Illegaler Küstenschutz in Brodau?

Unverhofft kommt oft – mitunter auch in Brodau, einem von immerhin 13 Orten im 4000 Hektar großen Gebiet der 2150 Einwohner zählenden Gemeinde Schashagen. Landwirtin Isabell von Ludowig (50), die sich in der 13-köpfigen Gemeindevertretung als stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende auch im Umwelt- und Bauausschuss ehrenamtlich engagiert, ist durch einen NDR-Fernsehbeitrag in die Kritik geraten. Ist sie eine Natur- und Umweltfrevlerin? „Dabei hatte ich nichts Böses im Sinn, sondern wollte nur – wie in all den Jahren zuvor – den Schutz der Steilküste unterhalb unseres Landeigentums im Abschnitt zwischen ,Elfenschlucht’ und Ruheforst mit Eigenmitteln wieder auf Vordermann bringen“, sagt die 50-jährige Gutsbesitzerin beim Ortstermin mit den Lübecker Nachrichten. Im NDR-Bericht war ihr geplantes Einrammen von 500 Eichenpfählen in mitunter zwei Reihen indes als offenbar „illegal“ angeprangert worden. Naturschutzbund sieht Uferschwalben bedroht: So sieht etwa der alarmierte Naturschutzbund (Nabu) den Lebensraum für eine Uferschwalbenkolonie an der Steilkante durch von Ludowigs vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN) nicht genehmigte Bauarbeiten akut bedroht. Nabu-Landesgeschäftsführer Ingo Ludwichowski hatte angesichts des von ihm durch die verstärkte Küstensicherung befürchteten Zuwachsens der Uferhänge betont, dass Uferschwalben gesetzlich geschützt und darauf angewiesen seien, „dass die Fläche offen bleibt und sie dort ihre Bruthöhlen graben können“. Differenzierte Lage am Fuß des Steilufers: Mittlerweile stellt sich die Lage am Fuß der Brodauer Steilküste durchaus differenzierter dar. Von Ludowig berichtet: „Auf den NDR-Beitrag hin hat der Landesbetrieb die Lage sondiert und sich bei uns gemeldet. Daraufhin haben wir in Absprache mit dem LKN wasserseitig nicht nur die ausgetauschten Pfähle wieder herausgenommen, sondern sicherheitshalber sogar die komplette zweite Reihe entfernt, die dort mitunter aber schon jahrzehntelang stand.“ Pfahl-Absicherung nach mündlicher Anordnung: Dazu erläutert LKN-Sprecher Dr. Hendrik Brunckhorst auf LN-Nachfrage: „Im Zuge des 1997 beim damaligen Amt für Land- und Wasserwirtschaft von der Gemeinde beantragten, auch schriftlich genehmigten Steinbuhnen-Baus gab es auch eine mündliche Anordnung, am Fuß des Steilufers wegen Auskolkungen eine zusätzliche Absicherung mit Holzpfählen zu errichten, die in einigen Abschnitten zweireihig gestaltet und regelmäßig erneuert wurde.“ Von „Illegalität“ könne kaum eine Rede sein, zumal die zwecks Pfahl-Anlieferung und -Montage am Strand beiseite geräumten Buhnen-Findlinge mittlerweile auch wieder an Ort und Stelle lägen. Bürgermeister froh über privaten Küstenschutz: Auch Schashagens Bürgermeister Rainer Holtz sieht in der wohl bereits seit gut vier Jahrzehnten praktizierten „Pfahlaktion“ keinen Anlass zur Erregung. Nicht nur weil er derselben Partei wie die Gutsbesitzerin angehört, sagt er: „Wir sind ja froh, dass der für die Gemeinde notwendige Küstenschutz bei uns in diesem Fall sogar privat bewerkstelligt wird, haben aber – auch um Klarheit für die Zukunft zu schaffen – jetzt noch einmal einen dementsprechenden schriftlichen Antrag zur Ufersicherung an den LKN gestellt, der über das Amt Ostholstein-Mitte rausgegangen ist.“ „Ungesichertes Ufer lässt Nester nach Sturm abrutschen“: Mit Blick auf die vom Nabu durch die massive „Holzpfählung“ und das Zuwachsen der Hänge als gefährdet betrachtete Uferschwalben-Kolonie merkt das zuletzt 2018 einstimmig wiedergewählte Gemeindeoberhaupt an: „Bliebe das Steilufer ungesichert, würden die Nester bei jedem heftigeren Sturm mit dem Hang abrutschen und zerstört werden – ist das besser?“ Unerwünschter Bewuchs könne notfalls kurzgehalten werden. Einen anderen Aspekt ihrer strittigen Privatinitiative möchte schließlich Isabell von Ludowig noch zu bedenken geben: „Mit unseren Sicherungsmaßnahmen sorgen wir ja auch dafür, dass der bei Einheimischen wie Urlaubern beliebte Küstenwanderweg zwischen Rettin und Grömitz nahe der Abbruchkante erhalten bleibt.“ Lesen Sie auch Übernachtungsverbot in Ostholstein: Nicht jeder Vermieter hält sich dran Virtueller Ausblick: So geht’s weiter mit dem Bau des Fehmarnbelttunnels Bauen: So planen Sierksdorf, Altenkrempe, Schashagen und Schönwalde für 2021 Offene SPD-Fragen im Kieler Umweltausschuss: Dessen ungeachtet hatten die SPD-Landtagsabgeordneten Kerstin Metzner und Sandra Redmann die Brodauer Ramm- und Baggerarbeiten kurzfristig auf die Tagesordnung des Kieler Umwelt- und Agrarausschusses setzen lassen. Redmann berichtet: „Wir wurden am Mittwoch von Dr. Johannes Oelerich aus dem Umweltministerium zwar umfassend über die dortigen Vorgänge informiert. Aber es bleiben etliche Fragen offen, weil es sich aus unserer Sicht um massive Eingriffe in sensible Naturbereiche handelt.“ Man sei irritiert darüber, „dass diese Privatmaßnahmen nirgends offiziell angemeldet wurden“ und insofern froh darüber, „dass das Umweltministerium jetzt eine rasche rechtliche Klärung und vollständige Erfassung der dortigen Küstenschutzmaßnahmen zugesichert hat.“ Von Andreas Oelker