Jahresrückblick: Das war das Jahr 2020 in Ostholstein

Ein Wort prägt das Jahr 2020: Corona. Die Viruskrise und die damit einhergehenden Regeln beherrschen nach wie vor auch das Geschehen im Kreis Ostholstein. Doch es gibt noch Ereignisse jenseits von Corona, die die Menschen bewegen. Januar: In Timmendorfer Strand steht die Kommunalpolitik gegen Bürgermeister Robert Wagner (parteilos) auf. Das Wort Abwahlverfahren macht zum ersten Mal die Runde. Zunächst beschränkt die Kommunalpolitik die Kompetenzen des Verwaltungschefs auf ein Mindestmaß. Landwirte stellen LED-Kreuze auf Ostholsteins Feldern auf. Sie protestieren damit gegen die Berliner Agrarpolitik. Der Bauernverband distanziert sich von der Aktion. Einer der bekanntesten Theologen Ostholsteins stirbt am 5. Januar völlig überraschend: Thomas Vogel. Der 65-Jährige ging jeden Morgen in der Ostsee baden. An diesem Tag entdecken Spaziergänger seinen leblosen Körper am Strand. Thomas Vogel war 27 Jahre lang Pastor in Timmendorfer Strand. Bad Schwartau macht weiter Druck für einen ordentlichen Lärmschutz an der Hinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung (FFBQ). Die Stadt will einen Trog an der Kaltenhöfer Straße, eine Lösung, die weder die Kieler Landesregierung noch die Bahn unterstützen. Februar: Ostholstein säuft ab: Lang anhaltende Regenfälle lassen kleine oder größere Flüsse über die Ufer treten. Am Ufer der Schwartau kippen etliche Bäume ins Wasser und stauen es noch mehr auf. Im Stockelsdorfer Gewerbegebiet steht eine Lagerhalle in Flammen. Ein Mitarbeiter wird schwer verletzt. Der Qualm wälzt sich über die gesamte Umgebung, die Anwohner werden gebeten, Fenster und Türen zu schließen. März: Kuno Brandt wird zum neuen Bürgermeister von Heiligenhafen gewählt. Schon in der ersten Runde setzt sich der parteilose Leiter der Ordnungs- und Bauverwaltung mit mehr als 60 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen seine beiden Gegenkandidaten durch. Im Juni wird Brandt vereidigt. Am 10. März wird der erste bestätigte Corona-Fall in Ostholstein gemeldet. So etwas hat sich niemand vorstellen können, doch am 16. März wird es Realität: Die Polizei riegelt die Insel Fehmarn ab. Nur Fahrzeuge mit OH-Kennzeichen, Lkw oder Personen mit Hauptwohnsitz auf Fehmarn dürfen passieren. Touristen müssen umkehren. 13 000 Insulaner bleiben unter sich. Es ist der Beginn der Maßnahmen, mit denen das Corona-Virus eingedämmt werden soll. Wie im ganzen Land müssen Touristen abreisen, ebenso wie Zweitwohnungsbesitzer. Das ruft Unmut hervor, doch Gerichte bestätigen die Abreiseverfügungen. In den Bäderorten an der Lübecker Bucht kehrt eine ungewohnte Ruhe ein. Die Entscheidung ist gefallen: Fehmarn bekommt einen Sundtunnel. Er wird etwa 700 Millionen Euro kosten und soll die Insel mit dem Festland verbinden. Die alte Brücke, der geliebte Kleiderbügel, bleibt erhalten. Sie ist künftig Fußgängern, Radfahrern und landwirtschaftlichen Fahrzeugen vorbehalten. Alle anderen, ob Zug oder Autos, fahren irgendwann durch den Tunnel. Die Grafik zeigt, wie viele Corona-Neuinfektionen in Lübeck und den umliegenden Kreisen im Verlauf der Pandemie registriert werden: Hannah aus Ahrensbök ist gerettet. Das knapp Zweijährige leidet an Muskelschwund und benötigt „Zolgensma“, ein 1,9 Millionen Euro teures Medikament. Lange haben ihre Eltern darum kämpfen müssen. Dann wird Hannah in der Charité in Berlin behandelt. April: Während Hotels, Campingplätze und Promenaden menschenleer sind, macht sich unter den Einheimischen an der Küste ein merkwürdiges Verhalten breit: Fahrzeughalter mit auswärtigen Kennzeichen werden scheel angeguckt, ja sogar bedroht. Sie sollten gefälligst zu Hause bleiben. Auch in sozialen Netzwerken wie Facebook wird gegen Touristen gehetzt, obwohl die gar nicht da sind. Mai: Der Lockdown dauert und dauert. Während die Geschäfte am 20. April wieder öffnen dürfen, müssen sich die Gastronomen noch gedulden. Scharbeutzer Gastwirte machen mit Stühlen auf dem Seebrückenvorplatz auf sich und ihre Lage aufmerksam. Doch erst im Mai kommt die erlösende Nachricht aus Kiel: Hotels und Restaurant dürfen wieder Gäste empfangen – unter strengen Hygieneauflagen. Thomas Menke kündigt an, nach 207 Jahren seines Bestehens das Kaufhaus LMK in der Eutiner Innenstadt zum Jahresende zu schließen. Der 62-jährige Firmeninhaber will ein bisschen kürzer treten, aber als Center-Manager seine Immobilie weiter betreuen, in der auch künftig Mode verkauft werden soll. Die ersten