Trotz Corona-Angst: Bei schwerer Krankheit in die Klinik gehen

Der Teil-Lockdown hat Ostholstein fest im Griff. Geschlossene Unternehmen, erneute Kurzarbeit und steigende Corona-Fallzahlen bereiten den Menschen Sorge. Anders als im Frühjahr verzeichnen die Krankenhäuser allerdings weniger Terminabsagen, dennoch meiden einzelne Erkrankte die Kliniken aus Angst vor dem Virus. Das kann das schwerwiegende Folgen nicht nur für Menschen mit körperlichen Erkrankungen, sondern auch für psychisch Kranke haben. Mit psychischen Erkrankungen nicht zu Hause bleiben: Dr. Daniel Meinecke ist Chefarzt des psychiatrischen Ameos-Krankenhauses in Neustadt. Er stellt klar: „Gerade bei psychischen Erkrankungen ist es schädlich, zu Hause zu bleiben.“ Menschen mit Angststörungen und Depressionen würden ebenso wie Personen mit Suchterkrankungen (Alkohol, Medikamente, Drogen) unter den Auswirkungen der Pandemie leiden. Jobverlust, Langeweile und Einsamkeit in Folge von plötzlich fehlenden Strukturen könnten dazu führen, dass der Konsum hochgefahren werde. Die Mitarbeiterinnen vom Familienzentrum Neustadt des Kinderschutzbundes sind auch während des Teil-Lockdowns im November weiterhin erreichbar. Die Koordinatorinnen der Frühen Hilfen sind während ihrer Sprechzeiten persönlich oder telefonisch für Schwangere und Familien mit Kindern im Alter bis zum Schulalltag da. „Wir beraten Eltern vertraulich und kostenlos, wenn diese praktische Tipps und Anregungen für das Zusammenleben mit ihren Kindern benötigen, wissen möchten, welche Unterstützungsmöglichkeiten es für Schwangere, Alleinerziehende und Familien gibt oder Entlastung im Familienalltag wünschen“, teilen Katja Kirschall und Kristina Bruhn mit. Auch vermitteln sie Kontakte in Neustadt, Grömitz, Scharbeutz sowie Timmendorfer Strand zu Hebammen, Familienhelferinnen, Ehrenamtlichen und speziellen Fachleuten. Weiterhin erfolgt die Schwangerenberatung durch den Sozialdienst katholischer Frauen wie üblich am zweiten und vierten Donnerstag im Monat von 9 bis 12 Uhr nach vorheriger telefonischer Anmeldung. Zudem finden wöchentlich die Hebammensprechstunde in Neustadt und die Säuglingssprechstunde in Timmendorfer Strand statt. Weitere Infos gibt es unter der Nummer 045 61/524 81 83 sowie per E-Mail an familienzentrum@kinderschutzbund-oh.de. Positive Rituale schaffen und Tageszeitung lesen: Meinecke erläutert, dass es in Zeiten eingeschränkter Kontakte gepaart mit Zukunftsängsten wichtig sei, sich positive Rituale anzueignen. Dies könnten heiße Bäder, ein leckerer Tee am Tag und andere scheinbare Kleinigkeiten sein. Zudem rät er, feste Strukturen im Alltag zu etablieren: aufstehen, frühstücken, spazieren, essen. „Ich darf aber auch anerkennen, dass nicht alles gut ist, jedoch sollte ich nicht darin verharren“, führt er aus. Auch sei es wichtig, sich bei den richtigen Quellen über die Corona-Pandemie zu informieren. „Dazu gehören das Robert-Koch-Institut (RKI), die World-Health-Organisation (WHO) und Tageszeitungen. Es geht um einen bewussten Umgang“, sagt Daniel Meinecke. Ameos schränkt Gruppenangebote ein: Wer nur noch unruhig sei oder nicht mehr aus dem Bett komme, solle sich unbedingt Hilfe suchen. „Die psychiatrischen Krankenhäuser sind offen. Wir sind da, wenn man uns braucht“, betont der Chefarzt. Dennoch laufe der Betrieb aufgrund der Pandemie etwas anders. So seien Gruppenaktivitäten zum Teil eingestellt oder Gruppen in ihren Größen reduziert worden. Auch gilt ein Besuchsverbot. Sana-Geschäftsführer warnt vor Folgeschäden: Ein Besuchsverbot gibt es auch in den Allgemeinkrankenhäusern von Sana und der Schön-Klinik. Florian