Ostholstein:So treffen Beherbergungsverbote Hotels an der Ostsee

Es läuft hoch oben an der ostholsteinischen Küste: Nach erfolgreicher Corona-Sommersaison mit satten zweistelligen Übernachtungs-Zuwachsraten sogar im Vergleich zum bisherigen Rekordjahr 2019 ist Heiligenhafen auch für Herbsturlauber aus ganz Deutschland eine Top-Destination. So kommt es nicht von ungefähr, dass etwa das „Beach Motel“ (62 Appartements, 115 Zimmer und Suiten) und die ebenfalls zur Heimathafen-Hotelgruppe gehörende „Bretterbude“ (87 Butzen nebst Bauwagen und VW-Bulli) auf dem Steinwarder trotz aller Pandemie-Unwägbarkeiten auch im Oktober ausgebucht sind. Doch die aktuell 100-prozentige Auslastung muss in beiden Häusern von insgesamt gut 150 Mitarbeitern täglich mit viel Elan „verteidigt“ werden. „Beach Motel“-Direktorin Alex Rojas (35) berichtet angesichts der sich täglich verschärfenden Beherbergungsverbots-Lage: „Wir schauen mit Sorge auf die Zunahme der Risikogebiete, können aber aktuell Stornierungen oder Verschiebungen gebuchter Aufenthalte noch mit Nachrückern wettmachen.“ Das sei natürlich „nur mit beträchtlichem Mehraufwand“ an der Rezeption zu stemmen, „zumal wir ja unsere erwarteten Gäste gegebenenfalls vor ihrer Anreise proaktiv anrufen, um sie zu informieren oder von ihnen etwas über den Stand der Dinge zu erfahren“. Von gut 1900 landesweit im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Schleswig-Holstein e.V. mit seinen 17 Kreis- und über 40 Ortsverbänden organisierten Betrieben sind rund 310 im Kreis Ostholstein angesiedelt. Insgesamt gibt es zwischen Nord- und Ostsee rund 5200 Hotel- und Gastro-Unternehmen mit mehr als 80 000 Beschäftigten. Nach dem Lockdown im März und dem Re-Start im Mai wurde im Sommer eine landesweite Mitglieder-Umfrage zur wirtschaftlichen Lage gemacht, bei der sich bis zur Deadline Anfang August rund 400 der etwa 1300 angeschriebenen Mitgliedsbetriebe zurückgemeldet hatten – darunter allerdings lediglich 55 aus Ostholstein. Aktuell ist der Dehoga-Landesverband noch mit der Auswertung beschäftigt. Schwester-Betriebe suchen vereint nach Verstärkung: Da das Weihnachten 2016 unweit der Seebrücke eröffnete „Beach Motel“ zumindest auf Sicht also weiter ebenso voll ausgelastet ist wie sein Schwester-Betrieb gegenüber, suchen Rojas & Co. auch zur Nachsaison der Nachsaison noch Verstärkung für ihre Crew. Die 35-Jährige schildert: „Wir wollen zwei Stellen unserer zur Monatsmitte ausscheidenden vier Saisonkräfte nachbesetzen, haben hausübergreifend noch acht Vollzeitarbeitsplätze im Gastro-Bereich im Angebot und suchen noch zwei Crewmitglieder für die Rezeption im ,Beach Motel’ – im ersten Step mit Jahresverträgen, dann idealerweise unbefristet.“ Die Vakanzen rührten neben der ungeahnt ungebrochenen Gäste-Nachfrage auch daher, „dass unsere Personalakquise während des Lockdowns zwei Monate in der Warteschleife hing“. Zu dieser Gemengelage erklärt Stefan Scholtis, Dehoga-Hauptgeschäftsführer in Schleswig-Holstein: „Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man der Corona-Krise als großes Haus in bester Lage mit entsprechender Manpower begegnen kann. Aber familiär geführte, kleinere Betriebe in zweiter oder dritter Reihe können das nicht – sie trifft das Ganze besonders hart. Insofern hoffen wir darauf, dass das Beherbergungsverbot am Mittwoch nach dem Krisengipfel in Berlin zumindest in der Form gekippt wird.“ Schließlich erläutert Scholtis: „Selbst wir als Landesverband bekommen in der letzten Zeit täglich Mails von entnervten Gästen aus vermeintlichen oder frischernannten Risikogebieten, die berichten, dass sie allein vier Tage warten müssten, um überhaupt einen Termin für eine etwaige Frei-Testung zu bekommen . . .“ Schwere Stunden im Grömitzer „Hotel Windspiel“: Das „Hotel Windspiel“ mit seinen 21 Drei-Sterne-Zimmern in Grömitz ist solch ein „familiär geführter Betrieb in zweiter Reihe“ – bereits in der vierten Generation ist er in der Wicheldorfstraße ansässig. Martin Evers (48) bildet mit seiner 48-jährigen Ehefrau Judith, Sohn Philipp (21), Schwester Anja (46) sowie seinen Eltern Manfred und Lisel Evers (beide 71) den harten Kern der neunköpfigen „Windspiel“-Belegschaft. Und Martin Evers muss bekennen: „Dass jetzt täglich, ja bald stündlich neue Risikogebiete dazukommen, macht uns das Leben nach dem hoffnungsvollen Hochsommer immer schwerer.“ Dank der Beherbergungsverbote habe man allein in den letzten drei, vier Tagen aus Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen Stornierungen im Wert von 4000 Euro erhalten. „Die betroffenen Gäste wissen ja gar nicht, wo sie sich auf die Schnelle testen lassen sollen. Und neue Anfragen halten sich in extremen Grenzen.“ Der 48-Jährige bedauert: „Nach dem Motto ,wie gewonnen, so zerronnen’ müssen wir jetzt tatsächlich überlegen, ob oder wie lange wir unsere erst im Sommer eingestellte dritte Vollzeitkraft noch halten können.“ „Das ist ein zu großer Eingriff ins Persönlichkeitsrecht“: Das macht auch Matthias Drespling betroffen. Der Vorsitzende des Dehoga-Kreisverbandes Ostholstein betont: „Das ist eine echte Misere. Nach der coronabedingt ausgefallenen Vorsaison konnten viele Betriebe auch wegen anfangs unklarer, sehr komplexer Hygienevorgaben erst Mitte/Ende Juni wieder unter Volllast durchstarten. Und nach dem verheißungsvollen Sommer schlägt nun dieses unpraktikable Beherbergungsverbot ins Kontor.“ Der 61-Jährige merkt dazu noch an: „Dass ein Hotelier sich in der Form als Kontrolleur so detailliert nach der Gesundheit seiner Gäste erkundigen muss, ist eigentlich ein zu großer Eingriff ins Persönlichkeitsrecht.“ Lesen Sie auch Ostseeküste im Herbst fast ausgebucht: Hier gibt’s noch freie Betten Ersatz für Hafenfesttage: Mit der Gondel hoch über Heiligenhafen Vom Dünenpark bis zur Seebrücke: Das sind die Grömitzer Großprojekte Von Andreas Oelker