für viele Regionen in vielen Ländern dieser Erde, wo die Menschen sich sehr gut kennen und wo jeder bei jedem über den Zaun schauen kann. Und wo stets Dinge passieren, die sich sowohl in der Großstadt als auch auf dem Land ereignen können. Das ist alles menschlich, und das Verbrechen ist zutiefst menschlich. Deshalb ist Crime auf der ganzen Welt das populärste Format – und etwas, was überall stattfindet. Würden Sie denn mit Ihrer Familie in Nordholm Urlaub machen, wenn es diesen Ort in der Realität gäbe? Gute Frage. Aber ja: Es ist so schön in Nordholm, es ist landschaftlich so erholsam – natürlich würden wir dort Urlaub machen. Und generell an der Ostsee? Ja, ich habe auch Freunde zwischen Husum und der Ostsee, das ist eine wahnsinnig schöne Gegend, gerade Ostholstein mit der gewellten Landschaft gleich hinter dem Strand. Es gibt dort auch tolle Hotels, echte Perlen, und die Region hat einen Riesen-Erholungswert. In Timmendorfer Strand wären Sie gewiss beim Beach-Polo gern gesehen . . . Dort habe ich schon einmal gespielt, 2008, mit meiner Frau. Aber derzeit bin ich mit Dreharbeiten so ausgelastet, dass ich nicht auch noch am Wochenende wegen des Polos weg sein möchte. Ich spiele meist im süddeutschen Raum, damit ich abends zu Hause sein und mit den Kindern essen kann. Lesen Sie dazu auch: Ostholstein im ZDF-Krimi: Zweiteiler mit Heino Ferch läuft im Januar ZDF-Krimi: Kaltes Grauen in Kellenhusen In der zentralen Szene von „Das Mädchen am Strand“ feiern junge Leute am Strand ihr Abitur. Hat Sie das an Ihre eigene Abiturfeier in Bremerhaven erinnert? Die war zwar auch am Strand, ist aber schon ein bisschen her. In den 1980er Jahren wurden andere Sachen konsumiert als heute, es wurde kräftig getrunken und geraucht, doch es gab kein synthetisches Zeug. Die Welt dreht sich heute ohnehin schneller für die Kinder und Jugendlichen. Jeder hat ein Smartphone in der Hand, mit dem er alles filmen kann und über das er überall erreichbar ist, und damit prasselt viel mehr als früher direkt auf die jungen Menschen ein, bis hin zu Crime, Mobbing oder Erpressung, was natürlich gefährlich ist. Man muss sehr auf seine Kinder aufpassen. Bei „Das Mädchen am Strand“ haben Sie mit zahlreichen Jung-Schauspielern zusammengearbeitet. Hat Sie dabei jemand besonders beeindruckt? Ich möchte niemanden einzeln hervorheben. Die jungen Kollegen zwischen 17 und Anfang 20 sind alle bemerkenswert gut drauf. Ich habe in diesem Alter darüber nachgedacht, welche Schauspielschule ich besuchen werde – und heute gehen sie locker, mit Verve und Souveränität in die Dreharbeiten. Da wächst eine Generation mit einer Menge Potenzial heran, und man kann ihnen allen nur wünschen, dass sie weiterhin in gute Regie-Hände kommen und dass sie sich weiterentwickeln können, ohne sonderlich viele schlechte Erfahrungen zu machen. Wird es weitere Einsätze von Simon Kessler und Hella Christensen in Nordholm geben? Der Sender wünscht sich für das übernächste Jahr eine weitere Folge, mit derselben Konstellation. Deshalb werden wir vermutlich wieder im Mai oder Juni 2021 im Norden drehen. Zahlreiche TV- und Kinoproduktionen wurden bislang in Ostholstein gedreht. Immer wieder werden die Küste und das Binnenland zur Filmkulisse. Hollywoodstars wie Nick Nolte waren 2018 zu Gast. Auslöser war das US-Remake des Films „Honig im Kopf“ von Til Schweiger. Dreharbeiten für den Tatort: Die Schauspieler Axel Milberg und Christiane Paul waren auf dem Graswarder in Heiligenhafen im Einsatz. 2019 war der Norden Ostholsteins wieder Kulisse für einen ZDF-Zweiteiler: Mädchenleiche am Strand: Heino Ferch und Barbara Auer drehen wieder in Ostholstein RTL-Stars zu Gast in Ostholstein: Schauspieler von „Alles was zählt“ drehen in Pelzerhaken Filmteams sind seit Jahren im Kreis unterwegs: Hier gibt es ein paar Hintergrundinfos. Niendorfer Kulisse: 2020 soll ein Film mit dem Arbeitstitel „Friesen am Limit“ ausgestrahlt werden. Gedreht wurde auch in Niendorf. Schleswig-Holstein taucht immer wieder in Filmen auf: Hier gibt es eine Multimedia-Reportage mit zahlreichen Videos. Von Sabine Latzel

Fiktives Nordholm an der Ostsee als Filmkulisse - Heino Ferch im LN-Interview: „Das Verbrechen ist zutiefst menschlich“