Robert Wagner: „Ich will Timmendorfer Bürgermeister bleiben“

Beurlaubt, aber vor Ort ist der parteilose Timmendorfer Bürgermeister Robert Wagner. Im LN-Interview erklärt der 42-Jährige, was seiner Ansicht nach zu den Konflikten mit Politik und Verwaltung geführt hat – und wie er die Bürger vor der Abstimmung über seine Abwahl am 22. November von sich überzeugen will. Herr Wagner, am Donnerstag waren Sie bei der Gemeindevertreter-Sitzung nur als Zuschauer vor Ort. Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Das war ein spannender Perspektivwechsel. Man nimmt anders wahr, welches Miteinander dort vorne vollzogen wird. War es nicht unangenehm, nur Zaungast zu sein? Ich habe ein gutes Rollenverständnis. Ich kann mich gut fügen und anpassen. Außerdem wollte ich Größe und Haltung zeigen, weil es ja um mich als Person ging. Einzelne Politiker haben mich auch begrüßt, das habe ich als sehr anständig empfunden. Auch sind einzelne Mitarbeiter zu mir gekommen. Das zeigt die Verbundenheit, die sich aufgebaut hat. Ihre lange Krankschreibung ist Ihnen teilweise angekreidet worden. Haben Sie sich damit der Auseinandersetzung entziehen wollen? Ich habe beide Eltern verloren, ohne Vorbereitung. Zuerst meine Mutter, und als dann auch mein Vater starb, bekam ich gesundheitliche Probleme. Man muss dann auf seinen Körper hören, und die Zeit habe ich mir genommen. Und jetzt bin ich vollumfänglich wieder da, wenn auch beurlaubt, und bin auch im Wahlkampf-Modus. Stehen Sie schon mit Flugblättern vorm Timmendorfer Supermarkt? Ich bin viel in der Gemeinde unterwegs, um immer wieder in den Bürger-Dialog zu treten. Ich gehe auf den Wochenmarkt oder zur Ausstellungseröffnung in die Trinkkurhalle, um meine Verbundenheit zu zeigen – und ich verstecke mich nicht. Planen Sie öffentliche Veranstaltungen vor dem Abstimmungstermin am 22. November? Nein, eher Nachbarschaftstreffen. Es wird außerdem auch von mir eine schriftliche Stellungnahme geben und dazu eine Pressekonferenz. Und ob ich Haustür-Wahlkampf mache, weiß ich noch nicht. Sie sind im Wahlkampf 2018 von der politischen Mehrheit unterstützt worden. Wann ist dieser Rückhalt verloren gegangen, und warum? Ich habe in Einzelfällen keine Aufträge mehr an Ortsansässige vergeben, die wiederum politisch engagierte Handwerker mit Aufträgen bedienen. Als ich diese Entscheidungen traf, wusste ich, dass das zu Widerstand führt. Sprechen Sie von Filz im Ort? Die Politik tut sich schwer mit charismatischen Persönlichkeiten auf dem Bürgermeister-Sessel. Ich bin aber 2018 unterstützt worden, weil man jemanden haben wollte, der von außen kommt und auch so entscheidet. Das habe ich gemacht, auch bei der Abarbeitung von Bauvorhaben. Wir haben eine lange Prioritätenliste, und natürlich hat der eine oder andere das Ansinnen, dass seine Bauvorhaben vorgezogen werden. Aber das geht nicht. Ich bin den Bürgern genauso verpflichtet wie der Politik und habe sach- und themenorientiert gearbeitet. Das hat funktioniert, wir haben keinen Stillstand in der Gemeinde. Was sagen Sie zu der häufig geäußerten Kritik an Ihrem Führungsstil im Rathaus? Jeder, der seine Komfortzone aufgeben muss, setzt sich zur Wehr. Natürlich werden dann politische Kontakte bemüht. Im Rathaus gibt es Strömungen und Schwingungen und in sich nicht gut funktionierende Abteilungen, wo die stille Post viel kaputt macht. Und wenn Sie sich als Chef aktiv ins produktive Geschäft einmischen, sind Sie unangenehm. Sie haben