Scheidung wegen Corona: Lockdown beschert Rechtsanwälten mehr Arbeit

Der Corona -Lockdown war nicht nur eine harte Schutzmaßnahme zur Eindämmung der Virenverbreitung. Dieser Lockdown war auch für viele Paare ein regelrechter Härtetest. Überall in der Republik berichten Scheidungsanwälte davon, dass Beratungen, um eine Scheidung in die Wege zu leiten, deutlich zunehmen. Auch Karsten Zülow, ein auf Scheidungen spezialisierter Anwalt aus Lübeck, der auch Mandanten in Ostholstein und anderen angrenzenden Kreisen betreut, berichtet von einem „deutlichen Anstieg“ in Sachen Scheidung im Sommer 2020. Jede Woche, so Zülow, landen mehrere neue Scheidungsfälle auf seinem Tisch. „Es kamen direkt nach dem Lockdown definitiv mehr Anfragen als sonst“, sagt Zülow. Zunahme auch bei Streitigkeiten ums Sorge- und Umgangsrecht: „Aber die richtig große Bugwelle erwarte ich eigentlich erst im Herbst“, sagt Karsten Zülow, der schon weit über 20 Jahre Erfahrung in seinem Job und damit auch auf dem Gebiet von zerrütteten Beziehungen hat. Der Bad Schwartauer Fachanwalt für Familienrecht Thomas Frank geht ebenfalls davon aus, dass die Scheidungsrate zunehmen wird. „Wenn sich die Menschen mehr auf der Pelle sitzen, kommt es auch vermehrt zu Problemen in der Partnerschaft.“ Nicht nur das. „Auch die Streitigkeiten ums Sorgerecht und Umgang werden zunehmen“, vermutet Frank. Dass die Zahl der Scheidungswilligen bereits ansteigt, kann Rechtsanwalt Thomas Biernath aus der Bad Schwartauer Kanzler Zeidler & Partner nicht bestätigen. „Es kommt einem so vor, weil während des Lockdowns ja auch die Gerichte pausiert haben und nun alle Termine nachgeholt werden“, sagt der Fachanwalt für Familienrecht. Konkret zugenommen wegen der Corona-Pandemie haben laut Biernath aber die Anfragen zu den Themen Kurzarbeitergeld, Herabsetzung von Unterhaltszahlungen oder Kinderbonus-Zahlungen. Stresstest für Beziehungen und Familien: Eine Ehe, sagt Anwalt Zülow, gehe nicht von einen Tag auf den anderen kaputt. Es gebe dann „nur“ den Tag X, an dem einer der beiden Ehepartner die endgültige Entscheidung für die Trennung trifft, „aber die Gründe dafür, die gibt es in aller Regeln schon viel länger“, sagt Karsten Zülow, „nur der Lockdown wirkt in diesem Prozess wie ein Katalysator.“ Die Lockdown-Umstände mit Kontaktverboten, äußerst eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten, Homeoffice und geschlossenen Schulen und Kitas waren für Paare und Familien ein echter Stresstest. Vielen gelänge es, solche Krisen zu meistern und daran zu wachsen, so Zülow „Aber bei Paaren, bei denen schon vorher die Beziehung sehr brüchig war“, erklärt der Anwalt, „kann so eine extreme Situation wie der Lockdown, wo man gezwungenermaßen mehr Zeit mit seinem Partner verbringen musste, eine Trennung beschleunigen.“ Kritische Phasen: Urlaub und Weihnachten: Solche Katalysator-Situationen hat es schon vor dem Lockdown gegeben, so der Anwalt, „das ist immer der Urlaub und Weihnachten“. Genau deshalb erwartet Zülow jetzt die große Bugwelle. Zuerst Lockdown, dann der Urlaub – und dann die bittere Erkenntnis bei dem einen oder anderen, dass getrennte Wege ein glücklicheres Leben bedeuten würde. „Insofern weiß man als Scheidungsanwalt, dass es ungünstig ist, nach den großen Ferien und zu Beginn eines neuen Jahres Urlaub zu nehmen, weil gerade dann immer neue Mandanten einen Termin haben wollen“, sagt Zülow. Das kann Rechtsanwalt Biernath nur bestätigen: „In unserer Kanzlei gibt es für die Familienrechtler Anfang des Jahres immer eine Urlaubssperre.“ Beim Amtsgericht erst nach Trennungsjahr aktenkundig: Dass durch den Lockdown die Scheidungsrate steigt, kann Dr. Oliver Moosmann, Sprecher des Lübecker Amtsgerichts, aktuell nicht durch Fakten bei Gericht bestätigen. Dass die Scheidungsrate durch den Lockdown steigen könnte, das wolle Moosmann nicht ausschließen, „aber hier im Gericht können wir das jetzt noch nicht sehen aus einem ganz einfachen Grund: Der Antrag auf Scheidung kann erst nach dem obligatorischen Trennungsjahr eingereicht werden“, erklärt der Jurist. Weil der Lockdown erst im März war, können Scheidungen im Zusammenhang mit dem Lockdown frühestens im März 2021 beantragt werden, so Moosmann. Die erste Adresse für Scheidungswillige sei ohnehin der Anwalt, erklärt Moosmann, „denn die Betroffnen haben Beratungsbedarf und müssen gegebenenfalls bereits Dinge regeln wie Trennungsunterhalt.“ Und für den Fall, dass das Familiengericht in Lübeck 2021 einen deutlichen Anstieg an Scheidungsverfahren zu bearbeiten hat, „dann ist das kein Problem“, versichert Dr. Oliver Moosmann, „wir sind vorbereitet". Von Von Doreen Dankert und Sebastian Prey