SPD-Politiker: Inzidenzen für Orte in Ostholstein veröffentlichen

Wie viele Corona-Infizierte gibt es in meiner Stadt zurzeit? Wo liegen die Infektionsschwerpunkte in Ostholstein, im Norden, im Süden oder an den Küsten? Das sind Fragen, die unbeantwortet bleiben werden. Nachdem der Kreis Herzogtum Lauenburg jetzt detailliertere Infektionszahlen herausgibt, ist die Diskussion darüber in Gang gekommen. Auch der Kreis Stormarn veröffentlicht seit Mittwoch lokale Zahlen. Andere Kreise und auch Ostholstein sind mit lokalen Zahlen aber zurückhaltender. Kaum jemand aus Politik und Verwaltung will wissen, wo die Corona-Schwerpunkte in Ostholstein liegen. Welche Großgemeinde im Südkreis, welche Stadt im Nordkreis, welches Amt hat die höchste Inzidenz? Bringen die Tagestouristen das Virus an die Küste, wie immer wieder behauptet wird? Ist die Infektionszahl in den Bäderorten höher als im Binnenland? Oder kommen in den Städten und Gemeinden mit vielen Pendlern, etwa am Lübecker Stadtrand, besonders viele Coronafälle vor? „Die Bevölkerung soll wissen, woran sie ist“: Nur wenige wünschen sich genauere Zahlen. Einer von ihnen ist der SPD-Fraktionsvorsitzende im ostholsteinischen Kreistag, Burkhard Klinke: „Es wäre sehr sinnvoll, wenn wir Rückmeldungen bekämen, wie die Zahlen in Nord, Mitte oder Süd sind und an der Küste, wo hoffentlich irgendwann der Tourismus wieder boomt“, sagt er. „Grundsätzlich würde ich das gut finden, damit die Bevölkerung weiß, woran sie ist.“ Das sieht Timo Gaarz, CDU-Fraktionschef im Kreistag, ganz anders. Eine Karte mit lokalen Inzidenzzahlen, wie sie der Kreis Herzogtum Lauenburg veröffentlicht, schaffe nur auf den ersten Blick Transparenz. „Auf den zweiten Blick muss man auch erklären, wie die Inzidenzen zustande kommen“, findet Gaarz. Die Zahlen könnten zu falschen Schlüssen führen, vor allem, wenn die Inzidenzen gering sind. Zudem sei das Infektionsgeschehen zu dynamisch. Er halte die Kreise mit ihren 150 000 bis 200 000 Einwohnern für die richtige Größe, um Infektionszahlen richtig einzuordnen. Verweis auf Momentaufnahmen, die wenig aussagen: „Es gibt einige Stimmen dafür, aber mehrheitlich dagegen“, sagt Thomas Keller (parteilos). Der Bürgermeister von Ratekau ist Vorsitzender des ostholsteinischen Gemeindetags, wo bereits über die Frage der kommunal aufgeschlüsselten Inzidenzzahlen diskutiert worden ist. Keller sind solche Zahlen zu kleinteilig, die Darstellung nicht aussagekräftig genug. „Es ist immer nur eine Momentaufnahme.“ Gerade in kleineren Gemeinden würden einzelne Fälle zu dramatischen Veränderungen führen. „Man sieht ja sogar auf Kreisebene, wie sprunghaft sich das verändert.“ Ein Informationsdefizit sieht Keller nicht. „Wenn wir tatsächlich einen Hotspot haben, werden wir sofort vom Kreis informiert“, versichert Keller. Das hätten ihm auch seine Bürgermeister-Kollegen bestätigt. Antworten nach dem Informationszugangsgesetz: Der Kreis Herzogtum Lauenburg veröffentlicht seit kurzem täglich die lokalen Inzidenzzahlen. Grund seien immer mehr Anfragen dazu gewesen, bei denen sich die Fragesteller auf das Informationszugangsgesetz des Landes Schleswig-Holstein berufen hätten. Dort heißt es unter anderem: „Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf freien Zugang zu den Informationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt.“ Solche Stellen sind im allgemeinen öffentliche Verwaltungen. Vorbild für die Veröffentlichung der Zahlen ist der Kreis Rendsburg-Eckernförde, der bereits seit April lokale Inzidenzen veröffentlicht. Lübeck gibt mittlerweile Zahlen für Stadtteile heraus. Lesen Sie auch Polizei löst Corona-Party in Oldenburg auf. So lief der erste Tag an den Grundschulen in Ostholstein. Der Kreis Ostholstein plant keine lokale Darstellung der lokalen Inzidenzzahlen, teilt Kreissprecherin Carina Leonhardt mit. „Wir folgen damit auch den Vorgaben der Fachaufsicht, des Gesundheitsministeriums, keine gemeindescharfen Darstellungen zu erstellen. Das ist gerechtfertigt, weil ein Mehrwert aufgrund dessen nicht entstünde.“ Der Kreis Ostholstein halte deshalb an seiner bewährten Informationspolitik fest. Auf der Homepage des Kreises werden täglich die aktuell positiven Fälle, die geschätzte Zahl der Genesenen, die der Covid-19-Patienten im Krankenhaus, die Zahl der insgesamt Gestorbenen, der Menschen in Quarantäne und die Inzidenzzahl veröffentlicht. Bürgermeister werden über Hotspots informiert: In besonderen Fällen wie beispielsweise bei konzentrierten Corona-Nachweisen in einem Pflegeheim würden unverzüglich die Bürgermeister informiert, teilt Leonhardt weiter mit. Unabhängig von den veröffentlichten Zahlen sei es nach wie vor wichtig, dass sich jeder und jede Einzelne an die aktuell geltenden Regelungen hält. Nur so lasse sich die Verbreitung des Virus eindämmen. Von Susanne Peyronnet