U-Boote vor Dahme gestrandet: Zeitzeuge erinnert sich

Gerade erst wurde Uwe Landschoof aus Dahme an eines der größten Abenteuer seiner Kindheit erinnert. Als Hobbytaucher ein bisher unbekanntes Mini-U-Boot vom Typ „Seehund“ auf der Sagasbank südlich von Fehmarn entdeckten, wusste er genau, worum es ging. Waren ihm doch im Mai 1944 gleich zwei dieser sogenannten Wunderwaffen gewissermaßen vor die Füße gefallen. Wer Landschoof besuchen will, muss hinterm Leuchtturm Dahmeshöved auf dem Deich entlangfahren. Dort, oberhalb des Strandes und mit Blick auf die Ostsee, steht das Haus, in dem er wohnt. Landschoof sitzt in einem Zimmer, das mehr Bibliothek als Wohnzimmer ist, mit dem Rücken zum Meer. „Dies ist das Zimmer, in dem ich die U-Boot-Besatzung getroffen habe“, sagt er. Diese Besatzung, zwei Mann des Mini-U-Bootes „Seehund“, waren in der Nacht zuvor mit Karacho auf das Steinriff unterhalb von Landschoofs heutigem Haus gefahren. Das U-Boot hatte sich auf die mit glitschigen Algen bewachsenen Steine geschoben. An Bord waren Oberleutnant zur See Gerhard Conrad und ein weiterer Marinesoldat, an dessen Namen sich weder Landschoof noch der damalige Hausherr, der Medizin-Nobelpreisträger Gerhard Domagk, erinnern können. Gerhard Domagk (1895 –1964) war Mediziner und widmete sich in seinen Forschungen dem Kampf gegen Bakterien. Von 1927 an baute er eine pharmakologische Forschergruppe im Chemiekonzern Bayer auf. Er entdeckte die antibakterielle Wirkung der Sulfonamide. Dafür wurde ihm 1939 der Nobelpreis für Medizin verliehen. Den Nobelpreis durfte Domagk allerdings nicht annehmen. Das hatte Hitler allen Deutschen untersagt, nachdem das Nobelkomitee den „Weltbühne“-Herausgeber Carl von Ossietzky 1936 mit dem Friedensnobelpreis geehrt hatte. Da hielten ihn die Nazis in einem Konzentrationslager gefangen, wo er zwei Jahre später starb. Domagk erhielt die Nobelpreisplakette nachträglich 1947. Das Preisgeld war inzwischen verfallen. In Dahme ist Domagk vor allem als Kunstfreund bekannt. Er kannte Emil Nolde und Otto Dix persönlich. Zur Erinnerung an den Kunstliebhaber Gerhard Domagk werden seit 2015 auf dessen Grundstück an der Ecke von Dahmeshöved jährlich im Sommer Malerei-Ausstellungen gezeigt. Feuer an Bord, Rettung am Strand: Landschoof weiß aber noch sehr genau, warum die Soldaten das U-Boot auf das Steinriff setzten. „Sie hatten einen Brand an Bord.“ Die Besatzung habe das Feuer zwar löschen können, aber die Navigationshilfen seien ebenso zerstört worden wie das Schlauchboot, das den Besatzungen nach einem Ausstieg aus dem Boot das Leben gerettet hätte. Also blieb den beiden Männern nichts anderes übrig, als den „Seehund“ an Land zu bringen. Dabei diente ihnen der Leuchtturm von Dahmeshöved als Peilung. Da lag das U-Boot nun, als der kleine Uwe Landschoof, der Sohn des Leuchtturmwärters, wie beinahe jeden Tag am Strand entlang zum Haus des Nobelpreisträgers stromerte. „Ich habe immer die Meerschweinchen und Kaninchen für die Versuche des Herrn Professor bei Bayer gefüttert“, erklärt er seine Beziehung zu Domagk. Und so hat er miterlebt, wie der Nobelpreisträger die beiden Seeleute für einen Tag bei sich aufnahm. Mit den Sonderrationen aus dem U-Boot ließen es sich der Professor und die Soldaten gut gehen, bis U-Boot und Besatzung abgeholt wurden. Zwei Schlepper zogen den „Seehund“ vom Steinriff zurück ins Wasser und nach Neustadt. Landschoof weiß sogar, was aus Oberleutnant Conrad geworden ist. Der sei als Kommandant auf ein großes U-Boot versetzt und im englischen Kanal eingesetzt worden. Dort sei sein Boot U-214 am 26. Juli 1944 von der britischen Fregatte „HMS Cooke“ bombardiert und versenkt worden, Conrad und 48 weitere Seeleute seien „für immer auf Tiefe gegangen“. Eine Plakette im Marineehrenmal in Laboe erinnert an den U-214-Kommandanten als einen von Zehntausenden Toten. Die unbekannte Wunderwaffe: Für den Steppke Uwe waren die Soldaten eine ebensolche Sensation wie das U-Boot. „Über die Zwei-Mann-U-Boote und den ,Seehund’ war in der Bevölkerung nichts bekannt. Das sollte eine der Wunderwaffen der Nazis werden.“ So ganz unbekannt waren dem Jungen die U-Boote aber nicht. Denn einige Tage zuvor war schon einmal eines unterhalb des Leuchtturms von Dahmeshöved gestrandet. Es lag eines Morgens einfach da. Landschoof vermutet einen Navigationsfehler, der dazu führte, dass das Boot vom Kurs abkam. Die Besatzung meldete das Unglück bei der Seefunkstelle am Leuchtturm, und ebenso überraschend wie es erschienen war, war das U-Boot am nächsten Morgen wieder verschwunden. Auch ein Erlebnis, das Landschoof nie vergessen hat. „Ich war hocherfreut über dieses Riesending. Wir kannten so etwas ja gar nicht.“ Das Haus oberhalb des Strandes, in dem Landschoof heute wohnt, hat Professor Domagk 1933 als Sommerhaus für seine Familie gebaut. Vor einigen Jahren drängte der Sohn des Nobelpreisträgers Landschoof, doch dort einzuziehen. Der nahm gerne an. Jetzt hat er jeden Tag einen freien Blick auf die Stelle, an der sich eines der größten Abenteuer seiner Kindheit abspielte. Lesen Sie auch: LN-Themenpaket: Der zweite Weltkrieg im Norden. So arbeitet die DLRG in Corona-Zeiten Besonderer Willkommensgruß an die Dahmer Gäste Von Susanne Peyronnet