Lockdown in Weißenhäuser Strand: So überwintern die Tiere im Ferienpark

Erst Teil-Lockdown, dann harter Lockdown – die Tiere im Ferienpark Weissenhäuser Strand müssen bereits seit Anfang November in Ermangelung von pandemiebedingt ausgesperrten Urlaubsgästen ohne interessierten Besuch auskommen. Doch nach den vergleichsweise turbulenten Sommer- und Herbstwochen scheinen die Bewohner im gut beheizten „Abenteuer Dschungelland“ sowie die Ziegen und Schafböcke oder das Damwild in den Freiluftgehegen an der winterlich-rauen Ostseeküste nicht wirklich dem Corona-Blues verfallen zu sein. Das liegt auch und vor allem an den pflichtbewussten Tierpflegern: Unter der Leitung von Irina Newiger kümmert sich ein siebenköpfiges Team täglich – natürlich auch an den Wochenenden – in der Kernzeit von 8 bis 16.30 Uhr um das mannigfache „animalische Inventar“ der ansonsten fast menschenleeren, 100 Hektar großen Anlage mit ihren 1200 Vermieteinheiten für rund 3600 Gäste. Newiger & Co. zählen zu den 50 der 500 Ferienpark-Angestellten, die nicht in Kurzarbeit sind. Von Bad Pyrmont an die Ostseeküste: Zu den drei ausgelernten Pflegern und vier Auszubildenden gehört seit vergangenem Sommer auch Christopher Dau (21). Den gebürtigen Herforder zog es nach dreijähriger Ausbildung und insgesamt fünf Zoo-Jahren in Bad Pyrmont an die ostholsteinische Küste, „zumal ich die Gegend hier ja schon durch die regelmäßigen Sommerurlaube mit meinen Eltern bestens kannte“. Somit verwirklicht er sich jetzt in Weissenhäuser Strand tatsächlich nach dem Motto „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ und findet: „Der Wechsel hat sich gelohnt. Zwar gab es in Bad Pyrmont Zebras, Antilopen oder Löwen, aber zuletzt leider keine Reptilien mehr. Und um die kann ich mich hier um so ausgiebiger kümmern.“ „Graf Zahl“ lässt sich im „Dschungelland“ kraulen: Tatsächlich scheint das auch „Graf Zahl“ längst bemerkt zu haben. Das Leguan-Männchen lebt zusammen mit „Fienchen“ in einem geräumigen Terrarium im „Dschungelland“, wo mittlerweile 60 Arten zu Hause sind – von Fauchschaben und Blattschrecken bis zum Bindenwaran „Joana“, dem Kaiman „Socke“ oder einer zwei Meter langen Madagaskar-Boa. „Graf Zahl“ zählt allerdings zu den Lieblingen von Tierpfleger Dau. Und das beruht offenbar auf Gegenseitigkeit, denn der 21-Jährige berichtet: „Während ,Fienchen’ sich ziert und eher abweisend ist, genießt er es regelrecht, wenn ich ihm den Hals kraule.“ Äffchen sind durch den Lockdown beeinträchtigt: Echte Genießer und Daus – zumindest zweitbeste – „Dschungelland-Freunde“ sind auch die zehn Weißbüschelaffen ein paar Ecken weiter. Vor allem, wenn der Pfleger ihnen zum offiziellen Pressefoto eine Extra-Portion Heuschrecken zum zweiten Frühstück mitbringt. Dau sagt: „Eigentlich kann man schon sagen, dass sie hier zu meinen Favoriten gehören. Und bei ihnen merkt man auch noch am ehesten, dass sie durch den Lockdown beeinträchtigt sind. Denn sie finden es schon interessant und abwechslungsreich, von unseren Besuchern bestaunt zu werden. Jetzt fehlt ihnen das irgendwie.“ Lesen Sie auch Ostholstein: Gastronomen erhalten Corona-Hilfen nur schleppend Auto rammt Einfahrt in Malente: Nick (7) beinahe von Gartenmauer erschlagen Zoom-Konferenz: Minister Albrecht informiert über AKW-Schutt in Johannistal Piranhas bekommen Pute, Rind oder Fisch: Morgens müssen im „Dschungelland“ neben den Affen zunächst die diversen Hörnchen, Meerschweinchen, Flughunde und Igel gefüttert werden, während Schlangen, Warane, Echsen und Kaiman „Socke“ vor allem im Winter durchaus genügsamer sind und mitunter nur alle zwei Wochen etwa mit einer Tiefkühl-Ratte versorgt werden. Da sind die wuseligen Piranhas im „ Subtropischen Badeparadies “ schon deutlich anspruchsvoller. Christopher Dau erklärt: „Sie müssen von uns regelmäßig ihr geliebtes Fleisch bekommen – abwechselnd Pute und Rind, manchmal auch Fisch.“ Tiere und Pfleger vermissen menschliches Leben: Auch draußen in den begehbaren Gehegen herrscht trotz oder gerade wegen der gefühlten Minusgrade und der steifen Brise ein gesunder Appetit. Daus Kollegin Hanna Teichmann (18), Azubi im zweiten Lehrjahr, verwöhnt dort gerade Ziegen und vor allem den extrem zutraulichen Schafbock „Alfred“ mit Leckerlis, die in ähnlicher Form auch als Kraftfutter und Ergänzung zum frischen Heu vom benachbarten Damwild geschätzt werden. Die 18-Jährige sagt: „Ich muss mich hier ja im Lockdown etwas mehr ins Zeug legen, da natürlich vor allem die Kinder fehlen, von denen sie ansonsten verwöhnt werden.“ Generell finden beide Tierpfleger: „Es wäre schon schön, wenn der Lockdown bald vorbei wäre, damit es hier auch wieder mehr menschliches Leben gibt.“ Ferienpark-Chef wartet auf versprochene Hilfen: Das kann David Depenau nur unterschreiben. Der Ferienpark-Geschäftsführer betont: „Es ist schon bitter, dass meine Prognose sich zu bewahrheiten scheint, frühestens zu Ostern wieder öffnen zu können. Doch selbst, wenn es Mai werden sollte, ist das für unser gut aufgestelltes Unternehmen wirtschaftlich noch darstellbar.“ Allerdings empfindet er es als „bodenlose Frechheit, dass von all den von den Politikern großmundig versprochenen Hilfen erst ein Mini-Abschlag für den November bei uns angekommen ist.“ Von Andreas Oelker