Lost Place: Die Fischzuchtanstalt am Dieksee in Malente

Der Landschaftsmaler Joachim Hinrich Wrage (geboren 1843 in Hitzhusen, gestorben 1912 in Malente-Gremsmühlen) gilt als einer der bedeutendsten Maler des „norddeutschen Realismus“. Dass der Künstler sich auch als Fischzüchter betätigte, ist nicht vielen geläufig. Er übernahm die vom Oldenburger Großherzog Nicolaus Friedrich Peter (1853 bis 1900) begonnene Fischzuchtanstalt am Dieksee in Malente, von der heute nur noch die sogenannten Spiegelteiche im Wald Holm erhalten sind – ein Ort, der durch seine Stille und Schönheit tiefenentspannt wirkt und durchaus etwas Verwunschenes an sich hat. Großherzog betrieb viel Aufwand für Fischzuchtanstalt: Hinrich Wrage betrieb die Fischzuchtanstalt mehr als Liebhaberei und Attraktion für Touristen, während seinen Vorgänger wirtschaftliche Aspekte antrieben. Wie der Malenter Chronist Hans Bartels berichtete, wollte der Großherzog den Ertrag aus dem Fischfang im Dieksee steigern, indem er dort Lachse, Forellen und Saiblinge aussetzen ließ. Er erwarb daher 1869 am Ufer ein Grundstück mit einer alten Walkmühle (heute Diekseepromenade). Das Mühlenhäuschen ließ er für die Fischzucht herrichten. Elf flache Aufzuchtteiche wurden angelegt, die von einem Quellteich oberhalb des Dieksees gespeist wurden. Spiegelteiche als Kinderstube am Dieksee: Im Wald Holm schufen die Arbeiter des Großherzogs darüber hinaus drei mit künstlichen Gräben verbundene Aufzuchtteiche: die Spiegelteiche, die bis heute erhalten sind. In Brutgefäßen und den kleinen Aufzuchtteichen verbrachten Lachse, Forellen und Saiblinge ihre ersten Monate, ehe sie in die Spiegelteiche umgesiedelt und später, bei entsprechender Größe, in den Dieksee umgesetzt wurden. Die Zucht ließ sich vielversprechend an – die ersten Seeforellen wurden 1872 geangelt -, stellte sich aber letztlich doch als Fehlinvestition heraus: Die Jungfische in den Teichen am Holm wollten nicht gedeihen. So berichtet es Hans Bartels in seiner Chronik, für die er, langjähriges Vorstandsmitglied des Heimat- und Verschönerungsvereins, im Privatarchiv des Heimatforschers Hanns Zimmermann und den geschichtlichen Aufzeichnungen des ehemaligen Malenter Lehrers Otto Struck recherchiert hatte. Fischotter stellen den Jungfischen nach: Es gab zwei Gründe für die Malaise. Zum einen führte das herabfallende Laub im Herbst zu einer Übersäuerung der Spiegelteiche. Zum anderen taten sich Fischotter an dem Buffet mit jungen Edelfischen gütlich. Weil der erhoffte Gewinn sich nicht einstellen wollte, verlor der Großherzog nach einigen Jahren das Interesse an der Fischzuchtanstalt und verpachtete sie schließlich 1887 an den Grundstücksnachbarn Hinrich Wrage. Fütterung zur Unterhaltung der Feriengäste: Der Maler betrieb die Zucht bis 1897 in kleinerem Stil zum Amüsement seiner Pensionsgäste (Pension Bucheneck, 1898 baute Wrage auch noch das Landhaus Bucheneck). In Gremsmühlen habe nach dem Krieg 1870 gegen Frankreich nämlich der Fremdenverkehr eingesetzt, so hat es Hans Bartels den historischen Unterlagen entnommen und in seiner Chronik wiedergegeben. Vor allem Hamburger soll es in die Holsteinische Schweiz gezogen haben. An der Fütterung der Jungfische und der Schönheit der Spiegelteiche hätten die Sommerfrischler ihre Freude gehabt, schildert Bartels. Aber auch Lehrer mit ihren Schulklassen sollen sich zur Fischfütterung eingefunden haben. Fischzuchtanstalt ist ein Lost Place in Malente: Wo sich einst die Walkmühle mit den Aufzuchtteichen befand, stehen heute das Hotel Diekseequell und die Pension Brüchmann an der Diekseepromenade. Letztes Relikt der Fischzuchtanstalt, ein Lost Place im Ostholsteinischen, sind die Spiegelteiche. Auch ohne Fische werden sie von Spaziergängern bewundert. Hobbyfotografen bieten sie zu jeder Jahreszeit ein lohnendes Motiv. An die glanzvollen Zeiten der Pension Bucheneck und des Landhauses Bucheneck als Oase im Sommer erinnert immerhin noch der Bucheneckweg. Nach Hinrich Wrage ist ein Stück weiter eine Straße benannt. Lesen Sie auch: Vergessene Orte in Ostholstein: Die Ruine vom ehemaligen Gasthaus Gieslers Höh Lost Places: Die „Oase“ in Steinbek - Bordell, Kommune, Nazi-Quartier Lost Place: Schloss Eggersdorf bei Malente in Ostholstein Alljährlich im November lassen Mitarbeiter des Malenter Bauhofes das Wasser der Spiegelteiche übrigens in den Dieksee ab, damit sie das im Herbst herabgefallene Laub herausholen können. Zu Ostern werden die Schieber geschlossen, und das Wasser aus der Quelle im Bergengehölz wird wieder gestaut. Von Ulrike Benthien