Volkstrauertag in Timmendorf: Kein Gedenken am „Ehrenmal“

Zusammenkunft auf dem Waldfriedhof anstatt Kranzniederlegung am Ehrenmal für die Kriegstoten in Timmendorfer Strand: Ein anderes Gedenken am Volkstrauertag fordert und plant der neue Pastor im Ort, Karsten Wolkenhauer. Er lehnt die Gefallenen-Gedenkstätte neben der Waldkirche ab und schlägt ihre Veränderung vor. Dem hat sich der Kirchengemeinderat angeschlossen und will einen Ausschuss zum Thema einrichten. Pastor kritisiert „Heldengedenken“ und „Revanchismus“: „Reines Heldengedenken“, „Revanchismus“: Die Kritik von Karsten Wolkenhauer an der Timmendorfer Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges ist deutlich. „So, wie dieser Ort jetzt ist, werde ich nicht an einer Kranzniederlegung teilnehmen“, sagt er. Zudem verwahre er sich dagegen, dass am Volkstrauertag – Sonntag, 15. November – wie bislang üblich aus der Waldkirche ein Kranz zum wenige Meter entfernt gelegenen Denkmal getragen wird. Die Gedenkstätte am Waldrand stammt vermutlich aus dem Jahr 1923, schätzt der ehemalige Leiter des Timmendorfer Gemeindearchivs, Dr. Heiner Herde. „Nach dem Ersten Weltkrieg wurden zahlreiche Ehrenmale in Deutschland errichtet“, erklärt er. „Und nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Gedenkstätte dann erweitert worden.“ Herde begrüßt die Anregungen von Pastor Wolkenhauer. „Damals hat man nur der eigenen gefallenen Soldaten gedacht“, sagt er. „Heute denkt man doch an alle Toten, die die Kriege gefordert haben. Ich habe mich schon häufig gewundert, dass diesbezüglich nichts verändert worden ist.“ Erinnerung an Gefallene und ehemalige deutsche Ostgebiete: Die Gedenkstätte besteht aus einem massiven Steinblock mit der Inschrift „Nie vergessen!“. Darüber ragt ein Findling auf mit den Namen von 28 Männern aus dem Ort, die im Ersten Weltkrieg starben, und der Inschrift „1914/1918. Den gefallenen Helden in Dankbarkeit“. Davor findet sich auf dem Boden eine große Steintafel mit der Inschrift „Unseren geliebten Angehörigen zum Gedächtnis, die im Zweiten Weltkrieg 1939 – 1945 ihr Leben gelassen haben im Felde, in der Heimat, auf der Flucht und in der Gefangenschaft“. Neben diesen Steinen stehen drei kleinere Stelen mit den Wappen von Ost- und Westpreußen, Pommern, Schlesien, Brandenburg, Posen, Sudeten, Danzig und der Deutsch-Balten („In Treuen fest“). „Mir fehlt die pazifistische Botschaft“, sagt Pastor Wolkenhauer. „Ein historisierendes Gedenken kann nicht Basis friedensstiftender Versöhnungsarbeit sein.“ Vielmehr gelte es zu überlegen: „Wie können wir verhindern, dass Kriege Menschenleben fordern? Wie können wir dafür eintreten, dass andere nicht zu todbringendem Heldentum verführt werden? Wie können wir junge Menschen in einem zerbrechenden Europa dafür gewinnen, für Versöhnung einzutreten?“ Veränderung der Gedenkstätte als Schulprojekt? Bei einem Ortstermin mit der stellvertretenden Bürgermeisterin Melanie Puschaddel-Freitag (CDU) ist Wolkenhauer damit auf Verständnis gestoßen. „Der Fokus des Gedenkens sollte darauf liegen, dass es nie gut ist, Konflikte über Kriege auszutragen – und dass so etwas nie wieder geschehen sollte“, meint sie. Sie könne sich vorstellen, die Ergänzung beziehungsweise Neugestaltung der Gedenkstätte über ein Schulprojekt in der Gemeinde anzugehen. Der Kirchengemeinderat lädt zunächst am diesjährigen Volkstrauertag zu einer Gedenkveranstaltung auf den Waldfriedhof ein. Sie beginnt am Sonntag, 15. November, um 11.30 Uhr. Zudem solle ein Ausschuss eingesetzt werden aus Angehörigen von Kirchengemeinde, Stadtverwaltung, Feuerwehr, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und möglicherweise weiteren Interessierten, um „eine neue Form für das Gedenken an der Gedenkstätte zu entwickeln“. Pastor Wolkenhauer verweist zudem darauf, dass entsprechende Überlegungen auch in Bezug auf das „Ehrenmal“ und den Gedenkstein auf dem Niendorfer Friedhof sowie auf das „Ehrenmal“ in Groß Timmendorf wünschenswert seien. Zustimmung vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Frank Niemanns, Landesgeschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, freut sich darüber, dass in Timmendorfer Strand „gemeinsam über neue Formen und Inhalte von Gedenken“ nachgedacht werde. Zwar sei der Volkstrauertag für den Volksbund weiterhin ein wichtiger Gedenktag. „Es kommt aber darauf an, diesen Tag mit Inhalten zu versehen und nicht nur als bloßes Ritual zu verstehen.“ Gedenken könne nicht „von oben“ verordnet werden, findet Niemanns, sondern sollte sich „in der Auseinandersetzung mit der Geschichte und aktuellen Ereignissen entwickeln“. Dann bekomme der Volkstrauertag „für die Menschen wieder eine echte Bedeutung“. Lesen Sie auch: Ostholstein - Gedenken an die Kriegstoten Karsten Wolkenhauer: Der neue Pastor freut sich auf Timmendorfer Strand Von Sabine Latzel