Mit Sehbehinderung den Alltag meistern

Immer wieder habe sein Vater Gläser umgestoßen, als seine Sehkraft nachließ, berichtet Claus Bernhard. „Glas und Wasser darin sind durchsichtig — der Kontrast zum Hintergrund fehlt“, erklärt der Reha-Fachlehrer, und etwa 30 Bewohner des Curanum-Seniorenstifts hören interessiert zu. Sie sind einem Aufruf der Mitarbeiter von „Blickpunkt Auge“ (BPA) gefolgt, die an diesem Nachmittag in Timmendorfer Strand Station machen und „Rat und Hilfe bei Sehverlust“ anbieten. Der Beratungsbus fährt gezielt Senioreneinrichtungen an, weil mit dem Alter eben auch Augenerkrankungen zunehmen. Konkrete Tipps für den Alltag wollen die Berater dabei geben. „Mein Vater hat sich farbige Gläser besorgt“, zeigt Bernhard einen Weg aus dem Problem der eigentlich fehlenden Kontraste: „Für diese Kontraste müssen Sie selbst sorgen, wenn es nötig ist.“ Wichtig sei zudem „gutes, flächiges Licht“ im Wohnbereich. „Und alles, was Sie nicht entziffern können, müssen Sie vergrößern — mit einer Lupe oder speziellen Lesegeräten.“ Natürlich spricht Bernhard auch über verschiedene Behandlungsmethoden, warnt aber: „Wundermedizin gibt es nicht, fallen Sie nicht auf derartige Versprechen herein.“ Mit Schwierigkeiten und Missverständnissen innerhalb der Gesellschaft hat Berater Ulf Dollerschell selbst Erfahrungen gesammelt — ihm ist eine Sehkraft von unter zwei Prozent geblieben. „Man kann aber trotzdem etwas damit anfangen, wenn man es gewohnt ist“, sagt er. Wichtig sei beispielsweise ein eindeutiges „Kennzeichen“: „Tragen Sie deutlich den Blinden-Button mit den drei Punkten.“ Die Umwelt müsse Bescheid wissen, „sonst gehen Sie an Bekannten vorbei, die Sie nicht mehr erkennen, grüßen deshalb nicht — und gelten am Ende noch als komisch oder arrogant“. Sehbehinderte befürchteten oft, durch die Kennzeichnung leichter Opfer von Straftätern zu werden, die die Hilflosigkeit ausnutzen. „Davor sind wir nicht gefeit“, räumt Dollerschell ein. „Aber wir kommen mit dem Button generell besser draußen zurecht.“ Von Augenärzten hörten die Betroffen meist: „Sie haben das und das, ich verschreibe Ihnen dieses und jenes“, so Dollerschell weiter. „Aber was dann? Wie gestalten Sie Ihren Alltag? Wo finden Sie Hilfe?“ Diesbezüglich wollen er und seine Mitstreiter ihren Beitrag leisten, in kostenlosen Einzelberatungen — und die wurden auch in Timmendorfer Strand nach dem Vortrag gern angenommen. Sehr zur Zufriedenheit der Aktiven vom Lions-Club Lübecker Bucht — denn der unterstützt BPA in diesem Jahr mit bis zu 18 000 Euro, die offenbar gut angelegt sind. latz Hilfe per Bus Rat und Hilfe bei Sehverlust bietet die Aktion „Blickpunkt Auge“ (BPA), die 2010 von Sehbehinderten gegründet wurde. Seit Februar 2012 fährt der BPA-Bus durchs Land. Er wird über Spenden finanziert, die Beratung ist kostenlos. Informationen gibt es unter Telefon 045 22/76 49 266 und im Internet unter www.blickpunkt-auge.de. LN

Timmendorfer Strand - Mit Sehbehinderung den Alltag meistern