Lockdown: Nur Trainer sind im Fitnessstudio an den Geräten

Seit zehn Wochen ist es still im Studio, keiner spult auf dem Laufband Kilometer ’runter, keiner ächzt auf dem Crosstrainer, niemand schwitzt beim Hanteln stemmen oder an der Beinpresse. Max Bendrich (25), seit April 2020 Studioleiter von Clever Fit in Eutin, trifft der Lockdown doppelt: „Für mich ist das Fitnessstudio Beruf und Hobby gleichzeitig.“ Ein Bericht über sein Leben in der Pandemie. Auch Small Talk gehört zum Studio-Betrieb: Im normalen Alltag erstellt Max Bendrich Dienstpläne für sein Team, kümmert sich um Verwaltungsangelegenheiten, erarbeitet Trainingspläne für die Studio-Mitglieder, geht sie mit ihnen an den Geräten durch und hat stets einen Blick darauf, dass die Sportler ihre Übungen richtig ausführen. „Und ich führe viel Small Talk. Es gibt hier ein großes menschliches Miteinander. Manchmal ist man auch ein bisschen Psychotherapeut“, sagt er. „Für viele ist das Studio ein zweites Zuhause, sie verbringen viel Zeit hier, bauen ihren Alltagsstress ab. Andere genießen nette Gespräche. Sie machen drei Übungen, dann trinken sie einen Shake und reden – und sind so auch eine Stunde hier.“ Studioleiter fehlt der Kontakt zu den Mitgliedern: Diese Unterhaltungen fehlen auch ihm. Bendrich hat seine Ausbildung – duales Studium Fitnessökonomie – 2014 bei Clever Fit in Eutin begonnen. Nach Stationen in Bremen und Bad Oldesloe ist er nach Eutin zurückgekehrt. Daher kennt er etliche Mitglieder seit Jahren. „Ich bin traurig, wie es in den vergangen Monaten gelaufen ist, und vermisse den Kontakt“, sagt er und dass er – fast ausschließlich im Homeoffice tätig – sozial vereinsame. „Aber das geht wohl vielen so.“ Sportler vermissen ihr Fitness-Team: Dass auch viele Mitglieder ihren Sport und das Studio als solches vermissen, erfährt Max Bendrich aus ihren Mails und Telefonaten. „Sie schreiben uns, fragen, wann wir endlich wieder öffnen und wir uns wieder sehen. Das ist herzerwärmend. Einige berichten aber auch von ihren Problemen im Lockdown und dass sie depressiv werden. Da rufe ich dann an und frage, ob ich etwas für sie tun kann“, schildert er. „Das finde ich persönlicher, als zurück zu mailen. Außerdem ist ein Gespräch einfacher, als zu schreiben.“ Durch die persönliche Rückmeldung fühlten sich die Menschen ernstgenommen. Er beobachte zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr und dem jetzigen durchaus Unterschiede, sagt der Studioleiter. „Die Leute machen den Unterschied. Sie haben viel mehr Respekt und Angst vor dem Virus.“ Der erste Lockdown hätte länger durchgezogen werden sollen, findet Bendrich. Dass es eine Verlängerung des zweiten geben würde, hat er erwartet. Für das Studio sei es bitter: „Wir haben alles an Hygienemaßnahmen umgesetzt, alle Richtlinien befolgt. Es ist so, als ob man das Ziel vor Augen hat, aber es wird immer wieder weiter weggezogen.“ Nennenswerte Kündigungen von Mitgliedern habe es jedoch nicht gegeben, „wir haben die normale Fluktuation“, berichtet er. Lesen Sie auch Lockdown in SH bis 31. Januar: Schule, Kita, Treffen, Homeoffice - die Regeln in der Übersicht Oldenburg/Heiligenhafen: Fitnessstudios im Lockdown: Sorge um Gesundheit Trainer: „Der Lockdown zieht mich ’runter“: Von der Stilllegung des Studios sei auch sein Team enttäuscht und genervt, sagt Max Bendrich. Die neun 450-Euro-Kräfte haben seit November keine Beschäftigung mehr. Alle anderen sind in Kurzarbeit. Für die drei Auszubildenden geht immerhin die Online-Schule weiter. Auch Bendrich selbst bildet an der Clever-Fit-Akademie in Online-Seminaren aus. Der angestellte Trainer Stephan Biester (39) sagt, die Zwangspause „ist lästig und zieht mich ’runter“. Er wohne quasi im Studio. „Auch für mich ist mein Hobby zum Beruf geworden“, betont er. „Wir möchten Menschen sportlich und gesundheitlich voranbringen. Das ist unsere Lebenseinstellung“, sagen Bendrich und Biester unisono. 2004 startete Clever Fit mit einem Pilotbetrieb in München. Die Kette betreibt über Franchisenehmer inzwischen über 460 Studios europaweit, unter anderem in Österreich und der Schweiz. Ihr gehören circa 800 000 Mitglieder an. Immerhin haben die Studio-Mitarbeiter die Gelegenheit, an den Geräten zu trainieren und sich fit zu halten. „Aber jeweils nur zu zweit und natürlich mit Abstand“, sagt Max Bendrich. Er versuche so auch, seine Kollegen zu schulen, ihnen noch ein paar Kniffe zu zeigen. Sich selbst hat er darüber hinaus auferlegt, jeden Tag spazieren zu gehen, „immer 20 000 bis 25 000 Schritte“. Auszuschlafen und am Computer zu spielen, erlaubt er sich aber auch. Home-Workout zur Überbrückung: Von 10 bis 16 Uhr ist Max Bendrich im Homeoffice für die Studio-Mitglieder erreichbar. Wer noch nicht von sich aus aufs Joggen oder Fahrradfahren umgestiegen ist, kann sich von ihm ein Home-Workout erstellen lassen: Training mit Wasserflaschen statt Hanteln und Fitness-Übungen mit Handtüchern und Stühlen. Von Ulrike Benthien