Bad Segeberg: Er ist der Herr der Weihnachtslichter

Wer Reinhard Schweim in diesen Tagen sucht, findet ihn wahrscheinlich in der großen Lagerhalle von Elektro Schweim an der Eutiner Straße. Dort steht er mit seinem Werkzeug an einem kleinen Tisch, überprüft Hunderte Meter von Leitungen, tauscht alte Fassungen oder kaputte Lampen aus. Obwohl er das eigentlich nicht mehr machen müsste, denn Reinhard Schweim ist jetzt 66 Jahre alt. 38 Jahre hat er den Betrieb geführt und dann vor ungefähr zwei Jahren an einen Nachfolger übergeben. Aber Reinhard Schweim bereitet auch nicht irgendwelche Lampen vor, sondern die Weihnachtsbeleuchtung für Bad Segeberg. Die liegt ihm ganz besonders am Herzen. Zum einen weil er zweiter Vorsitzender des Unternehmervereins „Wir für Segeberg“ (WfS) ist, der die Beleuchtung jedes Jahr organisiert. Aber noch viel mehr, weil sie Teil seiner Familiengeschichte ist. Der 66-Jährige half schon als Kind bei der Weihnachtsbeleuchtung: Traditionell teilen sich mehrere Elektrofirmen die Arbeit auf, wenn es darum geht, Bad Segeberg im Winter in einen leuchtenden Glanz zu hüllen. Jeder kümmert sich um bestimmte Straßenzüge. Elektro Titel ist dabei, Elektrotechnik Offermann und eben Elektro Schweim, alle aus Bad Segeberg. Und Schweim macht sogar von Anfang an mit, die Firma gibt es schon seit 1912. Und als es mit der Weihnachtsbeleuchtung wahrscheinlich um 1960 herum losging, war es Reinhards Vater Bruno Schweim, der sich darum kümmerte. „Ich erinnere mich, dass ich schon als Kind mitgeholfen habe“, erzählt der heutige Senior, dessen Sohn auch wieder in der Firma arbeitet. Mit Dachlatten fing alles an: Reinhard Schweim geht zu einem Ordner mit alten Bildern und Zeitungsausschnitten. Er holt ein paar Schwarzweißfotos heraus, auf denen das Ladengeschäft seines Vaters und daneben der Laden „Heinz Pieper, feine Fleisch- und Wurstwaren“ zu sehen ist. Über den Eingängen hängt eine Reihe Lichter. „So hat mal alles angefangen, damals hatten die Geschäfte eine Dachlatte, auf die Fassungen montiert waren. Die haben sie von dem Gärtner ihres Vertrauens mit Tannenzweigen umwickeln lassen und der Elektriker hat sie dann über den Eingängen an die Häuserwände geschraubt“, sagt Schweim. Irgendwann in den 60er-Jahren seien dann auch die ersten Überspannungen über der Straße gekommen. Schweim hat einen alten Zeitungsausschnitt mit den ersten Fotos der Beleuchtung. Unter dem Bild schrieb die Zeitung damals: „So zeigt sich Bad Segeberg im leuchtenden Festschmuck der Weihnachts-Vorfreude.“ Auf dem Foto sind auch weiße Glocken zu erkennen. „Die existieren heute noch“, erzählt Schweim und zeigt unter die Hallendecke, wo tatsächlich noch ein paar der über 50 Jahre alten Styroporglocken hängen. Lampen sind heute robuster: Schweim prüft, ob an den Weihnachtssternen alle Lampen leuchten. Das ist heute einfacher als früher. „Damals mussten wir pro Saison bestimmt 800 der empfindlichen Glühlampen austauschen, heute sind das vielleicht noch 20“, erzählt der 66-Jährige. Benutzt werden heute auch keine Glühlampen mehr, sondern warmweiße LED-Tropfenlampen. Aber auf jeden Fall Lampen. „Sagen Sie nicht Birnen, die gibt es auf dem Wochenmarkt“, sagt der Meister mit einem Schmunzeln. Auch die Leitungen sind nicht mehr ganz so brüchig seit vor ein paar Jahren sehr viele Meter ausgetauscht wurden. Davor gab es sogar noch ein paar uralte Leitungen. Schweim lächelt, als er sich an eine alte Geschichte erinnert. Damals hatte noch die Post bei der Weihnachtsbeleuchtung mitgemacht. Eines Tages bekam Schweim einen Anruf des Postbeamten. „Herr Schweim, Ihre Weihnachtsbeleuchtung brennt.“ „Ja, das soll sie ja.“ „Aber sie brennt lichterloh.“ Tatsächlich sei die Leitung so trocken gewesen, dass sie angefangen habe zu schmoren. „Tja, und dann brennt die auch schon mal“, sagt der Elektriker. Nicht alles ist heute besser: Doch nicht alles ist heute besser. Es gefällt Schweim nicht, dass der Unternehmerverein heute überall um Spenden werben muss, um die Beleuchtung zu finanzieren. Dieses Jahr werden sogar Spendendosen aufgestellt, weil die Unternehmer durch die Corona-Krise selber nicht so viel Umsatz gemacht haben. „Ich mag nicht betteln“, sagt der 66-Jährige. Früher hätten die Geschäftsinhaber unterschrieben, dass sie sich beteiligen und dann eine normale Rechnung gekriegt. „Das funktioniert heute nur nicht mehr, weil es ja immer weniger inhabergeführte Geschäfte gibt“, bedauert der Elektriker. Viele Geschäfte seien Filialisten und da säßen die Chefs weit weg und hätten wenig Bezug zur Stadt. Elemente werden bald montiert: In den nächsten Tagen, wenn das Wetter gut ist, werden die Beleuchtungselemente in den Straßen Bad Segebergs aufgehängt. Auch da ist der Senior dabei. Am meisten freut er sich auf das Weihnachtsmannwecken, wenn traditionell am Sonnabend vor dem ersten Advent unter dem Jubel der Bad Segeberger der Weihnachtsmann das Licht anschaltet. Leider wird das dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie nur digital stattfinden können. Aber Schweim hat ja die Erinnerungen an viele Jahre. „Ich fand es immer toll, wie die Kinder alle staunen. Das ist ein besonderer Moment, wenn sie hoch gucken und das Licht angeht“, sagt Schweim, „und deswegen bin ich weiter dabei.“ Von Sven Wehde

Bad Segeberg: Reinhard Schweim - Der Herr der Weihnachtslichter