Geschäfte sollen am 1. April 2021 öffnen. Juni: Bei einem schweren Verkehrsunfall im Ortskern von Ahrensbök werden im Juni zwei junge Männer lebensgefährlich verletzt. Der 27-jährige Fahrer und der 21-jährige Beifahrer müssen von der Feuerwehr aus dem völlig zerstörten Sportwagen befreit werden. Sie waren an einem Sonntagmorgen um 5.30 Uhr offenbar mit völlig überhöhter Geschwindigkeit in den Ort gerast. Achterbahnfahren nur mit Maske: Darauf mussten die Fans des Hansa-Parks lange warten. Der im Frühjahr verhängte Lockdown dauert für den beliebten Freizeitpark länger als für alle anderen. Laut Landesverordnung dürfen Freizeitparks am 8. Juni wieder öffnen. In der mehr als zweimonatigen Corona-Zwangspause haben die Freizeitparkbetreiber ein Hygienekonzept entwickelt. Am 30. Juni öffnete dann der Park. Juli: Ein neuer Begriff macht in diesem Sommer die Runde: Strandampel. Nach dem Lockdown stürmen die Tagestouristen die Küste, zumal im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern bis September Einreiseverbot herrscht. Doch auch am Strand gilt: Abstand halten. Dabei hilft die Strandampel, die an manchen heißen Wochenenden bereits am Vormittag auf Rot steht. August: Zur Überraschung der Ostholsteiner bringt der Netzbetreiber Tennet plötzlich einen neuen Verlauf der umstrittenen 380-kV-Leitung ins Gespräch. Der Ostholsteiner Abschnitt sollte eigentlich im Landesinneren durch die Gemeinden Ratekau, Scharbeutz, Süsel, Altenkrempe und weiter Richtung Norden bis nach Göhl verlaufen. Nun möchte der Netzbetreiber Tennet die neue Vorzugsvariante entlang der künftigen Belttrasse führen. Der Kursschwenk sorgt bei Bürgermeistern betroffener Gemeinden und Landespolitikern für Irritationen. Entsetzen auch in Bad Schwartau: Für die Leitung müsste eine Schneise durch den Riesebusch geschlagen werden. Ursprünglich wollte sich der Kreis Ostholstein am 22. August selbst feiern: Er ist 50 Jahre alt geworden. Doch daraus wird nichts, wegen Corona müssen alle Veranstaltungen ausfallen. September: Ein spektakulärer Überfall auf den Juwelier im Erdgeschoss des Maritim-Seehotels Timmendorfer Strand ereignet sich Ende September. Der Räuber kommt nicht weit: Der 70-jährige Juwelier setzt sich zur Wehr und hält den 48-jährigen Mann aus Niedersachsen bis zum Eintreffen der Polizei fest. Der Zweckverband Ostholstein führt die Gelbe Tonne ein. Damit ist das Ende der dünnen Säcke besiegelt. Doch mit den Tonnen kommen die sogenannten Fehlwürfe. Sogar ein Laptop landet im Verpackungsmüll. Der ZVO reagiert darauf mit Kontrollen. Falsch gefüllt Tonnen bleiben ungeleert stehen. Oktober: In Großenbrode und Heiligenhafen gibt es Streit um geplante Hotelneubauten. In Großenbrode sammeln Bürger Unterschriften für einen Bürgerentscheid, der den Bau eines Familienhotels mit 140 Zimmern verhindern soll. Am Ende werden die Pläne auch von der Politik auf Eis gelegt. In Heiligenhafen lehnt die Kommunalpolitik einen Bürgerentscheid über einen Hotelneubau und ein Erlebnisbad auf dem Steinwarder ab. Bürgermeister Kuno Brandt (parteilos) hatte einen solchen Entscheid vorgeschlagen. Er kommt jetzt aber doch. Ein Bürgerbündnis hat den Entscheid mit Hilfe eines Bürgerbegehrens erwirkt. Der so lange von Corona weitgehend verschonte Kreis Ostholstein rückt durch einen Ausbruch im Timmendorfer Hotel Seeschlösschen in den Mittelpunkt des Interesses. 35 Mitarbeiter werden positiv getestet, das Hotel geschlossen. Timmendorfer Strand wird zum Corona-Hotspot. Der Inzidenzwert für Ostholstein schnellt auf 35, den zweithöchsten im Land. November: Der Konflikt um den Timmendorfer Bürgermeister Robert Wagner schwelt über Monate unter der Oberfläche, bis er im Juni offen ausbricht. In der Gemeindevertretung steht seine Abwahl auf der Tagesordnung, scheitert aber an einer Stimme. Einwohner strengen einen Bürgerentscheid an, bei dem der 42-Jährige im November abgewählt wird. Mit Beginn der kalten Jahreszeit steigt die Zahl der Corona-Fälle. Immer häufiger sind Schüler und Lehrer betroffen. Wegen eines Corona-Falls bleibt die Gerhart-Hauptmann-Grundschule in Stockelsdorf komplett geschlossen, ebenso wie eine weitere Grundschule. Eltern holen deshalb Lernmaterial ab. Dezember: Corona schränkt das Leben zunehmend ein. Der Zwergenwald in Bad Schwartau muss schließen, der Weihnachtsmarkt darf nach einem Umbau zunächst wieder öffnen. In Eutin löst eine Impfgegner-Demo Diskussionen aus. Dann kommt der Lockdown. Das Jahr klingt ruhig aus. Von Susanne Peyronnet