Sereetz: Vater wollte Sohn und sich selbst töten

Es sind die Bilder, die den dritten Prozesstag bestimmen. Fotos, die bei Lasse P. starke Emotionen auslösen. Seit einigen Wochen muss sich der 37-Jährige aus Sereetz vor dem Lübecker Landgericht wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verantworten. Im April vergangenen Jahres soll er seinen damals 14 Monate alten Sohn Johannes (alle Namen geändert) gewürgt haben. Der Junge überlebte die Tat ohne Folgeschäden, ein anschließender Suizidversuch des Vaters scheiterte. So lebte die Familie in Sereetz: Vor Gericht wurden nun etliche Bilder gezeigt, die das Leben der Sereetzer Familie dokumentieren. Der Hauseingang, der liebevoll dekoriert ist, das rot gestrichene Gartenhaus, die Küche. Eine Schale Babybrei mit Banane, die auf dem Herd steht. „Der Brei wurde wohl gerade erst angerichtet“, erzählt ein Beamter der Spurensicherung, der die Bilder kurz nach der Tat angefertigt hat. Als die Bilder des Kinderzimmers kommen, beginnt Lasse P. zu zittern. Das Foto vom Kinderbett, die kleine Spieluhr, die an dem Holzgestell baumelt, der große Teddy, der am Kopfende sitzt – all das kann er ertragen. Doch das blutverschmierte Kissen mit den kleinen Ankern lässt ihn in Tränen ausbrechen. Das Blut stammt von seinem Sohn – auch das haben die anschließenden Ermittlungen ergeben. Lasse P. hatte zudem am ersten Prozesstag die Tat eingeräumt. Angeklagter fuhr nach dem Vorfall auf die A 1: Nach der Tat sei er auf die A 1 gefahren, wollte sich dort das Leben nehmen. Auch die Bilder seines Unfalls Höhe der Abfahrt Neustadt sind auf der Leinwand zu sehen. Der Hyundai, der nach einem Aufprall gegen die Leitplanke und einer Irrfahrt durch die Böschung auf dem Dach liegt. Ein Zeuge, der als Ersthelfer vor Ort war, berichtet von dem Geschehen. Von dem Fahrzeug, das falsch herum auf der linken Fahrbahn gelegen habe. „Als ich die Fahrertür aufgemacht habe, purzelte mir der Angeklagte förmlich entgegen“, sagt der 61-Jährige. Man habe den Mann in die stabile Seitenlage gebracht und ihn zugedeckt. Lasse P. habe dann gesagt, dass er versucht habe, seinen Sohn zu ermorden. „Dieses Wort ist mir so im Gedächtnis geblieben“, sagt der Zeuge. „Er sagte nicht umbringen oder töten, sondern ermorden.“ Dann habe sich Lasse P. plötzlich aufgerappelt und sei über die Mittelleitplanke auf die andere Fahrbahn gesprungen. Er wolle nicht im Gefängnis sterben, soll er zuvor gerufen haben. „Wie ein Hampelmann mit den Armen in der Luft lief er auf die Fahrbahn“, beschreibt ein weiterer Ersthelfer das Beobachtete. Der Fahrer eines BMW erfasste mit seinem Wagen Lasse P., der Angeklagte wurde schwer verletzt. Noch heute kann er aufgrund der Unfallfolgen nicht richtig laufen. Arzt überbrachte die Nachricht, dass der Sohn überlebte: Lasse P. kann sich an all das nicht erinnern. Als der Arzt Stefan S. aussagt, der ihn am Abend in der Klinik aufgrund der suizidalen Gefährdung untersucht hat, entbindet der Angeklagte ihn von der Schweigepflicht. „Ich weiß nichts mehr, natürlich soll er alles erzählen“, sagt der 37-Jährige offen. Der Arzt hat Lasse P. am Abend nach der Tat auf der Intensivstation begutachtet. „Er hat mir berichtet, was passiert ist“, sagt der Arzt. „Dass er aufgrund von Corona eine Depression entwickelt hatte.“ Lasse P. soll auch davon berichtet haben, dass am Tatmorgen das Kind nicht aufhören wollte zu schreien und er es gewürgt habe. „Er hat gesagt, es war wie im Affekt, er wollte kein Kindsmörder sein“, erzählt der Arzt. „Dieses Wort fand ich sehr prägnant.“ Lesen Sie auch Familientragödie in Sereetz: Vater wollte seinen Sohn (1) töten Corona-Depression: Mann aus Sereetz wollte seinen Sohn (1) töten Tötungsversuch nach Corona-Depression: Familie hält vor Gericht zum Angeklagten Lasse P. schluchzt, als er die Worte hört. Er wischt sich die Tränen mit einem Taschentuch weg und hält sich die Hände vors Gesicht. Der Arzt erzählt derweil, dass er Lasse P. in der Nacht die Nachricht überbracht habe, dass sein Sohn überlebt habe. „Da schien er mir erleichtert und er war froh darüber“, sagt Stefan S. Noch zwei weitere Prozesstage: Weil sich Lasse P. geständig und auskunftsbereit gezeigt hat, will das Gericht nun nicht mehr alle geladenen Zeugen hören. Am nächsten Prozesstag, der 3. Februar, sollen zudem die Gutachten verlesen werden. Im Anschluss folgen die Plädoyers des Verteidigers und der Staatsanwältin. Das Urteil wird am 10. Februar verkündet. Anonymes Gesprächs- und Beratungsangebot für Menschen in Not und Krisen: Kirchliche Telefonseelsorge, Tel. 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 oder unter www.telefonseelsorge.de Kostenlose Beratung zur Wahl des geeigneten Therapeuten: Psychotherapie-Informations-Dienst, Tel. 030/20916 63 30, www.psychotherapiesuche.de Informationen für Betroffene und Angehörige: Stiftung Deutsche Depressionshilfe: www.deutsche-depressionshilfe.de ; Deutschlandweites Info-Telefon: 0800 33 44 5 33. Kinder- und Jugendsorgentelefon: 0800-1110333 Von Maike Wegner

Sereetz: Vater wollte Sohn und sich selbst töten - Zeugen sagen aus