So hart traf die Corona-Krise Ostholsteins Wirtschaft

„Chancen in der Krise“: Unter dieser Überschrift hatte der Unternehmerverband (UV) Ostholstein am Montag zum Wirtschaftstalk nach Eutin eingeladen. Neue Ideen, Lösungsvorschläge oder praktikable Strategien gab es an diesem Abend zwar nur wenige. Dafür zeichneten die Firmenchefs aus den Bereichen Tourismus, Gastronomie, Hotellerie, Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk ein fundiertes Bild der wirtschaftlichen Folgen durch die Corona-Pandemie. Von heute auf morgen geschlossene Hotels und Restaurants, Einzelhändler ohne Umsatz und Kulturschaffende, die plötzlich das Alleinstellungsmerkmal für die Region – die Eutiner Festspiele – absagen mussten. Die Corona-Krise hat alle Bereiche in Ostholstein mit voller Wucht getroffen. „Das war wie bei einem Unfall: Der passiert auch ganz schnell. Aber für die Erholung braucht es einfach Zeit“, fasste Dr. Dirk Steinwärder (Rosenrot Naturkosmetik) die Situation der Unternehmen im Kreisgebiet zusammen. Wie unterschiedlich die Menschen auf die Absage der Eutiner Festspiele reagierten, das erlebte Geschäftsführer Falk Herzog: „15 000 Karten waren verkauft. Viele Festspiel-Fans spendierten ihren Betrag, was uns sehr glücklich stimmte. Andere wählten die Gutschein-Lösung, ein toller Vertrauensbeweis. Ein zum Glück nur kleiner Teil wollte aber partout sein Geld zurück.“ Herzog macht sich jetzt Sorgen um 2021, sollte die Pandemie bis dahin nicht überwunden sein. Die Schwierigkeiten in der Gastronomie und Hotellerie schilderten Alexander Hedegger (Restaurant „Schlossküche“) und Ruth Herrnberger (Hotel „Alte Straßenmeisterei“). „Der angedachte Lieferservice zu den Bestellern nach Hause brachte leider gar nichts“, sagte Hedegger. Manches Mal sei er mit zwei Portionen durch die halbe Stadt gefahren. „Das rechnete sich einfach nicht.“ Nach dem 18. Mai noch größere Probleme: Ruth Herrenberger hatte ihr Hotel zwar neun Wochen lang mit Handwerkern und Geschäftsleuten voll. Doch die Last durch die Corona-Auflagen nach der Wiedereröffnung am 18. Mai sei viel größer geworden. Beide, Hedegger und Herrnberger, sprachen sich für einen neuartigen Lieferservice aus: Dass die Restaurants vor Ort für die Hotels kochen und diese direkt beliefern. Michael Keller, Chef der Eutin GmbH, hält an diesem Punkt eine weitere Digitalisierung für erforderlich. „Durch die Anmeldung per App haben wir gleich alle in der Corona-Krise nötigen Kontaktdaten und können den Platzbedarf sehen“, sagte Keller. Das Modell nimmt im Raum Eutin bereits Fahrt auf, 30 Betriebe seien das untere Limit gewesen – 50 inzwischen involviert. Von diesen pragmatischen Lösungen zeigte sich auch Landrat Reinhard Sager (CDU) angetan: „Ich bin beeindruckt von dem konzeptionellen Denken in der Gastronomie und Hotellerie.“ Ostholstein müsse Gas geben, um den Tourismus wieder in Schwung zu bekommen. Sager: „Denn jeder dritte Euro wird bei uns im Kreis im Tourismus erwirtschaftet.“ Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk: In der zweiten Runde diskutierten dann Vertreter aus dem Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk. Auf dem Podium standen Eutins Bürgermeister Carsten Behnk (parteilos), Ulrich Stutschies (Eutiner Zahntechnik), Dirk Steinwärder (Naturkosmetik), Stefan Dose (Cocobes) und Tim Dreyer (Mode). UV-Geschäftsführer Hannes Wendroth leitete diesen Teil mit einem Hermann-Hesse-Zitat ein: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Sollte heißen: Optimistisch bleiben und versuchen, aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Die Corona-Krise sei für einen Handwerksbetrieb wie Cocobes (Heizung, Klima und Sanitär) kein Problem, sagte Stefan Dose. „Wir können nicht klagen, sondern haben alle Hände voll zu tun.“ Auch Dr. Dirk Steinwärder (Rosenrot Naturkosmetik) berichtete, dass seine Firma gut durch die Krise gekommen sei. Zwei seiner drei Vertriebskanäle (Großkunden und Online) würden gut laufen. Er habe allerdings bemerkt, dass bei seinen rund 400 kleinen Vertriebspartnern Kriseneffekte zu beobachten seien. Bei diesen Partnern hätte es einen deutlichen Einbruch ihres Umsatzes mit dem Lockdown gegeben. Probleme gibt es in der Modebranche aus. Tim Dreyer (Piconaja Men) hatte es mit telefonischer Beratung für seine Kunden versucht. „Das waren aber mehr Mitleidsgeschäfte.“ Er blieb als Folge der Krise auf einem Großteil seiner Frühjahrs-Kollektion sitzen. „Die nächsten Wochen sind entscheidend“: „Jetzt kommt es auf die Bürger an“, sagte Hans-Wilhelm Hagen (Wirtschaftsvereinigung Eutin) abschließend. „Wir müssen den Einzelhandel vor Ort wieder flottbekommen.“ Die nächsten Wochen sieht er als entscheidend an, um den Geschäftsleuten ein Durchhalten zu ermöglichen. Und auch UV-Geschäftsführer Wendroth motivierte die Firmenchefs zum Abschluss: „Unsere Mitglieder sind mit Vollgas am Start. Wir müssen alles tun, um ihnen ein Durchhalten zu ermöglichen.“ Lesen Sie auch: Tausende in Kurzarbeit: Corona wirkt sich auf die Wirtschaft aus Corona: Einmalmasken für 15 Euro in Ostholstein Gemeinden und Städten in Ostholstein verzeichnen Millionenverluste Von Louis Gäbler

Talkabend in Eutin - Corona-Krise: So hart traf es Ostholsteins Wirtschaft