Ärger um kaputte Straßenlampen: „Bad Segeberg wird im Stich gelassen“

Elf Tage mussten die Anlieger des Wohngebietes zwischen Dorfstraße und Ihlsee für die abendliche Runde um den Block eine Taschenlampe mitnehmen. Die komplette Straßenbeleuchtung hatte ihren Dienst aufgegeben. Weil die Stadtverwaltung wegen der Feiertage nicht besetzt war, konnte eine Reparatur erst nach vielen Tagen Dunkelheit beauftragt werden. „Bad Segeberg wird im Stich gelassen“, sagt Elektromeister Reinhard Schweim kopfschüttelnd. Am 23. Dezember wurde es stockduster im Wohngebiet des 1937 eingemeindeten Ortsteils Klein Niendorf. Nach den Weihnachtsfeiertagen wurde der Schaden kurzzeitig behoben. Die „Erleuchtung“ jedoch währte nicht lang. Zum Jahreswechsel standen die Anwohner erneut im Dunkeln und klingelten bei Elektromeister Reinhard Schweim Sturm, dessen Firma 2018 mit der Wartung der Straßenbeleuchtung beauftragt war. Firma Pohl aus Hohenweststedt bekam den Zuschlag: Schweim hätte den Schaden zwar auch an den Feiertagen repariert, durfte aber nicht, denn nach einer beschränkten Ausschreibung hatte die Stadt die Wartungsarbeiten am 1. März 2019 an die Hohenweststedter Firma Holsteiner Kabel- und Leitungsbau Willi Pohl GmbH & Co. KG vergeben. Ist Reinhard Schweim sauer, weil ihm Willi Pohl den Auftrag weggeschnappt hat? „Darum geht es nicht. Ich bin in Rente, habe mein Auskommen. Es geht darum, dass solche Arbeiten bei den örtlichen Handwerksunternehmen bleiben sollten. Sie kennen jede Schaltstelle und sämtliche Begebenheiten und können schnell eingreifen, wenn etwas kaputt geht. Wenn Not am Mann ist, helfen sich die Handwerksunternehmen auch gegenseitig. Aber dafür muss eine Stadt auch zu uns stehen, gerade jetzt in der schwierigen Zeit der Pandemie“, sagt Reinhard Schweim. Hamburger Lichtplaner bereitete Ausschreibung vor: Über viele Jahre hatte die Segeberger Firma Baer die Straßenbeleuchtung in Bad Segeberg gewartet. Als die Firma ziemlich plötzlich zum 31. Dezember 2017 ihren Betrieb einstellte, erhielt Elektro Schweim kurzfristig den Auftrag, die Wartung der Straßenbeleuchtung für ein Jahr zu übernehmen. Parallel dazu beauftragte die Stadt Bad Segeberg ein Hamburger Studio für Lichtplanung mit der Vorbereitung einer beschränkten Ausschreibung zur Vergabe eines dreijährigen Wartungsvertrages. Nach LN-Informationen wurden neben Elektro Schweim ein Handwerksbetrieb aus Kaltenkirchen und die Holsteiner Kabel- und Leitungsbau Willi Pohl GmbH & Co. KG aus Hohenweststedt aufgefordert, ein Angebot abzugeben. Gleich zwei Angebote hatte zudem die Spie SAG GmbH, ein Unternehmen mit 15 000 Mitarbeitern und Servicebüro in Rendsburg, abgegeben. Willi Pohl war der günstigste Bieter und erhielt den Zuschlag für drei Jahre. Die alten Zeiten sind vorbei: Damit waren die „guten alten Zeiten“ vorbei, in denen Bürger Mängel teilweise direkt bei den Firmen Baer oder Schweim gemeldet haben, oder Mitarbeiter mit offenen Augen durch Bad Segeberg gefahren sind und Defekte direkt beseitigt haben. „Elf Tage ohne Straßenbeleuchtung hätte es wahrscheinlich nicht gegeben, wenn eine ortsansässige Firma mit der Wartung beauftragt worden wäre“, ist Stadtvertreter Michael Ehlers (CDU) überzeugt. „Das hätte man einfach kurz überbrücken können. Um den Auftrag hätte man sich später gekümmert. Die Hauptsache ist doch, dass die Straßenbeleuchtung wieder brennt und sich niemand die Beine bricht“, glaubt Reinhard Schweim. „Lokales Engagement lässt sich nicht bewerten“: Dass eine örtliche Firma Vorteile hätte, stellt auch Tiefbauer Robin-Arne Otten nicht in Abrede: „Ortskenntnisse und lokales Engagement können sicherlich sinnvoll sein, aber beides lässt sich nicht bewerten. Für uns gilt die Vergabeordnung. Da sind uns die Hände gebunden.“ Dass mit einer kurzen Unterbrechung ein ganzer Ortsteil elf Tage im Dunklen stand, ist einer Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände geschuldet: Es war nicht bekannt, ob die Firma Pohl einen Notdienst hat und die Verwaltung, die das Unternehmen hätte beauftragen können, war wegen der Weihnachtsfeiertage und dem Wochenende mehrere Tage am Stück nicht besetzt. Notdienst-Nummer von Pohl liegt bei der Polizei: „Auch das geht doch nicht. Da hätte doch jemand auch am Wochenende reagieren müssen“, ist Reinhard Schweim überzeugt. Bauamtschefin Antje Langethal bedauert: „Für Notfälle gibt es die Feuerwehr und die Polizei. Eine Rufbereitschaft der Verwaltung gibt es auch in anderen vergleichbaren Städten und Gemeinden nicht. So einfach ist das im öffentlichen Tarifrecht nicht.“ Lesen Sie auch Hat Winnetou Corona? Alexander Klaws wartet aufs Testergebnis Dennoch hat die Stadt vorgesorgt, dass Bad Segeberg über einen so langen Zeitraum nicht wieder zum Tal der Dunkelheit wird. Robin-Arne Otten: „Die Polizei hat die Telefonnummer des Notdienstes der Firma Pohl erhalten. Sollte ein solcher Fall noch einmal auftreten, kann sie für Abhilfe sorgen.“ Von Petra Dreu