Glück, Sana-Geschäftsführer in Ostholstein, ist froh, dass die allermeisten Menschen trotz Teil-Lockdown unverändert ärztliche Hilfe suchen würden, wenn sie gesundheitliche Probleme haben. „Andererseits gibt es jedoch auch nach wie vor Menschen, die sich – trotz teils schwerster Krankheitssymptome – davor scheuen, den Notruf zu wählen oder selbstständig einen Arzt oder das Krankenhaus aufzusuchen“, sagt er und ergänzt: „Es wäre fatal, wenn ernsthafte Gesundheitsprobleme aus Angst oder wegen vermeintlich zu knapper Behandlungskapazitäten unbehandelt bleiben und schwere Gesundheitsschäden oder gar Schlimmeres nach sich ziehen.“ Florian Glück sagt, dass es ein Konzept mit erweiterten Sicherheits- und Hygienemaßnahmen gebe und die Sicherheit von Mitarbeitern und Patienten weiterhin an erster Stelle stehe. „Für die Wintermonate haben wir zudem eine erweiterte Teststrategie, auch im Hinblick auf die kommende Influenza-Saison, entwickelt“, teilt er mit. So stünden in Ergänzung zur externen PCR-Labordiagnostik seit diesem Herbst auch eigene Schnelltestgeräte für Influenza und Covid-19 zur Verfügung. Schön-Klinik testet alle Patienten: Dass ein Besuch im Krankenhaus sicher ist, hebt auch Claudia Rieling, Sprecherin der Schön-Klinik, hervor. An allen Häusern, also auch in Neustadt, würden sehr strenge Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen inklusive einer umfangreichen Teststrategie bei Patienten und Mitarbeitern gelten. Unter anderem werde jede Person vor Behandlungsbeginn getestet. „Außerdem haben wir die Möglichkeiten zur Isolation von Covid-19-positiven Patienten sowie von Kontaktpersonen ersten Grades in unseren Standorten seit Beginn der Pandemie noch einmal verbessert“, sagt Rieling. Pflegeeinrichtungen wie die Alloheim Senioren-Residenz Auetalblick in Malente sind dazu aufgerufen, umfangreiche Corona-Testkonzepte zu erarbeiten. Ziel ist es, die Infektionsgefahr durch externe Besucher weitestgehend auszuschließen. Einrichtungsleiterin Jennifer Niemietz betont, dass sie und ihr Team nicht verpflichtet seien, alle Besucher per Schnelltest zu testen. Zudem gelte, wer Symptome hat, soll einen Arzt oder ein Testzentrum aufsuchen. Das bislang noch nicht vom Gesundheitsamt genehmigte Testkonzept sei so gestaltet, dass es einmal wöchentlich eine Schnelltest-Möglichkeit vor Ort gebe. „Wir wollen mögliche Infektionen von Mitarbeitern, Bewohnern und Besuchern weitgehend ausschließen“, sagt Niemietz. Besuche müssten im Vorfeld immer telefonisch mit der Einrichtung abgestimmt werden. Sobald das genehmigte Konzept vorliege, würden die Angehörigen umgehend informiert. Zugleich informiert sie, dass die Klinik dem regulären Versorgungsauftrag solange es die Corona-Lage erlaube in normalem Umfang nachkommen werde. Damit spielt sie auf die im Frühjahr abgesagten, nicht zwingend notwendigen Operationen an, als Kapazitäten für die Behandlung möglicher Covid-19-Patienten freigehalten werden mussten. Auch betont sie die Notwendigkeit von einigen Krankenhausbesuchen: „Beispielsweise müssen Patienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt oder Schlaganfall sofort behandelt werden, denn nur eine zügige medizinische Versorgung kann schwere Folgen und bleibende Einschränkungen vermeiden.“ Positiv sei, dass es aktuell nur vereinzelt Patienten gebe, die Termine auf einen späteren Zeitpunkt verschieben würden. Lesen Sie auch: Corona-Folgen: In Ostholstein fehlen Blutspenden Fragen und Antworten zu Corona in Ostholstein: Wer wird wo getestet Corona: Der Kreis Ostholstein stockt Personal auf, Bundeswehr ist bereit Von Sebastian Rosenkötter