in einer Sitzung von der Timmendorfer Verwaltung als „Stallgaul“ gesprochen. Würden Sie das heute wiederholen? Das war eine politische Metapher, und ich habe damit die Verwaltungsstruktur verglichen. Also Arbeitsmittel, Manpower und Prozesse. Da ist vieles noch nicht in Gang gesetzt worden – auch, weil die Politik massiv Einfluss auf das Personalmanagement des Bürgermeisters nehmen will. Stimmt es, dass Sie von den Mitarbeitern mit „Herr Bürgermeister“ angesprochen werden wollen? Ich bin in meinem Amt ein Organ – eben der Bürgermeister. Ich hatte den Eindruck, dass das vielen nicht mehr bewusst war. Deshalb habe ich das im Schriftverkehr eingeführt, aber nicht im täglichen Umgang. Auf Bitten einer Politikerin habe ich das aber beendet. Wenn keine Hunde ins Rathaus dürfen – warum darf der Bürgermeister seinen mitbringen? Ich habe vor der Anschaffung des Hundes mit dem Personalrat gesprochen, und dann war klar: Sobald ich meinen Hund mitbringe, dürfen auch andere Beschäftigte ihren Hund mitbringen. Immer auf Antrag und unter der Voraussetzung, dass es den Betriebsablauf nicht stört. Die Initiatoren des Bürgerentscheids haben über 1500 Unterschriften gesammelt. Wie erklären Sie sich diese hohe Zahl? Ich erkenne selbstverständlich das demokratische Ergebnis an. Doch das können auch Anhänger meiner Vorgängerin, Frau Kara, oder Nicht-Wähler sein. Aber es sind sicherlich nicht aus allen Wagner-Freunden Wagner-Feinde geworden. Wollen Sie Bürgermeister bleiben? Ja. Ich stehe nach wie vor zur Verfügung, ich bringe die Leidenschaft und die Kraft, durchzuhalten, immer noch mit – und das diplomatische Geschick, wieder zu einen. Denn das wird der große Punkt sein. Könnten Sie denn auf Politik und Verwaltung wieder zugehen? Ja, selbstverständlich. Ich tue mich zwar schwer mit den persönlichen Angriffen in der Vergangenheit. Aber die politische Debatte gehört dazu, und ich bin in der Lage, einen Schlussstrich zu ziehen. Ich werde dann sach- und themenbezogen und vermutlich mit wechselnden Mehrheiten mit den Akteuren zusammenarbeiten. Wie wollen Sie dann künftig mit Ihren Mitarbeitern in der Verwaltung umgehen? Ich habe natürlich Leistungsfähigkeit und Loyalität erkannt. Die Mitarbeiter, die sich nicht mit mir auf einer Arbeitsebene arrangieren können, müssten noch einmal prüfen, ob man mit mir wirklich nicht auskommen kann. Und dann eben auch so konsequent sein und sich verändern. Es geht nicht, dass der Bürgermeister die Verantwortung trägt und dann von einem Grüppchen aus dem Haus sabotiert wird. Wie groß ist dieses Grüppchen? Ich kann keine Zahl nennen, und ich brauchte lange, um die Akteure zu identifizieren. Ich finde das aber schade, denn es sind gute Fachleute. Ich kann nicht verstehen, dass es so schwierig sein soll, zusammen zu funktionieren. Wir sind auch alle gar nicht so weit auseinander. Was ist, wenn die Mehrheit am 22. November für Ihre Abwahl stimmt? Könnten Sie auf Ihren vorherigen Posten bei der Bundeswehr zurückkehren? Ja, ich bin als Bundesbeamter beurlaubt als Wahlbeamter auf Zeit – aber für die komplette Zeit. Ich müsste mich also bis 2024 entscheiden. Aber was ich im Falle einer Abwahl mache, lasse ich mir offen. Würden Sie dann umziehen? Nein, ich möchte in Timmendorf wohnen bleiben. Gerade habe ich angefangen, meine Wohnung zu renovieren und den Balkon zu bepflanzen. Und ich rechne damit, dass ich am 23. November wieder mein Büro im Rathaus beziehe. Von Sabine Latzel und Olaf Bartsch