Ostholsteins Landrat sieht keine gesteigerte Corona-Gefahr durch Touristen

Sieben Monate Corona-Pandemie im Kreis Ostholstein. Die Zahl der Infizierten steigt seit Mitte September deutlich schneller (Stand 15. Oktober: 171). Viele Bürger fragen sich, was passiert, wenn die Fallzahlen weiter nach oben schnellen. Die LN sprachen mit Landrat Reinhard Sager (CDU) über Fragen wie diese und erläuterte, warum Schülerbusverkehr und Tourismus keine besonderen Gefahrenquellen darstellen. Herr Sager, müssen die Ostholsteiner den Herbst und den Winter fürchten? Man sollte die Angelegenheit sachlich betrachten. Wir sind nicht sorgenfrei. Unsere Corona-Nachweise befinden sich jedoch bundesweit im niedrigen Bereich. Wir sind in Ostholstein nach wie vor weit weg von Inzidenzen von 50 auf 100 000 Einwohner. Die Zahlen muss man deshalb sorgfältig bewerten und die Problematik der Bevölkerung angemessen erläutern. Wird es noch einmal zu solchen Einschränkungen wie im Frühjahr kommen? Ich hoffe, dass wir daran vorbeikommen. Bei den Zahlenverläufen, die wir jetzt kennen in Ostholstein, sehe ich nicht, dass wir verschärfte Maßnahmen, Einschränkungen oder Beschränkungen erlassen müssen. Wenn wir 60 Fälle in sieben Tagen hätten, also eine Inzidenz von 30, wären wir im Handlungsbereich. Das hielte ich für richtig. In Social-Media-Kanälen werden immer wieder Touristen für steigende Fallzahlen verantwortlich gemacht. Ist dies gerechtfertigt? Das ist so nicht gerechtfertigt. Touristen stellen per se für uns keine gesteigerten Corona-Gefahr da. Wir haben beobachtet, dass sich die Menschen im Wesentlichen an die gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln halten. Wir haben in ganz Ostholstein nur sechs Fälle festgestellt, die Personen betrafen, die hier nicht ihren ersten Wohnsitz hatten. Solange wir keinen Impfstoff haben, bleibt die Eigenverantwortung des Einzelnen besonders wichtig. Aus touristischer Sicht boomt die Küste Ostholsteins. Werden wir von Urlaubern überrannt? Nein, überhaupt nicht, wenn wir mal von wenigen Tagen und Wochenenden absehen, als auch viele Tagestouristen da waren. Das Tourismusgewerbe hat negative Auswirkungen aufgrund von Corona zu verkraften. Wenn wir jetzt feststellen, dass die Saison relativ gut verlaufen ist, oder Buchungen bis in den Herbst und Winter hineinreichen, wird es das Ganzjahresergebnis von 2020 nicht aufholen können. Im Binnenland sieht es deutlich anders aus. Sie hatten vor wenigen Tagen Kontakt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Was macht die Kanzlerin gut in Bezug auf die Pandemie? Sie vermittelt der Bevölkerung, dass sie mit Ruhe und Überlegtheit an die Sachverhalte herangeht. Sie denkt und handelt sehr rational und ist frei von jeglichen Allüren. Ich glaube, dass es in dieser Corona-Krisen-Zeit sehr gut ist, dass Angela Merkel das Amt innehat. Wie geht es ab Montag an den Schulen im Kreis weiter? Gibt es neue Vorschriften? Das Bildungsministerium hat für die Schulen Regeln aufgestellt. Es ist grundsätzlich wichtig, dass der Schulbetrieb stattfindet. Bekannt ist ja, dass in den ersten zwei Wochen für Schüler ab der fünften Klasse eine Maskenpflicht gilt. Im Winterhalbjahr müssen die Klassenräume gelüftet werden. Der Schulbetrieb kann nicht komplett digital aufgestellt werden. Dazu fehlen zum Teil noch die Voraussetzungen und auch das soziale Miteinander käme völlig zum Erliegen. Im Blickpunkt steht immer wieder der Busverkehr für Schüler. Ist dieser eine Gefahr? Uns wird aus dem Gesundheitsamt zurückgemeldet, dass die Schülerbusse bislang keine Infektionsherde darstellen. Es ist kein signifikanter Anstieg zu Verzeichnen. Das Gesundheitsamt wirkte in den vergangenen Wochen teilweise sehr ausgelastet? Wird mehr Personal benötigt? Die Mitarbeiter sind sehr stark belastet und leisten tolle Arbeit. Die Dezentralität der Kreisgesundheitsämter ist der Erfolgsschlüssel, die Pandemie bislang soweit eingedämmt zu haben. Wir haben im Moment 81 Mitarbeiter im Gesundheitsamt. Wir haben uns aus anderen Verwaltungsbereichen verstärkt und seit Anfang September für den Infektionsschutz zusätzlich neun Mitarbeiter zur Bewältigung der Pandemie eingestellt. Im Moment kommen wir damit hin. Ich kann aber nicht überblicken, wie es im Januar, Februar sein wird. Es gäbe aber Möglichkeiten, uns über die Anforderungen weiterer Kräfte über das Robert-Koch-Institut zu verstärken. Wie können Infizierte und Kontaktpersonen dem Gesundheitsamt am besten helfen? Das Wichtigste ist, im Falle eines Falles, ehrlich zu sein und zu sagen, wie lange man in welchem Umfeld war, um eine schnelle Kontaktnachverfolgung sicherzustellen. Zudem sollte sich jede und jeder an die vorgeschlagenen Maßnahmen des Gesundheitsamtes halten. Wir wollen den Menschen helfen und sie nicht ärgern. Wie viele Intensivbetten gibt es in Ostholstein? Etwa 60 verteilt auf mehrere Kliniken. Wichtig zu wissen ist, dass wir bisher überwiegend leichte Krankheitsverläufe gehabt haben und zum Glück auch noch keinen einzigen Todesfall. Da sind wir im Norden der einzige Kreis. Wir wissen jedoch nicht, wie sich die Lage entwickelt, und müssen vorbereitet sein. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei: Haben Sie eine Bitte an die Ostholsteiner Bürger? Bitte beachten und halten Sie sich an die aufgestellten Regeln. Das Zwingendste ist die Hygiene. Hände waschen, Abstand halten und Alltagsmaske da, wo es erforderlich ist. Das sind ausnahmslos noch Maßnahmen, die nicht eine allzu große Beschränkung im Alltag bedeuten. Wenn wir es damit schaffen, nicht zum Pandemieherd zu werden, lohnt sich das. Lesen Sie auch Corona: Mehr als 100 Ostholsteiner haben sich mit dem Virus infiziert Corona: Tausende in Ostholstein missachten Regeln – 700 mal Bußgeld Von Sebastian Rosenkötter