Bad Segeberg: FDP kritisiert Blockade der B 206 durch Extinction Rebellion

Die Straßenblockade vor Extinction Rebellion ruft die FDP auf den Plan: Umweltschutz ja, aber nicht voreilig oder gar vorbei an Gesetzen, kritisiert Anna-Patricia Thomsen. Die Stadtvertreterin sieht die Demokratie und den Rechtsstaat ausgehebelt, würde man alles dem Klimawandel unterordnen. Das ist das Ziel von Extinction Rebellion (XR). Die Aktivisten fordern energischeres Handeln, gerade auch durch das Bekenntnis zum von der Stadt selbst ausgerufenen Klimanotstand in Bad Segeberg vor zwei Jahren. „Die aktuelle Blockade trägt nicht zu einem besseren Klimaschutz bei, ganz im Gegenteil: Die Debatte könnte eskalieren“, befürchtet Thomsen. XR hatte am Freitag auf der stark befahrenen Bundesstraße 206 Autofahrer erneut minutenlang am Weiterkommen gehindert. „Den Klimanotstand in Bad Segeberg ausgerufen zu haben, bedeutet nicht, dass man über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden kann“, argumentiert die Kommunalpolitikerin. Das sei „zutiefst undemokratisch“. Die Möglichkeiten müssten diskutiert, Klimaschutzmaßnahmen finanzierbar sein und die gesamte Bevölkerung mitgenommen werden. Extinction Rebellion: „Die Politik handelt nicht“: Extinction Rebellion widerspricht: „Wir wissen, dass wir einige Bürgerinnen durch die Aktion verärgert haben. Dafür entschuldigen wir uns. Es scheint jedoch unablässig, Aufrufe zum Handeln durchzuführen“, erklärt XR-Sprecherin Iris Ulrich-Brandt. „Unsere Kritik ist und bleibt: Sie, die Politik, handelt nicht. Im Moment sind nicht einmal Sitzungen. Dabei ist es Ihr demokratisches Recht, Sitzungen unter Corona-Hygienebedingungen abzuhalten und dies ist auch möglich, corona-konform im Bürgersaal oder online.“ Die Aussage, es gäbe keine wichtigen Entscheidungen zu treffen, sei fahrlässig. „Wir haben nur noch ein kleines Zeitfenster, in dem wir das Leben der kommenden Generationen von Mensch und Tier in vorhandener Form bewahren können.“ Dringliche Beschlüsse für die Stadt wären aus Sicht der Protestler zum Beispiel, Bäume zu erhalten. Wie bei der Umgestaltung des Marktplatzes, im Ihlwald, in der Viktor-Böhm-Siedlung in der Südstadt. Dringend nötig hätte Bad Segeberg demnach auch ein neues Verkehrskonzept; eine Ausweitung des Stadtbusses oder ein Radwegekonzept. Ein Klimakonzept insgesamt wäre ein Anfang, weniger Beton bei Bauvorhaben, dafür mehr Grün. Klimaschutz kein Notfall: „Uns sind die Hände gebunden“: Laut Thomsen könne von Untätigkeit keine Rede sein. Einerseits würde die Stadtvertretung ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit in ihren Beschlüssen berücksichtigen. Andererseits würde Corona die Lage verschärfen: „Die Gremien sollen nur in Notfällen tagen, also wenn sofortige Entscheidungen dringend notwendig sind. So lange das nicht vorliegt, haben wir keinen Notfall“, so die Stadtvertreterin. „Uns sind die Hände gebunden.“ Seit Januar herrscht politisch tote Hose in Bad Segebergs Rathaus. Der BBS und die Grünen hatten Anfang Februar bereits Online-Sitzungen für die städtischen Gremien angemahnt. Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD) hat jedoch rechtliche Bedenken. Für die Politik ist das Neuland. Doch andere machen es bereits vor: Das Land hat durch das „Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften“ im September 2020 extra den Weg für Videokonferenzen geebnet. Der Kreis Segeberg will ab dieser Woche online tagen, auch Kaltenkirchen geht diesen Weg. Die Lübecker Bürgerschaft hat jüngst den Weg frei gemacht für Online-Sitzungen – als letzte Stadt in Schleswig-Holstein. Reihe von Sondersitzungen im Sommer? „Ich bin sehr gespannt, wie dabei jeweils der Notfall begründet wird und wie die Kommunalaufsicht reagiert“, sagt Anna-Patricia Thomsen. Gleichwohl sieht Bad Segebergs FDP-Stadtvertreterin den Stillstand im Allgemeinen nicht unkritisch. „Wir haben im vergangenen Jahr schon rund 60 Tagesordnungspunkte verschieben müssen. Die vom Januar, Februar und März kommen oben drauf. Das werden dann weit über 100 Themen, die nicht entschieden wurden. Und neue Dinge laufen auf.“ Zuletzt seien Entscheidungen schon en bloc verabschiedet worden, der eine oder andere Redebeitrag abgewürgt. Kritik sei in mancher Hinsicht also durchaus berechtigt. Und: „Wir werden an Sondersitzungen in diesem Sommer wohl kaum vorbeikommen.“ Von Irene Burow