Nach der Abwahl von Wagner: Timmendorfer Strand setzt auf Neuanfang

Erleichterung über das Ende der Auseinandersetzungen im Ort und hoffnungsvolle Blicke nach vorn: Diese Stimmungen prägen in der Gemeinde Timmendorfer Strand den Tag nach dem Bürgerentscheid über die Abwahl von Bürgermeister Robert Wagner. 60 Prozent derjenigen, die sich an der Abstimmung beteiligten, haben sich für die Abwahl des parteilosen Verwaltungschefs ausgesprochen. Nun sei der Weg frei für einen Neuanfang, finden viele Bürger. Innerhalb von sechs Monaten muss ein neuer Bürgermeister oder eine neue Bürgermeisterin gewählt werden. Die Sonne scheint am Montagmorgen auf den Timmendorfer Platz, doch trotz des schönen Herbstwetters ist dort kaum jemand unterwegs – der Teil-Lockdown sorgt weiterhin für leere Straßen, Plätze und Promenaden. Wenige Einheimische, die Masken vorm Gesicht, erledigen Einkäufe, halten sich mit Kommentaren zum Ausgang des Bürgerentscheids eher zurück. „Gut, dass es entschieden ist“, sagt ein Mann. „Mit Wagner hätte es keine Zukunft gegeben“, findet eine Spaziergängerin – eine andere meint hingegen, er sei „ungerecht“ behandelt worden. Bis zur Neuwahl übernehmen die Stellvertreter die Geschäfte: Auch in den Kommentaren in den sozialen Medien gehen die Meinungen auseinander – wie vor der Abstimmung auch. Begrüßt wird von vielen Seiten die recht hohe Wahlbeteiligung, die bei immerhin 52,5 Prozent lag. 3934 gültige Stimmen wurden abgegeben, 2346 entfielen auf „Ja“ für die Abwahl – 59,6 Prozent. Bis zur Neuwahl führen die Stellvertreter die Geschäfte im Rathaus – Melanie Puschaddel-Freitag (CDU), Andreas Müller (WUB) und Michael Strümpell (BBNP). Er sei „mit Leib und Seele Bürgermeister gewesen“, erklärte Robert Wagner gegenüber den LN. Die hohe Wahlbeteiligung sei erfreulich, denn so habe man „ein repräsentatives und anständiges Ergebnis“. Jetzt gelte es, den Bürgerwillen zu respektieren. „Ich möchte, dass die Gemeinde zur Ruhe kommt und dass sich ihr Image bundesweit wieder verbessern kann“, betonte Wagner. Das hätten sich die Bürger verdient, „und ich bin es meinen Wählern schuldig, dass ich die Gesamtverantwortung trage - indem ich das Ergebnis anerkenne“ Er sei erleichtert darüber, dass jetzt Klarheit herrsche, „auch wenn ich mir einen anderen Ausgang gewünscht habe“. Einen „Neuanfang ohne persönliche Befindlichkeiten“ wünscht sich Heinz Meyer, Vorsitzender der Timmendorfer Aktivgruppe für Handel und Gewerbe, für den Ort. Als künftiges Verwaltungsoberhaupt favorisiert er „eine auch aus der Verwaltung kommende Person“, nachdem zwei Versuche mit „nicht verwaltungserfahrenen Persönlichkeiten“ – also Hatice Kara und danach Robert Wagner – nicht erfolgreich verlaufen seien. „Die großen und schweren Aufgaben der nächsten Jahre müssen hochprofessionell und gemeinsam gemanagt werden“, erklärt Meyer. „Dazu brauchen wir jemanden, der auch auf Augenhöhe mit dem Kreis, dem Land und den Bürgermeisterin der umliegenden Gemeinden agieren kann.“ „Kandidaten-Vielfalt schadet nicht“: Zufrieden mit dem Ergebnis ist die Timmendorfer Gleichstellungsbeauftragte Susanne Sommerfeld. Sie hoffe nun für die Kandidatensuche zur Neuwahl, „dass sich vernünftige Menschen bewerben und die Bewerbungen fair ablaufen“. Kandidaten-Vielfalt schade nicht, meint sie, „wenn es mehrere interessante Personen gibt, sollten wir für diese auch die Türen öffnen“. Entscheidend ist aus ihrer Sicht, dass der oder die neue Bürgermeister/in „die Strukturen der Gemeinde kennt“. Der Timmendorfer Bürgermeister ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Timmendorfer Strand Niendorf Tourismus GmbH (TSNT). Dementsprechend wünscht sich Joachim Nitz für die Zukunft jemanden „mit Verständnis für die touristischen Zusammenhänge“ auf diesem Posten. „Wir hoffen auf eine harmonische, konstruktive Zusammenarbeit“, so Nitz. Die Feuerwehr sei immer von der Verwaltung und der Politik unterstützt worden, erklärt der Gemeindewehrführer Thomas Scharbau. Der Bürgermeister ist der Dienstherr der Feuerwehren, „und wir stehen grundsätzlich hinter dem- oder derjenigen, den die Bürger gewählt haben“, sagt Scharbau. „Unsere Gemeinde muss jetzt zusammenstehen“: Bürgervorsteherin Anja Evers verweist auf die großen Aufgaben, vor denen die Gemeinde steht. „Wir sollten deshalb nicht zu lange überlegen und warten, bis wir die Stelle des Bürgermeisters ausschreiben“, findet sie. In der Gemeinde müssten nun alle wieder aufeinander zugehen. So sehen es auch die Vertreter der fünf Fraktionen, die sich für die Abwahl Wagners eingesetzt haben. „Wir reichen auch den fast 1600 Bürgern die Hand, die für Herrn Wagner gestimmt haben, und versichern ihnen, dass wir zur gemeinsamen Sachpolitik zurückfinden werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von WUB, BBNP, SPD, Grünen und FDP: „Unsere Gemeinde muss jetzt zusammenstehen und einem/einer zukünftigen Bürgermeister/in den Nährboden für eine gute Zusammenarbeit bieten.“ Lesen Sie auch: Timmendorfer Bürgermeister mit knapp 60 Prozent abgewählt Timmendorf: Richter weisen Eilantrag von Robert Wagner ab Timmendorf: Aufruf zur Fairness vor dem Bürgerentscheid Von Sabine Latzel