Rotarierin aus Stockelsdorf kämpft für misshandelte Frauen in Ecuador

Es ist sehr weit weg – in Südamerika. Und es ist eine ganz andere Welt. Doch Probleme, die es hier gibt, die gibt es auch dort, „aber dort sind sie noch schlimmer“, sagt Irmgard Lafrentz, die sich seit Jahren ehrenamtlich dafür engagiert, dass – zumindest einige – dieser Probleme gelöst werden. In der Nähe von Cuenca, der drittgrößten Stadt in Ecuador mit einer halben Million Einwohner. Dort befindet sich das Frauenhaus namens „Casa Maria Amor“. Gut versteckt ist es in einem Dorf im Hochland. Der genaue Ort ist geheim. Irmgard Lafrentz kennt ihn dennoch, denn sie war schon mehr als einmal dort. Aber nicht als misshandelte Frau, die dort Zuflucht sucht vor den Gewalttaten, die sich – nicht nur in Ecuador, sondern überall auf der Welt – fast immer im Zuhause hinter verschlossenen Türen abspielen. Körperliche und psychische Gewalt gehört zum Alltag: Irmgard Lafrentz gehört zu den Menschen, die sich für die misshandelten Frauen einsetzen und ihnen helfen, sich ein anderes, ein eigenes Leben aufzubauen weit weg und vor allem ohne Gewalt und Missbrauch in der Familie, aus der sie kommen. „Für diese Frauen, die in das ,Casa Maria Amor’ kommen“, sagt Irmgard Lafrentz, „ist es tatsächlich eine Flucht aus der Hölle.“ Körperliche und auch psychische Gewalt gehörten für sehr viele Frauen in Südamerika zum Alltag, sagt Irmgard Lafrentz, „und meistens werden die Kinder von den Ehemännern auch als Druckmittel eingesetzt“. Wenn Irmgard Lafrentz ihre Erlebnisse und Eindrücke aus Ecuador am anderen Ende des Telefons in Kalifornien so schildert, ist bei der Deutschen der amerikanische Akzent unüberhörbar. Sie stammt aus Stockelsdorf, ist aber vor über 30 Jahren der Liebe wegen in die USA ausgewandert. Mittlerweile hat sie zwei Pässe: einen deutschen und einen US-amerikanischen. In den USA hat Irmgard Lafrentz, inzwischen im Seniorenalter, über Jahrzehnte erfolgreich eine PR-Agentur geführt und war und ist immer noch ehrenamtlich aktiv im Rotary Club. Dank ihrer Kontakte über den Rotary Club ist es ihr möglich, misshandelten Frauen in Ecuador zu helfen, dem Umfeld der häuslichen Gewalt zu entkommen. Vor allem Spenden wirbt Irmgard Lafrentz ein, um das „Casa Maria Amor“ am Laufen zu halten. 15 Frauen und rund 75 Kinder sind hier untergebracht. Das Haus ist stets voll belegt. Doch besonders im Corona-Jahr war es schwer, das Projekt am Leben zu erhalten, sagt Irmgard Lafrentz, „aber es ist mir gelungen, mit Hilfe des Rotary Clubs und über andere Kontakte das nötige Geld aufzutreiben, um das Projekt zu sichern.“ Dabei ist sie nicht nur Spendenwerberin, sondern spendet selbst auch immer wieder Geld in vierstelliger Höhe für dieses Frauenhaus. Eine Austauschschülerin brachte den Stein ins Rollen: Aber warum hat Irmgard Lafrentz sich ausgerechnet ein Projekt gegen häusliche Gewalt in Ecuador ausgesucht, wenn es diese Probleme doch überall gibt – in ihrer Heimat Deutschland genauso wie in ihrer Wahlheimat Kalifornien? Den Stein ins Rollen gebracht hat vor etlichen Jahren eine Austauschschülerin aus Ecuador, die für einige Zeit in Kalifornien bei der Gastfamilie Lafrentz untergebracht war. 2011 war das. „Das Mädchen kam aus einem wohlhabenden Haus“, erinnert sich Irmgard Lafrenz. Häusliche Gewalt in allen Schichten der Gesellschaft: Das Mädchen damals berichtete über häusliche Gewalt in ihrem Land. Und dass das in allen Schichten vorkomme. Was dieses Thema in Ländern wie Ecuador von Ländern in Europa und Nordamerika unterscheidet, das sind aus Sicht von Irmgard Lafrentz zwei Dinge. „Wer häusliche Gewalt in Deutschland oder den USA erfährt, kann den Täter anzeigen, in Ecuador geht das nicht“, weiß die Deutsch-Amerikanerin, „dort sind die Frauen der Gewalt ausgeliefert und werden oftmals auch von der eigenen Herkunftsfamilie nicht unterstützt in ihrer Not. Das ist das eine. Und das andere ist, dass in den südlichen Ländern eine starke Macho-Kultur ausgeprägt ist, in der die Frauen per se weniger wert sind.“ Macho-Kultur als Grund für weitreichende Gewalt: Wenn es sich um misshandelte Frauen aus reichen Familien handelt, dann fliegen diese eben für ein paar Wochen in die USA, um ihre Wunden und Blessuren behandeln zu lassen. „Kommt die Frau aus armen Verhältnissen“, sagt Irmgard Lafrentz, „dann hat sie keine Chance.“ Die einzige Chance ist die Flucht in ein Frauenhaus wie „Casa Maria Amor“. Manche Frauen bleiben nur ein paar Monate, andere ein paar Jahre. Mit Hilfe von Psychologen können die Frauen aufarbeiten, was geschehen ist. Zudem können die Frauen hier handwerkliche Fähigkeiten erwerben, um sich und ihre Kinder später aus eigenen Kräften versorgen zu können. Genau das unterstützt Irmgard Lafrentz, die nach eigenen Aussagen nie ein Opfer häuslicher Gewalt war. Der genaue Standort der „Casa Maria Amor“ wird geheimgehalten, damit die Männer ihre geflohenen Frauen nicht aufspüren können. „Wenn sie sie finden, würde es erst recht eskalieren“, sagt Irmgard Lafrentz. „Ein Macho fühlt sich gekränkt und in seiner Ehre verletzt, wenn seine Frau wegläuft. Für einen Macho ist seine Frau sein Besitz.“ Kontakt bekommen misshandelte Frauen über eine Telefonnummer zum Frauenhaus. In aller Regel geschieht die Flucht dann oft mit den Kindern in einer Nacht- und Nebelaktion. An einem vereinbarten Treffpunkt wartet jemand, der die Frauen in Sicherheit bringt. Lesen Sie auch Stockelsdorf: Anträge erbeten: Bluhme-Jebsen-Stiftung hat noch viel Geld zu vergeben Wegen Corona: Zahl der Blutspender in Ostholstein sinkt um zwölf Prozent Eigentlich wollte Irmgard Lafrentz um die Weihnachtszeit ihre alte Heimat Stockelsdorf besuchen, wo sie kürzlich die Grabstelle ihrer Familie auf dem Stockelsdorfer Friedhof um Jahrzehnte verlängert hat. Aus Verbundenheit, sagt sie. Und weil ein Teil von ihr in Gedanken immer in Stockelsdorf sei. Wegen der Corona-Pandemie kann sie die Gräber jetzt nicht persönlich besuchen. „Das ist zwar schade“, sagt sie, „aber das ist nur eine Reise, die ich jetzt nicht mache. Ein Problem ist das nicht. Wirkliche Probleme sehen ganz anders aus.“ So wie die der Frauen im „Casa Maria Amor“. Von Doreen Dankert