Vor 50 Jahren: Jimi Hendrix’ letzter Auftritt auf Fehmarn

Bisweilen genügen ein Name oder ein paar Klänge, um das Lebensgefühl von Millionen Menschen während einer gewissen Zeitspanne wach werden zu lassen. Das Anfangsriff von „Hey Joe“ ist solch ein Musikstückchen, und der Name des Mannes, der da die Gitarre spielt, ist es erst recht: Jimi Hendrix. Vor 50 Jahren spielte diese Ikone der Rockmusik sein letztes großes Konzert, ausgerechnet auf der Ostseeinsel Fehmarn. Wenige Tage später war James Marshall Hendrix, der vielleicht beste Gitarrist aller Zeiten, tot. Gestorben mit 27 Jahren, erstickt an seinem eigenen Erbrochenen. Er verbrannte Gitarren, aber er tat es nicht gerne: Natürlich ist das ein Stoff, aus dem sich Legenden stricken lassen. Und aus dem auch nach Kräften Legenden gestrickt wurden, manche nah an der Wahrheit, viele davon jedoch zu einem großen Teil Produkte der Fantasie. Jimi Hendrix konnte keine Noten lesen. So weit, so wahr. Doch dass er nach einem Auftritt seine Gitarre gerne als Show-Effekt verbrannte, ist ein Beispiel für solche Irrtümer. Er verbrannte Gitarren, aber er tat das nicht gerne. Und als er es zum ersten Mal tat, geschah es nicht der Show wegen, sondern weil er auf der Flucht vor enthusiastischen Fans im Münchener „Big Apple Club“ seine Gitarre auf die Bühne warf, wo sie in Flammen aufging. Am 5. September beginnt um 16 Uhr ein rund vierstündiges Gedenk-Musikfest in Strukkamp auf Fehmarn für 300 Leute. Lieder von Jimi Hendrix und Janis Joplin zählen zum Programm. Das Fest ist ausgebucht.Eine neue Biografiegeht dem Gerücht auf den Grund, Hendrix sei ermordet worden – entweder von seinem Manager Mike Jeffrey, der Mafia oder vom FBI. Philip Norman:„Jimi – Die Hendrix-Biografie“, Piper, 432 S., 24,70 Euro Ein Leben voller Irrtümer: Ohnehin ist Jimi Hendrix‘ Leben voll mit solch kuriosen Farbtupfern. Ohne Wissen der Band hatte Manager Chas Chandler etwa im Jahr 1967 die „Jimi Hendrix Experience“ als Vorgruppe für eine Konzert-Tournee der „Monkees“ durch Florida gebucht – was ungefähr dasselbe ist, als ließe man „Torfrock“ vor einer Beethoven-Symphonie auf die Bühne. Eine weitere Anekdote: Als die „Jimi Hendrix Experience“ zusammengestellt wurde, weigerte sich Hendrix zunächst, auch als Sänger in Erscheinung zu treten. Er fand, seine Stimme gäbe das nicht her. Ein Irrtum, wie man heute weiß. Und dass er mit seiner verzerrten Interpretation der US-Nationalhymne „Stars and Stripes“ 1969 in Woodstock gegen den Vietnamkrieg protestieren wollte, indem er Granateneinschläge und Gewehrfeuer imitierte, korrigierte er später in einer Talkshow höchstpersönlich. Ein Besenstiel als Gitarre: ber das Leben dieses Ausnahmemusikers war ja von Beginn an so etwas wie eine Anhäufung von Irrtümern. Seine Eltern, beide mit afrikanischen und Cherokee-Vorfahren gesegnet, waren Tänzer. Als Jimi geboren wurde, war sein Vater bei der Armee. Erst Monate später erfuhr er überhaupt davon, dass er jetzt einen Sohn hatte. Und das erste, was er tat, war den Vornamen des Sprösslings zu ändern: Von James Allen in James Marshall. Mutter starb an den Folgen einer Leberzirrhose: Ein richtiges Familienleben kannte Jimi jr. nicht, die Eltern waren arm, tranken zu viel und stritten ständig. Sie ließen sich scheiden, und seine Mutter starb früh an den Folgen einer Leberzirrhose. Der kleine Jimi lief oft mit einem Besenstiel durch die Gegend, mit dem er eine Gitarre simulierte. Sein erstes Instrument aber war eine Ukulele mit nur einer Saite, gefunden auf dem Müll. „Er konnte nicht nein sagen“: Henndrix‘ späterer Bassist Noel Redding schrieb in seinen Memoiren, dass der Superstar in Wahrheit ein zurückhaltender, ja scheuer Mensch gewesen sei. Man vermutet, dass er an Depressionen litt und dass er mit seinem Ruhm nur schwer klargekommen ist. Alkohol und Drogen gehörten schon bald zu den Dingen, ohne die er nicht mehr leben konnte. Als aber Reddings Mutter ihn wie einen eigenen Sohn aufnahm, habe ihm das sichtlich gutgetan. Hier hatte er plötzlich das Stückchen Familie, das ihm immer gefehlt hatte. Und Jimis Freundin Kathy Etchingham sagte, Hendrix habe nie „nein“ sagen können. Er habe den Leuten gerne das gesagt, wovon er glaubte, dass sie es hören wollten. Häufig versprach er Sachen, die er gar nicht halten konnte. Das Festival in Flügge versank im Regen: Vielleicht hat Fehmarn diesem Wesenszug des Mannes, den das Magazin „Rolling Stone“ auf Platz sechs in der Liste der besten Musiker aller Zeiten führt, den Umstand zu verdanken, dass er hier sein letztes Festival-Konzert spielte. (Wenig später gab es in London noch eine Jam-Session mit Eric Burdon.) Beim „Love-and-Peace-Festival“ spielte er am 6. September 1970 zum letzten Mal vor großem Publikum – und zwar als einziger aus der Gilde der angekündigten Weltstars. Das Festival in Flügge, das als deutsches Pendant zu Woodstock geplant war, versank im Regen, Gruppen wie Procol Harum, Ten Years After oder Superstar Rod Stewart sagten kurzerhand ab. Hendrix aber hielt Wort. Zwölf Tage später war er tot. Von Uwe Nesemann