Zweitwohnungen in Ostholstein: Wer schon da ist, darf bleiben

Raus aus der schönen Zweitwohnung an der Ostsee: Das gilt seit Montag so eindeutig nicht mehr. Nach einem aktuellen „Klarstellungserlass“ der Landesregierung können Zweitwohnungsbesitzer, die ihre Immobilie in Schleswig-Holstein derzeit nutzen, im Land bleiben. Wer jedoch abreise, werde bis auf Weiteres nicht in seine Zweitwohnung zurückkehren können, heißt es. Und abgereist sind nach der entsprechenden Verfügung des Kreises Ostholstein bis Sonntag offenbar die meisten Zweitwohnungsbesitzer, um damit eine der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu befolgen. Dafür sprechen beispielsweise die Ergebnisse der Kontrollen in Timmendorfer Strand vom Montagvormittag. Straßen, Plätze und Strände lagen still und verlassen im März-Sonnenschein, und auch die Parkplätze vor den zahlreichen Apartment-Anlagen mit Zweitwohnungen in der Gemeinde waren weitgehend leer. Vier Kontrolleure der Gemeinde überprüften Zweitwohnungsstandorte wie das Maritim-Clubhotel in Timmendorfer Strand sowie die Aalbek-Niederung in Niendorf sowie zwei Niendorfer Anlagen. „Es wurden ausschließlich Personen mit Erstwohnsitz in der Gemeinde angetroffen“, bilanziert der Timmendorfer Bürgermeister Robert Wagner. Anwohner meldeten Zweitwohnungsbesitzer aus der Nachbarschaft: Erste Kontrollen habe es nach Angaben Wagners bereits am Sonntag gegeben – nach Hinweisen aus der Bevölkerung. „Über unsere Hotline haben einige Anwohner gemeldet, dass sich in ihrer Nachbarschaft noch Zweitwohnungsbesitzer aufhalten“, berichtet Wagner. „Diesen Hinweisen sind die Mitarbeiter des Ordnungsamtes dann auch nachgegangen.“ Auch auswärtige Auto-Kennzeichen seien gemeldet worden. „Dabei handelte es sich aber meist entweder um Firmenfahrzeuge oder um Autos, die nach einem Umzug nicht umgemeldet worden waren“, erklärt der Timmendorfer Bürgermeister. Triftige Gründe im Sinne des Erlasses der Landesregierung für Neuanreisen zu Zweitwohnsitzen sind: • Die Nebenwohnung wird aus zwingenden beruflichen, gesundheitlichen sowie aus ehe-, sorge- und betreuungsrechtlichen Gründen genutzt. • Verwandte ersten Grades, die Ehegattin, der Ehegatte, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner haben in der Nebenwohnung ihren derzeitigen Aufenthaltsort. • Eine zwingende Betreuung von betreuungs- oder pflegebedürftigen nahen Familienangehörigen in oder bei der Nebenwohnung soll sichergestellt werden. • Es ist eine am Hauptwohnsitz nicht zu gewährleistende Trennung von Personen vorzunehmen, die aufgrund behördlicher Anordnung unter häusliche Quarantäne gestellt wurden. • Es sind zwingende und nicht aufschiebbare Erhaltungs- und Sicherungsmaßnahmen an der Nebenwohnung vorzunehmen. Dies gilt nicht für Renovierungsarbeiten. Einem entspannten Miteinander von Einwohnern und Zweitwohnungsbesitzern sind die aktuelle Lage und die Verfügung jedenfalls nicht zuträglich. In den sozialen Medien haben sich rege Diskussionen ergeben. Die einen fordern weitere Kontrollen, beklagen die angeblich ungebrochene Anwesenheit vieler Zweitwohnungsbesitzer und zählen emsig alle auswärtigen Kennzeichen auf, die sie in den vergangenen Tagen bemerkt haben. Die anderen mahnen, doch niemanden „anzuschwärzen“, und ärgern sich über eine „Hexenjagd“. Anonyme Botschaft unterm Scheibenwischer des Autos: Ein ungutes Gefühl hat beispielsweise seit dem Wochenende ein Hamburger Ehepaar, das eine Zweitwohnung in Gronenberg (Gemeinde Scharbeutz) besitzt. „Wir verbringen seit 40 Jahren einen Großteil unserer Zeit an der Ostsee, fühlen uns hier heimisch“, sagt der Mann. Am Wochenende sei das Paar noch in Gronenberg gewesen, habe die Entwicklung rund ums Thema Zweitwohnungsnutzung aufmerksam verfolgt. „Dann steckte ein Zettel am Scheibenwischer unseres Autos.“ Mehr zum Thema: Gerichtsurteil: Nutzer von Zweitwohnungen müssen abreisen Kreis Ostholstein untersagt die Nutzung von Zweitwohnungen Darauf stand, rot unterstrichen: „Personen, die ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung in Schleswig-Holstein haben, dürfen diese jetzt nicht besuchen.“ Der Verfasser ist anonym geblieben. Das Ehepaar ist am Sonntag zurück nach Hamburg gefahren. „Dass sich da eine Spannung aufbaut, vielleicht sogar eine Atmosphäre des Neides, beunruhigt mich“, erklärt der Mann. Natürlich hätten er und seine Frau überlegt, wer den Zettel platziert haben könnte. Dennoch hofften sie auf ein unverändert gutes nachbarschaftliches Verhältnis in der Zukunft: „Beide Seiten sollten sich doch wohlfühlen.“ Tourismusminister entschuldigt sich für „inakzeptable Ausfälle“: In diese Richtung gehen auch die Mahnungen der Politik. Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) entschuldigte sich sogar „im Namen aller Tourismusakteure im Land“: „Die inakzeptablen Ausfälle einiger weniger Bürger gegenüber den Wohnungsbesitzern sind zutiefst bedauerlich. Sie sollten weder Zweifel an der Gastfreundschaft der Schleswig-Holsteiner noch an dem seit Jahrzehnten praktizierten guten Miteinander mit allen Zweitwohnungsbesitzern aufkommen lassen.“ Im Timmendorfer Rathaus traf dann am Montagmittag die Nachricht ein, die Gemeinden sollten den Vollzug der Allgemeinverfügung zur Zweitwohnungsnutzung einstellen. „Das haben wir natürlich sofort gemacht“, sagt Robert Wagner. Jetzt gilt: Die Landesregierung appelliert an alle Zweitwohnungsbesitzer, auf die Anreise zu verzichten. Wer seine Nebenwohnung jedoch schon bezogen hat, werde diese nicht verlassen müssen, und für Neuanreisen braucht es triftige Gründe. Die Küste ist leer: Kaum noch Menschen in Timmendorf und Grömitz So kommt der Grömitzer Zoo jetzt über die Runden Neue Privatschule nahe Ostholstein geplant Büchereien geschlossen: So kommen die Ostholsteiner weiter an Lesestoff Ratekau will Frösche und Kröten noch besser vor Autos schützen Von Sabine Latzel

Folgen von Covid-19 - Zweitwohnungen in Ostholstein: Wer schon da ist, darf bleiben