Bad Segeberger Schützenhof-Anlieger entsetzt: Was kommt da auf uns zu?

Das früher noch dörflich geprägte Bild des Bad Segeberger Stadtteils Klein Niendorf droht in wenigen Jahren zerstört zu werden. Die Stadt Bad Segeberg plant im Mittelpunkt der Siedlung einen Bebauungsplan 101 mit großen Wohnblöcken auf dem Areal des für den Abriss vorgesehenen Schützenhofs von 1806. Auch auf dem noch unbebauten Hinterland des alten Gasthofes sollen Wohnblöcke ermöglicht werden. Insgesamt sind es vier mit Stichstraße, Carportanlagen und Wendehammer. Noch steht ein Baubeginn für den Investoren nicht fest. Durch die Corona-Pandemie musste die frühzeitige Bürgerbeteiligung als Präsenz-Veranstaltung verschoben werden. Erst danach wird das eigentliche – vermutlich noch langwierige – Bauleitverfahren beginnen. Bis zu neun Meter tiefe Pfahlgründungen: Keiner der Anlieger konnte sich bislang vorstellen, dass westlich der Eigenheime am Kühneweg sowie östlich der Koppel zwischen Dorfstraße und Hamdorfer Weg wegen des hohen Grundwasserstandes und mooriger Böden überhaupt Bebauung möglich ist. Doch das scheint technisch bei hohen Bodenpreisen heutzutage kein Problem zu sein: Nach einem Gutachten können dort schwere Wohnblöcke mit Hilfe von bis zu neun Meter tiefen Pfahlgründungen und mit massiven Bodenaustausch gebaut werden. Der Gutachter empfiehlt „Aufschlussbohrungen“ bis zu 15 Metern Tiefe und die Untersuchung des Grundwassers auf „Beton- und Stahlaggressivität“. Stadtvertreter haben hier das Sagen: Das klingt alles nicht gerade nach klimafreundlichen und ökologischen Häusern, eher nach Brachial-Bauweise. Hier wird offenbar auf den Klimakiller Beton gesetzt. Die Anlieger, die sich die Pläne inzwischen bei der Stadt besorgt haben, sind empört über das Ausmaß und die Vorstellungen des Investors. Doch die Rahmenbedingungen der Bauleitplanung setzt die Stadtvertretung. Bauausschussvorsitzender Wolfgang Tödt (BBS) zeigt sich kritisch. Er sehe zwar ein, dass die Grundbesitzer „gutes Geld verdienen wollen“, aber hier sei das „Lied noch nicht gesungen“, versprach er. Er könnte sich in dem Gebiet auch Mini-Eigenheime, sogenannte Tiny-Häuser vorstellen. Es dürfe nicht sein, dass die Verwaltung nur an die Interessen der Investoren denke. Hier wäre Gelegenheit, „Grundsätze des ökologischen Bauens und des Klimaschutzes bei der Bauleitplanung mehr in den Vordergrund zu stellen“. Tödt sei dafür, Häuser klimaneutral zu errichten und mit Energie aus nachwachsenden Rohstoffe zu versorgen. Wie berichtet hatten schon im Spätsommer bestürzte Anlieger am Kühneweg und in der Dorfstraße im Vorfeld der Planung mehr Informationen durch die Stadtverwaltung angemahnt. Familie Wernicke hat sich nun schon in die Materie eingearbeitet. „Gerechnet haben wir anfangs mit 47 Wohneinheiten, jetzt sollen es sogar 57 Wohnungen in vier Wohnblöcken sein“, sagt Rainer Wernicke. Das größte Haus könnte fast 14 Meter hoch werden und die Eigenheimsiedlung überragen. „Die Stichstraße würde mit drei Metern Abstand direkt an unserem Haus vorbeiführen.“ Extrem hoher Wasserstand im Boden: Wernicke: „Unser Eigenheim wird um 67 Prozent von Nachbar-Bauten überragt, damit haben wir im schlimmsten Fall nicht gerechnet.“ Laut Gutachter seien im Plangebiet überwiegend sandige Boden-Verhältnisse, die in unterschiedlichem Maße von Torfresten, Schluff oder Mudden durchzogen sind.“ Im Bereich der Bestandsbebauung, also dem heutigen Gasthof und den Anbauten, sei „von stark gestörten Bodenfunktionen“ auszugehen. Im Rahmen der Bodenuntersuchungen sind Grund- und Stauwasserstände zwischen ein bis zwei Metern unter Geländeoberkante angetroffen worden. Das seien doch alles keine Bedingungen für große, schwere Betonbauten, sind die Wernickes überzeugt. Zumal die Anlieger bei den vom Gutachter angekündigten „Rammsondierungen“ und möglichen Grundwasserabsenkungen spätere Schäden an ihren Häusern befürchten. Nachbarn hoffen auf Toni Köppen: Sie hoffen jetzt auf Bad Segebergs neuen Bürgermeister Toni Köppen, der sich im Wahlkampf bei den Anliegern vor Ort kundig gemacht hatte. Köppen tritt sein Amt im Juni an und könnte die Pläne dann noch ändern. Noch seien auch nicht alle Gutachten für das Bauvorhaben freigegeben. Wernicke: „Hier werden 90 Prozent der Flächen versiegelt. Dabei gilt in Bad Segeberg der Klima-Notstand.“ Die Nachbarn in der Gegend hätten nichts gegen Häuser in der Nachbarschaft, aber was da jetzt an Plänen vorliege, zeige alles andere als eine kleinteilige Bebauung. „Warum werden dort nicht Reihenhäuser gebaut?“ Das wäre etwas für Familien „und genau für diese brauchen wir jetzt in Bad Segeberg Wohnraum“, sind die Wernickes überzeugt. Von Wolfgang Glombik