Bad Segeberger über das Millionen-Geschäft mit den Masken

Lars Thomsen legt empört das Telefon auf. Der sonst eher besonnene Einkäufer für medizinische Produkte in den Segeberger Kliniken ärgert sich über einen Lieferanten für Atemschutzmasken. „Wie kann man nur so daherreden und sich auf die freie Marktwirtschaft berufen, wenn Restaurants schließen, Ferieninseln abgeriegelt werden und die Wirtschaft den Bach runtergeht. Unglaublich!“ Sieben Euro verlangt die Firma für einfache Atemschutzmasken, die vor der Corona-Krise noch für 54 Cent zu bekommen waren. Dabei ist nicht mal klar, ob die Ware CE-zertifiziert ist. Kernproblem seien die Masken der FFP-Schutzstufe 2. „Ausverkauft“, meint Thomsen. Wucherpreise und falsche Zertifikate: So wie dem Einkäufer geht es derzeit vielen Ärzten, Pflegedienstleistern und Kliniken. Wucherpreise, falsche Etikettierungen, fragwürdige Zertifikate: Einfache Wegwerfmasken sind zu wertvollen Produkten geworden und damit auch dem Missbrauch ausgesetzt. Händler, die jetzt liefern können, machen Millionen-Umsätze. Das bleibt nicht ohne Folgen. Betrüger und Laien versuchen massiv, in den Markt einzusteigen. „Da gibt es Zertifikate für Schutzmasken von Instituten, die eigentlich Automobilteile zertifizieren oder Verpackungen, auf denen gar keine Haftungsadresse steht. Ein Fest für die Abmahnanwälte“, sagt Patrick Burwitz, Geschäftsführer der Hellocustoms GmbH aus Bad Segeberg. Der 38-Jährige war früher Zollbeauftragter, bis er sich mit seiner Expertise selbstständig gemacht hat. Er gründete das Unternehmen, das seine Kunden bei Direktimport, Inverkehrbringen und der korrekten Zollabfertigung unterstützt. Kaum Platz für Luftfracht: Grund für den Boom ist zum einen natürlich die explosionsartig gestiegene Nachfrage. Doch das ist nur ein Aspekt von vielen. In Europa gibt es kaum Hersteller, China ist die große Werkbank der Welt für Wegwerfprodukte wie einfache OP-Masken. Doch auch in Fernost standen viele Produktionen durch die Corona-Krise still. „Jetzt laufen die Produktionsbänder wieder auf Hochtouren und stellen eine Maske in weniger als einer Sekunde her. Aber wir müssen die Produkte ja auch hierher kriegen“, sagt der 38-Jährige. „Was viele nicht wissen, ist, dass ein großer Teil der Luftfracht in den Bäuchen der Passagierflieger transportiert wird, die sind ja mit den Reisekoffern längst nicht voll. Das macht die Luftfracht nicht nur schnell, sondern auch preislich attraktiv, weil die Reisenden einen großen Teil der Kosten über die Flugtickets zahlen.“ Doch wenn touristische Reisen wegfallen und Flugzeuge am Boden bleiben, sinkt der Platz für Luftfracht. „Schiff und Bahn sind bei Masken keine Alternative, das dauert einfach zu lange“, sagt Burwitz. Außerdem steige natürlich der Preis, wenn Platz für Frachtgüter knapp wird. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Produktionskosten steigen: „Auch die Preise für die Rohstoffe sind aufgrund der hohen Nachfrage natürlich gestiegen“, sagt Burwitz. Viele Preise seien dennoch reiner Wucher, bei dem skrupellose Geschäftemacher versuchten, in kurzer Zeit richtig viel Geld zu verdienen. „Ich habe schon Preise zwischen drei und sieben Euro pro Maske gesehen. Ich würde jedem raten, für einen einfachen OP-Mundschutz nicht mehr als einen Euro das Stück zu zahlen“, sagt Burwitz. Der Unternehmer kennt die wahren Kosten, denn vor wenigen Wochen ist er aufgrund seiner engen Kontakte nach China selbst zum Importeur geworden. In nur zwei Tagen legte er mit seinem chinesischen Partner ASTTC Limited die Internetseite Virusbedarf.de auf. Schon nach wenigen Tagen habe er jegliche Werbung eingestellt, weil die Masken bereits millionenfach bestellt worden seien. Kunden vertrauen lieber einer deutschen Firma: „Am Donnerstag ist die erste Lieferung von 200 000 Masken in Frankfurt angekommen und wird jetzt ausgeliefert“, sagt der Unternehmer. Die Käufer müssen in Vorkasse gehen. „Der Betrag wandert auf das Geschäftskonto von Hellcostums und von dort weiter zum Hersteller Suzhou Core Clean nach China. Dann werden dort die Produktionsbänder angeschmissen“, sagt Burwitz. Das erfordert viel Vertrauen – und zeigt, wie groß der Druck im Markt ist. „Die Kunden vertrauen aber lieber einer deutschen GmbH, als dass sie direkt in China bestellen. Ich kenne auch Fälle, da wurden Hundertausende Euro direkt nach China überwiesen, und die Masken kamen nie hier an. Das Geld sehen sie nie wieder“, sagt Burwitz. 300 000 Masken am Tag: Bis zu 300 000 Masken könne der chinesische Hersteller des Bad Segebergers am Tag produzieren. „Über einen Partner in Fernost und dessen chinesische Ehefrau, die selbst Geschäftsfrau ist, ist es gelungen, den Produzenten Suzhou Core Clean exklusiv für uns zu gewinnen. Wir nehmen die komplette Produktion ab“, berichtet Burwitz. Die Zahlen lege er offen, weil er sich über den Wucher mit Hilfsgütern ärgere. „Die Produktion einer einfachen OP-Maske kostet weit unter einem Euro, selbst unter Berücksichtigung von Logistik und Einfuhrkosten wie Zölle und Steuern sollte der Preis beim Endkunden also nicht über einem Euro liegen“, sagt Burwitz. Der Bad Segeberger bietet die Masken seinen Kunden je nach Bestellmenge für einen Preis zwischen 45 und 70 Cent an. „Da verdienen wir wirklich nur drei Prozent vom Einkaufspreis“, sagt der Importeur. Die Kunden seien oft Kliniken und andere Großverbraucher, da fangen selbst die kleinen Bestellmengen erst bei 100 000 Stück an. „Wiederverkäufer, die die Ware teuer weiterverkaufen wollen, beliefert wir nicht“, verspricht Burwitz. Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Weitere Lockerungen: Schleswig-Holstein öffnet Tierparks und Einkaufscenter Diese Großveranstaltungen fallen im Norden aus So fährt Schleswig-Holstein ab 4. 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Corona - Das Millionen-Geschäft mit den Schutzmasken