1600 Kita-Plätze fehlen in Segeberg: Kreis will Millionen-Paket schnüren

Der Bedarf an Kita-Plätzen ist im Kreis Segeberg weiter ungebremst. Hatte die Verwaltung erst vor drei Jahren 8,5 Millionen Euro für 1000 Kindergartenplätze auf den Weg gebracht, soll jetzt ein mehr als doppelt so großes Paket her. Rund 20 Millionen Euro sind im Gespräch. Der Jugendhilfeausschuss votierte am Dienstag einstimmig für diese Rekordsumme. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass aus dem Fachdienst jemals ein größeres Vorhaben in die Politik eingebracht wurde“, sagte Manfred Stankat, Leiter des Kreisjugendamtes. Die Gemeinden stehen unter Druck. Die Evangelische Kita Kronsheide in Wahlstedt wartet dringend auf einen Neubau. Die Situation in Tangstedt ist angespannt, es gibt eine erhöhte Nachfrage in Sülfeld. Die Kita in Seth platzt aus allen Nähten. Die neue Kita der Lebenshilfe in Bad Segeberg war beim Startschuss im Herbst voll besetzt. Bürgermeister Dieter Schönfeld befürchtete zunächst ein Überangebot. „Doch die Nachfrage ist so gestiegen, dass wir jetzt in Sorge sind, ob wir allen einen Platz anbieten können“, sagte Schönfeld beim Richtfest in der Kaiser-Lothar-Allee. Viele Eltern aus dem Umland würden ihr Kind in Bad Segeberg betreuen lassen. Mangel an Plätzen vermutlich noch höher: Zahlen des Kreises zeigen die Brisanz. Bereits 2017 stellte sich heraus, dass Kommunen bis 2020 insgesamt 1358 weitere Plätze schaffen müssen. Jetzt hat er eine neue Abfrage gestartet. Ergebnis: Bis 2025 fehlen im Kreis 1600 weitere Plätze. Rund 600 in den Krippen und 1000 für Kinder über drei Jahre. „Wenn man diese Werte liest, bekommt man erst mal Angst. Es ist eine wahnsinnig hohe Zahl“, sagt Torben Wenzel, Kita-Fachdienstleiter beim Kreis. Doch wahrscheinlich sei das noch zu kurz gefasst. „Wir laufen dem Trend immer hinterher. Die Zahlen sind eigentlich stets höher gewesen, als im Bedarfsplan vorhergesagt.“ Nicht nur Familien, die nach Segeberg ziehen, sorgen für großen Bedarf. Die Kita-Reform in Schleswig-Holstein verschärft das Problem. Sie tritt ab Januar 2021 in Kraft. Es gelten unter anderem strengere Vorgaben bei der Gruppengröße. Nicht mehr als 20 Kinder sollen betreut werden, ausnahmsweise sind 22 möglich. Bisher galt eine Ausnahme von bis zu 25 Kindern. Starker Zuzug auch außerhalb von Baugebieten: Allein durch diese Gesetzesänderung sind für die Stadt Kaltenkirchen 66 zusätzliche Kitaplätze notwendig, teilt Stadtsprecher Ralf Köhler mit. 100 neue Kita-Plätze seien in Planung, Erweiterungen an drei Kitas würden geprüft. Kosten: rund eine Million Euro. „Es erfolgt weiter ein starker Zuzug nach Kaltenkirchen, auch außerhalb von Neubaugebieten“, so Köhler. Erst im Sommer war dort eine neue Gruppe gegründet worden. Kaltenkirchen sei nicht umsonst die zweitjüngste Stadt in Schleswig-Holstein, sagt Bürgermeister Hanno Krause. „Kein Kind soll unnötig warten.“ Erste Eltern verklagen Kreis auf Schadenersatz: Die ersten Eltern klagen, wenn sie ihr Kind nicht unterbringen können. Seit 2013 gibt es den gesetzlichen Anspruch. In Segeberg gab es bis zum Frühjahr 2019 noch keine Klagen. Inzwischen hat sich das geändert: Es gab neun Klagen vor dem Verwaltungsgericht sowie zwei Eilverfahren. In sechs Fällen musste der Kreis Schadenersatz leisten, teilt die Kreisverwaltung auf Anfrage mit. „In den vergangenen zwölf Monaten hat es insgesamt 31 Anfragen wegen fehlender Betreuungsplätze gegeben“, so Sprecherin Sabrina Müller. In 13 Fällen sei eine Einigung ohne Rechtsverfahren möglich gewesen, fünf Verfahren seien derzeit noch offen. Der Kreis suche hier nach Plätzen. Wo genau geklagt wurde, wollte der Kreis nicht benennen. Fachdienstleiter Wenzel hatte erst am Dienstag die Nachricht über eine neue Klage in Kaltenkirchen erreicht. „Es ist nur einer von vielen Vorfällen, die wir zurzeit auf dem Zettel haben“, sagte er im Ausschuss. Es ist ein Spagat: Für manche Gemeinden hat der Kita-Ausbau Vorrang, für andere sind andere Projekte zunächst wichtiger. Unabhängig davon landen die Klagen jedoch beim Kreis. Man wolle keinen Keil zwischen Gemeinden und Kreis treiben, sagte Manfred Stankat. „Sie als Politiker tragen dazu bei, indem sie Fördermittel bereitstellen.“ Denn fehlende Gelder seien ein großes Hemmnis für die Gemeinden. Die Entscheidung fiel einstimmig. Der Kreistag entscheidet in letzter Instanz über das Förderprogramm. Die Sitzung soll am 3. Dezember stattfinden. Von Irene Burow