Winter zu warm: Ostholsteiner Gewächshäuser kommen ohne Heizen aus

In den Gartenbetrieben Ostholsteins leuchten Hornveilchen, Stiefmütterchen und Schlüsselblumen um die Wette. Die Pflanzen sind in den Gewächshäusern seit Herbst hervorragend gediehen, ohne dass in ihrer Wachstumsphase mit Wärme und Düngen nachgesteuert werden musste. Auch im Freien schießen überall Frühjahrsblüher aus dem Boden. „Die Natur ist vier bis sechs Wochen weiter als normalerweise“, sagt der Diplom-Meteorologe Dr. Meeno Schrader. Meeno Schrader: Vergangene Wochen waren fünf Grad zu warm: Der Wetterexperte hat schon Knospen an Weidenkätzchen und erste Triebe an Bäumen entdeckt. Kapriolen in der Natur. „Die Vögel sind völlig durchgeknallt“, sagt Schrader. „Ihr Gezeter ist unglaublich.“ Er verweist auf durchgehend zu warme Temperaturen in den vergangenen Monaten. „Der Dezember war drei Grad zu warm, der Januar zwischen 4,8 und fünf Grad, der Februar bis jetzt ebenfalls fünf Grad“, erklärt er. „Die Atmosphäre hat einen Wärmeüberschuss aufgebaut.“ Ein richtiger Wintereinbruch zeichne sich zurzeit nicht ab. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er noch eintrete, schrumpfe Tag für Tag, sagt der Meteorologe. „Wir erleben den Klimawandel in seiner pursten Form.“ Gartenexperten staunen über das frühe Erwachen in der Natur: Die Gartenfachbetriebe in der Region teilen Meeno Schraders Auffassung. Waldemar Andersen, Chef der Firma Andersen Garten- und Landschaftsbau in Oldenburg, staunt, wie früh im Jahr draußen alles erwacht. „Ich bin 65 Jahre alt. So etwas habe ich noch nicht gesehen: Dass selbst Krokusse jetzt in voller Blüte stehen, ist außergewöhnlich“, erzählt er. „Märzbecher sind normalerweise Mitte März zu entdecken. Jetzt blühen sie schon seit zwei Wochen.“ In der Oldenburger Burgtorstraße und im Kremsdorfer Weg hat Andersen sogar bereits Osterglocken gesehen. „Da schimmerten schon die Blütenanlagen gelb durch!“ Sonst seien Osterglocken nicht vor Ende März draußen. „Wenn es noch zehn Tage so bleibt, und Winter ist ja nicht in Sicht, dann blühen die ersten Narzissen voll im Freiland.“ Gärtner mussten bei Frühblühern nicht mit Wärme nachhelfen: Auch Dr. Hans Hermann Buchwald, Inhaber des Buchwald Pflanzencenters in Malente, hat in Sielbeck schon Osterglocken mit „einem leichten Gelb-Touch“ erspäht. „Wir erleben drinnen wie draußen eine frühe Blüte“, sagt er. 130 000 Hornveilchen und Stiefmütterchen haben seine Mitarbeiter im September gesetzt. Das heißt, kleine, zwei bis drei Zentimeter große Pflänzchen einzeln eingetopft. „Sie sind im milden Winter gediehen, ohne dass wir in den Gewächshäusern heizen mussten“, berichtet Buchwald. Auch Waldemar Andersen hat nicht mit Wärme oder Kunstlicht bei den Frühblühern nachhelfen müssen. Das könnte Sie auch interessieren: Mild wie nie im Winter: Was das für die Pflanzen bedeutet Aus Gärtnerei Arndt wird Pflanzencenter Buchwald Milder Winter: Die Salzspeicher sind gut gefüllt Gärtnerin glaubt nicht mehr an Wintereinbruch: Pink- und lilafarbene, rote, gelbe und blaue Primeln, Gänseblümchen, Goldlack und Grasnelken verbreiten in den Auslagen bei Buchwald neben Hornveilchen sowie Stiefmütterchen gute Laune. „So ein Farbtupfer tut doch immer gut“, sagt Gärtnerin Daniela Hoesch (28), die Abteilungsleiterin bei den Beet- und Balkonpflanzen ist. Dass es jetzt noch einen Wintereinbruch mit ordentlichen Minusgraden gibt, glaubt die 28-Jährige nicht. „Höchstens mal kurzfristig zwei, drei Grad minus. Aber das halten die Pflanzen draußen aus.“ Die Kunden hätten auch schon gern im Garten loslegen wollen. „Man merkt, dass es bei ihnen kribbelt“, sagt sie. Narzissen und Tulpen müssen „kaltgestellt“ werden: 750 000 Frühblüher haben die Mitarbeiter des Blumen- und Pflanzenmarktes Erich Rahlf & Söhne in Scharbeutz seit Ende August eingetopft. Narzissen und Tulpen sind zwischenzeitlich in Kühlkammern bei einem Grad Minus eingefroren worden. „Sonst wären sie uns schon durch die Decke geschossen“, sagt Betriebsinhaber Andreas Rahlf. Kalenderwochenweise werden sie jetzt herausgeholt und in Warmhäuser gebracht. Rote und weiße Primeln zu Weihnachten: Hornveilchen und Stiefmütterchen sind auch bei Rahlf ohne zusätzliche Wärme in den Gewächshäusern gewachsen. „Die Heizung hab ich ausgestellt“, erklärt Produktionsleiter Kay Brodersen. Er achte darauf, frühe und späte Sorten einzukaufen und sie so zu timen, dass sie dem Markt und der Nachfrage angepasst sind. „Wir müssen aber auf die Klimabedingungen reagieren und mehr auf späte Sorten setzen“, sagt er. In der Adventszeit hat Andreas Rahlf aus der Not eine Tugend gemacht. Während Primeln eigentlich erst ab Januar in den Verkauf gehen, hat er schon Ende November „voreilige“ rote und weiße Exemplare als Weihnachtsprimeln angeboten. „Das lief prima“, sagt er. Betrüger-Ehepaar: Neue Details und umfangreiche Ermittlungen Einbrüche in Lensahn: 27-Jähriger war seit 2012 aktiv Unfallflucht mit Reue: Geschädigter gesucht Achtung Spähtrupp! Darum verstecken sich Eutiner Soldaten im Wald Auftaktrunde für die Bürgermeister-Kandidaten Rundum-Service für Radfahrer an der Ostsee gestartet Von Ulrike Benthien

Frühlingserwachen - Winter zu warm: Gewächshäuser kommen ohne Heizen aus