Lost Place: Schloss Eggersdorf bei Malente in Ostholstein

Mehr Schein als Sein, das trifft auch auf Schloss Eggersdorf in Malente zu. Denn ein richtiges Schloss steht auf dem Anwesen an der Kellerseeallee nicht. Wohl aber ein ehemals eindrucksvolles Anwesen. Die glanzvollen Zeiten gehören jedoch längst der Vergangenheit an. Auf dem Areal regieren Brombeeren, Brennnesseln und Efeu. Die Gartenanlagen sind überwuchert und größtenteils nur zu erahnen. Das Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Gebäude rottet vor sich hin. Adliger Eigentümer lässt Landhaus aufstocken: Eggersdorf: Der Name wird schon Ende des 13. Jahrhunderts in kirchlichen Grundbüchern als Dorf Eghardisdorpe nordöstlich der Malenter Aue erwähnt. Gleichfalls wird auf einer Karte aus dem Jahr 1856 eine Bauernstelle an der heutigen Kellerseestraße mit Eggersdorf bezeichnet. Ein dort um 1890 errichtetes Landhaus kommt wenige Jahre später in den Besitz des Berliner Kaufmanns Christian Wilhelm von Schiller, der vom Kaiser wegen besonderer Verdienste in den Adelsstand erhoben worden ist. Adel verpflichtet, mag von Schillers Leitgedanke gewesen sein. Jedenfalls lässt er 1907 das Landhaus mit einem zweigeschossigen Vorbau und einer burgartigen, mit Zinnen versehen Fassade und einem Turm, ebenfalls mit Zinnen, aufwerten. Sogar ein Familienwappen der von Schillers wird an der Fassade eingelassen. Bei den Malentern bürgerte sich daher der Name Schloss Eggersdorf ein – so hat es Heimatforscher Hans Bartels geschildert. Heimatforscher aus Ostholstein: Bartels, vor wenigen Jahren gestorben, ist lange Jahre Vorstandsmitglied im Heimat- und Verschönerungsverein Malente-Gremsmühlen gewesen und für die Chronik des Ortes verantwortlich. Dabei hat er sich auf das Privatarchiv des Heimatforschers Hanns Zimmermann mit unzähligen alten Ansichtskarten und Fotos der letzten 120 Jahre sowie die geschichtlichen Aufzeichnungen des ehemaligen Malenter Lehrers Otto Struck gestützt. Landstelle Eggersdorf wird aufgeteilt: Christian Wilhelm von Schillers Freude an seinem Prunkbau währt nicht lange. Er stirbt im Mai 1917 an einer Kriegsverletzung. Seine Witwe verkauft die Landstelle Eggersdorf samt Schloss an die Gemeinde, diese splittet den Besitz auf und erzielt gute Gewinne für die Ländereien. Das Schloss und ein Teil Land gehen an den wohlhabenden Hamburger Kaufmann Arthur Hamel. Er beauftragt unmittelbar nach Erwerb den Lübecker Gartenarchitekten Harry Maaß damit, das Grundstück neu zu gestalten. Lost Place: Mit Springbrunnen und Putten im Park: In seiner Chronik gibt Bartels Jahrzehnte später die Schilderungen einer Malenterin wieder, die die Arbeiten als junges Mädchen verfolgt hat. Den fertigen Garten beschreibt sie so: Breite Stufen führen vom Eingangstor zu einem runden Springbrunnen. Um den Rand herum hocken fünf steinerne froschartige Drachen, jeder trägt auf dem Rücken eine Putte. Vier stellen die Jahreszeiten dar, die fünfte dient nur dazu, eine Gleichmäßigkeit herzustellen. Vom Brunnen führt ein schmaler Weg zu einem Pavillon, auf der anderen Seite geht es zur Obstkoppel. Freitreppen mit Sphinxen leiten zur nächst höheren Terrasse, über eine weitere Freitreppe gelangt der Besucher zum Haus-Vorplatz. Überall ziehen sich Balustraden entlang, es gibt kunstvolle Säulen, Steinsockel und etliche Blumenschalen. Reste sind bis heute erhalten und ein beliebtes Foto-Motiv für Menschen, die auf der Suche nach Lost Places sind. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, in Sichtachse des Schlosses zum Kellersee, führt eine Allee mit kleinwüchsigen Linden zum Ufer. Dieser Weg existiert nach wie vor, ist aber wie das gesamte Schloss-Areal mit Gitterzäunen abgesperrt und nicht öffentlich nutzbar. Auch Arthur Hamel ist nur wenig Zeit auf seinem Schloss in Malente vergönnt: Er stirbt 1921. Seine wesentlich jüngere Frau zieht wegen der Zerstörungen in Hamburg im Zweiten Weltkrieg in das eigentlich als Sommerdomizil gedachte Schloss in Malente. Sie stirbt 1986. Die einzige Tochter des Paars verbringt auf Eggersdorf ihren Lebensabend, sie stirbt im Jahr 2000. Beide Frauen können das Anwesen nicht in Schuss halten. Der Garten verwildert, auch das Haus verfällt. Protest gegen Luxus-Wohngebiet: Der Hamburger Geschäftsmann Winfried Broschk wird 2002 neuer Eigentümer. Die Villa „Schloss Eggersdorf“ ist als bauliches Kulturdenkmal in Schleswig-Holstein eingetragen. Der Park und die Allee zum Kellersee sind als Gründenkmale vermerkt. Beide Einträge erschweren 2010/2011 Broschks Vorhaben, auf dem Areal ein Luxus-Wohngebiet mit großen Grundstücken (in einem Fall über 3000 Quadratmeter) mit Blick auf den Kellersee errichten zu lassen. Streit entzündet sich an der Frage, von wo aus ein solches Baugebiet erschlossen werden soll: von der Straße „Am Hünengrab“ oder von der Kellerseestraße aus. Auf beiden Seiten protestieren die jeweiligen Anwohnern energisch. Die Gemeindevertreter warten zudem auf Ausgleichsflächen, die Winfried Broschk präsentieren soll. Seitdem ruht das Vorhaben – und Brombeeren, Brennnesseln und Efeu nehmen Schloss Eggersdorf mehr und mehr in Besitz. Lesen Sie auch Lost Places: Die „Oase“ in Steinbek - Bordell, Kommune, Nazi-Quartier Vergessene Orte in Ostholstein: Die Ruine vom ehemaligen Gasthaus Gieslers Höh Lost Places in Stormarn: Das zerfallene Gutshaus in Rethwischfeld Von Ulrike Benthien