Timmendorfer Strand: Razzia im Nagelstudio

Die 43-jährige Betreiberin eines Nagelstudios in Timmendorfer Strand soll sich des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern und der Zwangsprostitution schuldig gemacht haben. Wegen dieses Verdachts hat die Bundespolizei unter Federführung der Direktion Berlin acht Gebäude in drei Bundesländern durchsucht, darunter ein Nagel- und Massagestudio an der Strandallee in Timmendorfer Strand. Das teilte ein Sprecher der Bundespolizei in Berlin mit. Das Nagelstudio war offenbar nur Fassade für einen sogenannten „bordellartigen Betrieb“, wie der Sprecher ausführte. Über einschlägige Portale im Internet hätten interessierte Männer Termine buchen können, um körpernahe Dienstleistungen der ganz anderen Art zu bekommen. Die dafür bereitstehenden Damen seien zwar pro forma dazu bereit gewesen. „Mit der Freiwilligkeit ist das so eine Sache“, schränkte der Bundespolizei-Sprecher jedoch ein. Nagelstudio-Chefin gilt als Drahtzieherin: Die Frauen, allesamt wie die Betreiberin Vietnamesinnen, hätten mittels Prostitution die hohen Schulden abarbeiten müssen, die sie bei Schleusern hatten. Außerdem hätten sie Geld abführen müssen an die Nagelstudio-Betreiberin, die ihnen ihre Arbeit in Deutschland erst ermöglicht habe. Die Frau gilt als Drahtzieherin der Gruppe, gegen die sich die Ermittlungen richten. Weitere Beschuldigte sind eine 25-jährige Frau aus Vietnam und ein 64-jähriger Deutscher, der einen Massagesalon in Berlin betrieben haben soll. Ein Geschäftsmodell, das auch in Hamburg angewandt wurde. Der Anfangsverdacht, dass dort etwas nicht stimmte, kam von anderen Behörden wie dem Zoll oder der Gewerbeaufsicht, teilte der Bundespolizeisprecher weiter mit. Sie hätten bei vorherigen Kontrollen Personen festgestellt, die sich illegal in den Betrieben aufhielten. Hinzugekommen seien anonyme Hinweise und „eindeutige Angebote“, wie der Sprecher sagte. Die weiteren Ermittlungen führten dann zu den Razzien mit 160 Beamten in drei Orten, bei denen sechs Objekte durchsucht wurden. Darüber informierte die Bundespolizei am Morgen zunächst per Twitter. Federführend bei den seit einem Jahr laufenden Ermittlungen ist die Berliner Staatsanwaltschaft. Ziel der Ermittlungen und der Razzia sei es auch, diese Form der Zwangsprostitution zu beenden und die Frauen aus den Abhängigkeiten zu befreien sowie Beweise zu beschlagnahmen, sagte der Bundespolizeisprecher. Es gehe besonders um Datenträger wie Telefone und Computer sowie mögliche Dokumente mit falschen Identitäten. Studio in Timmendorfer Strand war verwaist: In Timmendorfer Strand trafen die an der Razzia beteiligten Beamten niemanden an. In Berlin dagegen drei Frauen, deren Identität bisher unklar ist. Vermutlich kommen sie ebenfalls aus Vietnam. Die Timmendorfer Nagelstudio-Betreiberin wurde in ihrer Wohnung in Berlin-Lichtenberg festgenommen. Sie wird noch am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt. Ein Ablauf, den sie bereits kennt. Die Frau ist laut Bundespolizei „polizeierfahren“ und einschlägig vorbestraft. 2008/2009 ist nach Angaben der Bundespolizei bereits in einem größeren Schleuserverfahren gegen sie verhandelt worden. Die Richter verhängten damals fünf Jahre Haft. Da die Frau ein kleines Kind hatte, musste sie nur einen geringeren Teil der Strafe in einer Vollzugsanstalt verbringen. Offenbar hat sie danach ihr illegales Geschäft wieder aufgenommen. „Sie kennt sich im Schleusermilieu aus“, teilte der Bundespolizeisprecher mit. Lesen Sie auch Fehmarn: Bundespolizei schnappt Straftäter und bringt ihn ins Gefängnis. Bund investiert Millionen in die Bundespolizei Drogen, Waffen und Haftbefehl: Großkontrolle von Polizei und Zoll auf Fehmarn. Ursprünglich habe die Drahtzieherin das Geschäft mit den als Nagel- und Massagestudio getarnten illegalen Bordellen in Berlin betrieben, hieß es weiter. Dann habe sie wohl gemerkt, dass damit auch in Timmendorfer Strand Geld zu verdienen sei. Kosten für teure Schleusung abarbeiten: Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte Berlin und dort den Stadtteil Lichtenberg kürzlich als „Dreh- und Angelpunkt“ vietnamesischer Menschenhändler in Westeuropa bezeichnet. Laut BKA werden illegal eingeschleuste Vietnamesen von Berlin aus nach Deutschland und Westeuropa vermittelt. Dort müssten sie die Kosten für die Schleusung von 10 000 bis 20 000 Euro abarbeiten. Die Polizei stieß in Massagesalons, Nagelstudios, Restaurants, der Fleisch- oder Schlachtindustrie sowie der Textil- und Reinigungsbranche auf illegal beschäftigte Vietnamesen. Dahinter stehe „ein riesiges Netzwerk“, das „in ganz Europa aktiv“ sei und „gewaltige Summen“ umsetze. Von Susanne Peyronnet

Timmendorfer Strand: Razzia im Nagelstudio – Vorwurf der Prostitution