Wassersportler in Gefahr: Feuerwehren dürfen nicht aus der Ostsee retten

„Es geht um Leben und Tod.“ Neustadts Wehrführer Alexander Wengelewski warnt eindringlich davor, dass Wassersportler in der Ostsee ertrinken könnten, weil Freiwillige Feuerwehren nicht mehr ausrücken dürfen, um ihnen zu Hilfe zu eilen. Auslöser für die deutliche Wortwahl ist ein Schreiben des schleswig-holsteinischen Innenministeriums an die Stadt Neustadt. In diesem den LN vorliegenden Dokument heißt es, dass die Wasserrettung seewärts der Uferlinie nicht auf die Ehrenamtler übertragen werden dürfe. „Wasserrettung ist dort demnach nur durch die DGzRS zulässig“, betont eine Mitarbeiterin des Landes. Das zweiseitige Schriftstück an die Stadt hat weitreichende Konsequenzen. Die Integrierte Regionalleitstelle (IRLS) Süd, welche Notrufe aus dem Kreis Ostholstein entgegennimmt und Rettungskräfte zu Einsatzorten schickt, alarmiert seit knapp einer Woche keine Feuerwehren mehr, wenn es sich um Wasserrettung auf der Ostsee handelt. Leiter Carsten Horn bestätigt, dass im Falle eines verunglückten Wassersportlers lediglich die Seenotretter von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) angefordert werden. Wasserrettung ist ein Dauerthema: Bislang wurden stets auch zahlreiche Ostholsteiner Feuerwehrleute alarmiert, wobei die Grömitzer Kräfte Anfang April erklärten, dass sie aufgrund eines fehlenden Versicherungsschutzes nicht mehr zur Verfügung stünden. Eben dieser Versicherungsschutz sowie eine damit verbundene klare Regelung, wer auf dem Wasser retten darf, ist seit Jahren Thema in Schleswig-Holstein. Ende April hatte Innenministeriumssprecher Dirk Hundertmark mitgeteilt, dass es kein entsprechendes Gesetz – wie von zahlreichen Rettern gefordertes – geben werde. Stattdessen arbeite man an einer außergesetzlichen Regelung. Zudem hieß es, dass Gemeinden die Wasserrettung an Feuerwehren übertragen dürften und dann auch ein Versicherungsschutz bestehe. Nun wird die Lage im Innenministerium anscheinend anders bewertet, wie aus dem jetzigen Schreiben an die Stadt Neustadt hervorgeht. Die Landes-SPD fordert Klarheit: Unmut bei der SPD-Fraktion im Landtag: „Die Saison fängt an, und als wäre Corona nicht schon schlimm genug, muss man sich jetzt auch noch um die Wasserrettung Sorgen machen. Die Landesregierung darf die Gemeinden in dieser Frage nicht im Stich lassen. Bei der Rettung von Menschenleben zählt jede Minute“, betont Beate Raudies, die feuerwehrpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Die Fraktion hat deshalb einen Antrag bei Barbara Ostmeier (CDU), Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses, eingereicht. Der Punkt „Bericht der Landesregierung zur Befugnis der Kommunen zur Übertragung der Wasserrettung auf Dritte und zur Zuständigkeit der Wasserrettung im küstennahen Bereich“ soll auf die Tagesordnung der Sitzung am 3. Juni gesetzt werden. Neustadts Bürgermeister fürchtet um Sicherheit der Surfer: Dringenden Handlungsbedarf sieht auch Neustadts Bürgermeister Mirko Spieckermann (parteilos). Er spricht von einer unbefriedigenden Situation. „Wir müssen zusehen, wenn etwas passiert“, sagt er und schiebt hinterher: „Wir sind ein touristischer Hotspot und wollen, dass die Wassersportler sicher sind.“ Um seine Feuerwehrleute abzusichern, wurde die Wasserrettung – als Reaktion auf das Schreiben aus Kiel – am 19. Mai im Ausschuss für gesellschaftliche Angelegenheiten neu geregelt, wobei die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung noch aussteht. Demnach dürfen die Rettungskräfte, welche über Boote, Schutzausrüstung und ausgebildete Rettungsschwimmer verfügen, nur noch innerhalb der Gemeindegrenzen auf dem Wasser eingesetzt werden. Wer im Hafen oder im Binnenwasser Hilfe benötigt, den darf die Feuerwehr retten. Wer vor Pelzerhaken in der Ostsee in Not gerät, der muss auf die DGzRS warten. Klaas Raloff, Leiter vom Amt für gesellschaftliche Angelegenheiten der Stadt Neustadt, macht deutlich: Nach der bisherigen Lesart war die Aufgabe der Wasserrettung durch die Übertragung der Gemeinde an die Freiwillige Feuerwehr von der Hanseatischen Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK) versichert. Eben dies sei nun nicht mehr der Fall. Kein Versicherungsschutz für Feuerwehrleute: Genau so versteht auch Christian Heinz, stellvertretender Geschäftsführer der HFUK, die Aussage des Ministeriums. „Aufgrund der Feststellung, dass die Übertragung der Aufgabe Wasserrettung auf der Ostsee an die Freiwillige Feuerwehr nicht rechtmäßig ist beziehungsweise war, ist der Versicherungsschutz grundsätzlich nicht gegeben.“ Somit bleiben nur die Seenotretter, die entlang der ostholsteinischen Küste sechs Rettungseinheiten (Heiligenhafen, Puttgarden, Fehmarn/Großenbrode, Grömitz, Neustadt und Travemünde) stationiert haben. Wobei nur die beiden Seenotrettungskreuzer „Bremen“ und „Hans Hackmack“ rund um die Uhr mit vier Mann besetzt und auslaufbereit sind. „Die Seenotrettungsboote der übrigen Stationen in Ostholstein werden von Freiwilligen gefahren. Diese Rettungseinheiten sind in der Regel weniger als zehn Minuten nach der Alarmierung besetzt und legen ab“, erläutert DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey. DGzRS will im Rahmen ihrer Möglichkeiten retten: Er betont, dass die Seenotrettungskreuzer der Stationen Fehmarn/Großenbrode und Grömitz – sofern sie nicht anderweitig im Einsatz sind – innerhalb kurzer Zeit vor Ort sein könnten. Ob die Wasserrettung nach dem Wegfall der Feuerwehren noch gewährleistet sei, könne die DGzRS nicht beurteilen. „Wir können bestätigen, dass wir regelmäßig im Rahmen der Amtshilfe Wasserrettungseinsätze im Küstenvorfeld fahren. Wir werden dann im Rahmen unserer Möglichkeiten tätig“, sagt Stipeldey. 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Kite- und Windsurfen an der Küste - Wassersportler in Gefahr: Feuerwehren dürfen nicht mehr aus der Ostsee retten