Trotz Maskenpflicht und geschlossener Cafés und Geschäfte: Viel los an der Küste

Die Morgensonne strahlt bereits über Travemünde, doch der Start in den ersten Sonntag des für November angeordneten Teil-Lockdowns erfolgt eher stockend. Während ein paar verstreute Rest-Wohnmobile auf dem eigentlich coronabedingt abgesperrten Großstellplatz am Fischereihafen ihr eher tristes Dasein fristen, will auch an der Hafenkante noch keine rechte Stimmung aufkommen. Fischer Norbert Stöter (71), seit 35 Jahren in Sachen Dorsch, Scholle, Flunder, Steinbutt & Co. auf der Ostsee im Einsatz, berichtet auf seiner vertäuten „Anna II“ beim Filetieren eines stattlichen Dorsches: „Normalerweise brummt es hier sonntags schon ab 8 Uhr. Aber heute ist irgendwie noch nix los. Das ist fast so mau wie beim ersten richtigen Lockdown im Frühjahr, als noch nicht mal auswärtige Tagestouristen an die Küste kommen durften.“ Auch bei der vorbeischlendernden Fischhändler-Familie Schwarz aus Lübeck-Schlutup wird er seine Extra-Ration Klieschen nicht los, denn Silvia Schwarz klärt auf: „Wir betreiben viermal pro Woche einen Marktstand am Brink und in Kücknitz und wollten uns hier nur mal nach einem geeigneten Nachfolger für unseren Schlutuper Fisch-Lieferanten umsehen, da der demnächst in Rente gehen will.“ Reger Ausflugsverkehr auf der Strandpromenade ohne Maskenpflicht: Unterdessen herrscht auf der Travemünder Strandpromenade bei frischen zehn Grad bereits reger Ausflugsverkehr – ohne Schutzmasken-Gebot. Doch Maik Matz (23) und seine Freundin Regina Springl (21) fühlen sich sichtlich gut und sicher bei ihrem Vormittagsspaziergang in der leichten Brise. Der stellvertretende Leiter des Edeka-Marktes auf dem Priwall sagt: „Im Vergleich zum Totentanz in Büsum, wo wir gestern waren, ist hier zwar extrem viel los. Aber der Andrang verteilt sich ja gut.“ Auch Linus Linden (20) und seine gleichaltrige Freundin Fabienne Fechtner genießen die Spätherbstsonne unterhalb des Maritim-Hotels. Der angehende Land- und Baumaschinen-Mechatroniker macht ein paar Handy-Videos von der sportlichen Lehramts-Studentin bei ihrem Wiedereinstieg als Inlineskaterin und findet: „Es macht einfach Spaß, hier so einen Super-Tag zu verbringen, auch wenn alle Geschäfte geschlossen sind.“ „Gut, dass alle Läden zu haben, sonst wäre hier zu viel los“: Ähnlich sehen das Annemarie (65) und Dieter Buck (66) aus Bremervörde, die mit ihren Freunden Ingeborg (64) und Erhard Alpers (66) vom Zweitwohnsitz in Lübeck-Siems aus eine E-Bike-Tour an die Küste unternehmen und bei einer Verschnauf- und Trinkpause als „Bankdrücker“ einmütig feststellen: „Es ist sogar ganz gut, dass alle Läden zu haben, sonst wäre hier auch auf der Promenade ja viel zu viel los, um auf Schutzmasken verzichten zu können.“ Ein paar Kilometer weiter, am belebten Niendorfer Balkon vor der zur Mittagszeit ebenfalls gut frequentierten Seebrücke herrscht indes Maskenpflicht – bis auf weiteres freitags bis sonntags von 9 bis 22 Uhr. Und tatsächlich halten sich die meisten Sehleute daran. So auch drei Ratekauer Brückengänger. Vater René (45), Mutter Sandra (42) und Sohn Felix Meyer (12) finden die verordnete „Vermummung“ bei ihrem ersten Masken-Ausflug an die See „grundsätzlich völlig okay“. Allerdings beklagen die Meyers: „Leider gibt es immer noch einige Leute, die sich einfach nicht daran halten.“ „Klage über Maskenpflicht ist Jammern auf hohem Niveau“: Dazu gehört ein Quartett aus Lübeck nicht. Janis Bornholdt (44), die mit ihren Söhnen Fiete (11) und Hannes (9) sowie der Freundin Jasmin Stadler (42) von der Hermannshöhe aus nach Niendorf spaziert ist und die gleiche Strecke auch wieder retour gehen will, verrät: „Fiete hat bei dem böigen Wind auf der Brücke zwar gerade seine Maske verloren, aber zum Glück haben wir ja noch ein Halstuch auf Reserve.“ Auch für Dirk Leibner (46) und seine ebenfalls ordnungsgemäß maskierte Frau Anja (53) aus dem niedersächsischen Seevetal steht fest: „Wenn man sich über die Maskenpflicht hier beklagt, ist das schon Jammern auf hohen Niveau.“ Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Das sind die Corona-Regeln ab November Private Treffen: Diese Regeln gelten im November in Schleswig-Holstein Sport draußen und drinnen: Das ist im November in SH erlaubt Schulsport in SH: Das sind die neuen Regeln Das sind die Regeln zur Maskenpflicht in Lübeck Auf Promenaden und Seebrücken: Hier muss in Ostholstein Maske getragen werden So unterschiedlich sind die Corona-Regeln in den Nord-Bundesländern In diesen Texten informieren wir kostenlos über Corona-Regeln: Diese weiteren Corona-Regeln haben die anderen Bundesländer erlassen Telefonische Krankschreibung ist wieder möglich Fragen und Antworten: Wo gilt die Maskenpflicht? Welche Ausnahmen gibt es? Eingangs der verkehrsberuhigten Zone in Timmendorfer Strand ziehen auch Axel Brüntjen (47) und seine Partnerin Doreen Koschnick (43) bereitwillig ihre Masken aus der Tasche, als sie das unzweideutige blau-weiße Hinweisschild sehen. Allerdings bekennen die beiden Tagesausflügler aus Norderstedt: „Als Brillenträger sehen wir das schon irgendwie als notwendiges Übel, da die Gläser ja immer beschlagen.“ Und der 47-Jährige fügt noch hinzu: „Das Shoppen fehlt uns nicht. Aber bei den Temperaturen ist es schon schade, dass man sich in den geschlossenen Cafés oder Restaurants nicht aufwärmen kann.“ Zum Pizza-Essen wird die Maske heruntergezogen: Ein paar Schritte weiter – unweit des Außer-Haus-Verkaufs von Bäckerei, Pizzeria & Co. – geht’s ausnahmsweise maskenlos zu. Tino Hennings (19) aus Itzehoe gönnt sich eine pikante Pizza Diavolo aus dem Karton und stellt aber klar: „Auch wenn ich nicht zur Risikogruppe gehöre, ziehe ich meine Maske selbstverständlich gleich wieder hoch – allein schon aus Rücksichtnahme auf meine Mitmenschen.“ Nicht ganz so sehen das Stefan (45) und Jenny Müller (37), die sich einen Snack aus der Bäckerei nebst Coffee-To-Go besorgt haben. Das Neumünsteraner Paar findet einmütig: „Das Masken-Tragen im Freien ist eigentlich unnötig. Aber wir machen’s halt zwangsläufig mit.“ Von Andreas Oelker