Ostholstein: Kreistag wehrt sich gegen 380-kV-Stromtrasse von Tennet

Enttäuschung, Wut, Unverständnis: Es war eine emotionale Sitzung des Kreistags, zu der sich die Mitglieder am Mittwoch, 29. September, in Eutin trafen. Fast alle waren sich einig: Der Kreis will und muss sich gegen die Pläne des Netzbetreibers Tennet stellen. Denn der hatte kürzlich mit einer neuen Trassenführung für Unmut gesorgt. Mit einem Positionspapier wünschen sich die Kreistagsmitglieder jetzt mehr Dialog und vor allem Unterstützung auf Landes- und Bundesebene. Alles begann mit einem Dialogforum: Der Ursprung: Vor einigen Jahren hatte es zum Verlauf der Stromtrasse ein Dialogforum gegeben. Man war sich einig, dass die Leitung im Südkreis durch das Binnenland verlaufen sollte, bevor sie weiter nördlich dem Verlauf der Autobahn folgt und im Naturschutzgebiet Oldenburger Bruch als Erdverkabelung weiter läuft. Doch nun sind der Netzbetreiber und das Land Schleswig-Holstein von diesen Plänen abgerückt. „Stattdessen soll uns der Kern von Ostholstein mit einer gigantischen Stromleitung zugestellt werden“, sagte Landrat Reinhard Sager (CDU). Denn bevorzugt wird nun ein Verlauf komplett entlang der Autobahn. Ein Erdkabel bei Oldenburg wird als unwahrscheinlich angesehen. Für die Politiker im Kreis ist dieser Sinneswandel nicht hinnehmbar. „Das gefährdet unseren Tourismus“, sagte Sager. „Deshalb müssen wir uns politisch dazu äußern.“ Ein Positionspapier war bereits im Vorfeld erarbeitet und nun zur Abstimmung gestellt worden. Bis auf zwei Enthaltungen entschieden sich die Mitglieder des Kreistags mehrheitlich für das Papier. „Man will dem Bürger einen Bären aufbinden“: „Alle haben bei den Planungen mitgemacht und jetzt das“, sagte Winfried Bentke (CDU) erbost. „Wir sind enttäuscht und wütend. Es geht um die Art und Weise, wie man auf Augenhöhe respektvoll miteinander umgeht.“ Wichtige Fragen seien von Tennet außer Betracht gelassen worden. „Ich möchte, dass wir die Landesregierung und die Bundesregierung mit ins Boot holen“, appellierte er. Tim Dürbrook (SPD) zeigte sich ebenso enttäuscht vom Vorgehen. „Dieser Druck, der jetzt von Tennet erzeugt wird, ist unnötig und unverschämt“, sagte er. „Als dolles Stück“ mit dem man „dem Bürger einen Bären aufbinden“ wolle, bezeichnete Joachim Rinke (FDP) das Vorgehen. „Die Bürger haben sich auf der sicheren Seite gefühlt und jetzt soll das alles Schall und Rauch sein.“ Man müsse den Dialog möglichst schnell wieder aufnehmen und insbesondere über das Thema der Erdverkabelung sprechen. Und der Kreistag geht noch einen Schritt weiter: „Es ist absolut legitim, wenn eine Seite sich nicht an die Abmachung hält, dass die andere sich auch zurück zieht“, sagte Jens Johannsen (Grüne). Einzelne Schutzgüter sollen diskutiert werden: Konkret ist damit das Raumordnungsverfahren gemeint. Auf das hatte der Kreis einst verzichtet. Geknüpft war diese Abmachung jedoch an die Zusage Tennets, eine frühzeitige und breite Öffentlichkeitsbeteiligung zu garantieren. Im Rahmen eines öffentlichen Dialogprozesses mit den Bürgern, den betroffenen Regionen und Trägern öffentlicher Belange sollten unter anderem raumordnerische Fragen und Betroffenheiten einzelner Schutzgüter erörtert werden. „Dieser Prozess wurde aber von den Vorhabenträgern nicht konsequent bis zum Ende der Trassenabwägung durchgeführt“, heißt es im Papier. Landrat Reinhard Sager stellte klar: „Ein oder zwei Informationsveranstaltungen mitten im Sommer in der Coronazeit in einem Zelt oder einer Gaststätte zu machen, ist keine genügende Bürgerbeteiligung.“ Daher fordert der Kreistag die Landesregierung nun auf, die nicht geklärten raumordnerischen Fragen zur Ermittlung des konfliktärmsten Trassenkorridors in einem Raumordnungsverfahren abzuarbeiten. Diskussion um Bedarf der Trasse: Ein Thema sei außerdem der Bedarf der Trasse, die ohnehin laut dem Netzentwicklungsplan 2019 nur bei einer maximalen Auslastung von 12 Prozent liegt. „Man muss sich die Frage stellen, in wie weit die Trasse mit Hinblick auf neue Wasserstofftechnologien überhaupt noch gebraucht wird“, sagte Sager. „Aus meiner Sicht gibt es in diesem Bereich eine rasante Entwicklung.“ In dem Positionspapier heißt es daher auch: „Der Kreistag fordert eine erneute Überprüfung des Bedarfs der 380-kV-Leitung Lübeck - Göhl unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen in der Wasserstofftechnologie.“ Als dritter Punkt wird die Berücksichtigung der Ergebnisse des Gutachtens von Prof. Dr. H. Brakelmann und Prof. Dr. L.J. Jarass gefordert, in dem es um moderne Kabeltechnologie mit schmalen Trassenbreiten geht. „Bund und Land sollen sich ernsthaft und ergebnisoffen damit beschäftigen“, fordert Reinhard Sager. 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