Ostholstein: Große Corona-Ausbrüche in Heimen nach Impfung

Mobile Impfteams sind seit Januar in 38 von 41 Alten- und Pflegeheimen in Ostholstein vorstellig geworden. 3537 Bewohner und Pflegekräfte (Stand 22. Januar) haben dabei nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH) ihre erste Schutzimpfung gegen eine Covid-19-Erkrankung erhalten. Dennoch hat es nun in zwei Einrichtungen Corona-Ausbrüche gegeben. Insgesamt haben sich über 70 Menschen angesteckt. Betroffen sind das Dana-Pflegeheim am Kiebitzberg in Neustadt und das Alten- und Pflegeheim (APH) in der Stockelsdorfer Dorfstraße. In Stockelsdorfer Heim sind 25 Senioren infiziert: Das Stockelsdorfer Heim ist ein Familienbetrieb seit 1970. Geschäftsführer und Heimleiter Jürgen Kollmann und sein aus 42 Personen bestehendes Team betreuen hier rund 70 Senioren. 25 von ihnen sind aktuell corona-positiv, ebenso wie drei Mitarbeiter. Der erste Infektionsfall sei am 4. Januar festgestellt worden, sagt Jürgen Kollmann. Er habe immer damit gerechnet, dass auch in seinem Heim einmal Corona auftreten werde. „Die Frage war nicht ob, sondern wann.“ Vorbereitet habe man sich „für den Fall der Fälle“ mit einer vorsorglich eingerichteten Quarantänestation. Dass es nun passiert ist, nachdem Bewohner und Pflegekräfte ihre erste Impfung erhalten haben, verwundert ihn ein bisschen. „Aber wahrscheinlich dadurch haben bislang alle glücklicherweise nur leichte Symptome.“ Corona in Stockelsdorf: Betretungsverbot für Heim: Die Infizierten würden von Hausärzten überwacht, „es gibt Tests und ein tägliches Monitoring, bei dem der Krankheitsverlauf abgeglichen wird, beispielsweise werden Temperatur und Sauerstoffsättigung überwacht“, sagt der Heimleiter. „Wir stehen mit allen Angehörigen und den Ämtern in Kontakt“, versichert er. Jürgen Kollmann hofft, dass es bei den leichten Verläufen bleiben wird und „alle gut durchkommen“. Wie das Virus ins Haus gelangen konnte? „Das ist Spekulation. Wir haben alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen“, sagt er. Derzeit gilt ein Betretungsverbot für das Heim. 31 an Corona erkrankte Bewohner in Neustädter Heim: Im Dana-Pflegeheim in Neustadt sind 31 von 130 Bewohnern und 13 von 65 Mitarbeitern mit dem Virus infiziert. Das bestätigt Dr. Yazid Shammout, Geschäftsführer der Dana-Senioreneinrichtungen in Hannover. Ihn beschäftigt, „dass wir bis zur ersten Impfung der Bewohner und der Belegschaft vor zwölf Tagen nicht einen einzigen Corona-Fall hatten“. Die Hygienemaßnahmen seien perfekt gewesen, so Shammout, und dann komme ein plötzlicher Ausbruch in dieser Größenordnung. Die erste Infektion habe man vor fünf Tagen registriert, am nächsten Tag seien es zwei oder drei positiv Getestete gewesen, seit drei Tagen seien die genannten Zahlen stabil, schildert er. Lesen Sie auch Neustadt: 109-Jährige gegen das Coronavirus geimpft Ostholstein: So viele Neuinfektionen wie noch nie (21. Januar) Fehmarn: Awo-Chef fordert Impfstation für Fehmarn So geht es den Bewohnern im Neustädter Heim: Dass das mobile Impfteam das Virus ins Haus getragen habe, schließe er absolut aus, so Shammout. „Die Mitarbeiter achten sehr auf Eigenschutz. Außerdem ist bei uns nur eine Station betroffen. Sonst gäbe es auch Infektionen auf anderen Stationen.“ Allen betroffenen Bewohnern und Mitarbeitern gehe es relativ gut, sie hätten leichte Krankheitsverläufe. Die Entwicklung überrasche ihn jedoch, sagt der Dana-Geschäftsführer: „Nach der ersten Impfung sollte eine bessere Immunität bestehen. Das Robert-Koch-Institut spricht danach von 50 bis 80 Prozent.“ Dass es im Kreis Ostholstein zeitgleich einen weiteren, nach der Erstimpfung aufgetretenen größeren Corona-Ausbruch gibt – festgestellt worden sei so etwas auch in einem Dana-Haus in Hannover sowie in Pflegeeinrichtungen in Dortmund und Bayern, berichtet Shammout – müsse beobachtet werden. Er habe sich deshalb bereits ans RKI gewandt. Virologe: Erste Impfung bietet nur teilweisen Schutz: „Man kann von einem wesentlichen Impfschutz erst sprechen, wenn beide Impfungen stattgefunden haben und darüber hinaus noch eine Woche verstrichen ist “, erklärt Virologe Helmut Fickenscher, Leiter des Instituts für Infektionsmedizin an der Kieler Universität. Die erste Impfung könne „einen gewissen Schutz“ bieten, das funktioniere aber bei jungen Leuten besser als bei alten. Leider gebe es bei Hochbetagten auch eine extreme Empfänglichkeit für das Virus. „Es ist wirklich bedrohlich für sie. Deswegen müssen wir konsequent in Heimen impfen “, betont der Professor. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Das sind die aktuellen Zahlen in Ostholstein: Im Vergleich zum Vortag sind in Ostholstein 17 Neuinfektionen hinzugekommen, überwiegend in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Die Gesamtzahl positiver Fälle seit Beginn der Pandemie im März gibt der Kreis am Freitag, 22. Januar, mit 1560 an. Aktuell gelten 300 Ostholsteiner als positiv. 1232 Menschen sind wieder genesen. In Kliniken werden momentan 27 Menschen behandelt. 327 Ostholsteiner sind in häuslicher Quarantäne. Im Verlauf der Pandemie sind im Kreisgebiet 28 Menschen in Zusammenhang mit Corona gestorben. Der Inzidenzwert beträgt 71,3 – er sagt aus, wie viele Personen sich in den vergangenen sieben Tagen, bezogen auf 100 000 Einwohner, mit dem Virus infiziert haben. Von Ulrike Benthien