Bad Segebergs Bürgermeister redet mit Klima-Rebellen

Friedlich, zivil und manchmal ungehorsam: Das ist nach eigenen Angaben die Strategie von den Klimaaktivisten von „Extinction Rebellion“ gegen die Klimakatastrophe. Die Gruppe der Aktivisten, von denen die wenigsten direkt aus Bad Segeberg stammen, sorgt seit Monaten für erhebliche Unruhe in der Kreisstadt. Nachdem sie im November mit einer überfallartigen Besetzung des Bürgersaals bei einer Stadtvertretersitzung für Wut, Angst und Ablehnung bei den Stadtpolitikern gesorgt hatten, versuchen sie jetzt die Politik durch eher sanftere Maßnahmen auf Klimaschutz aufmerksam zu machen. Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD) ist jetzt sogar bereit, in den Dialog mit der Gruppe zu treten. Auf eine Anzeige wegen der Kreide-Sprühaktion vor dem Städtischen Gymnasium verzichte die Stadt, sagte er am Dienstag in der Stadtvertretersitzung. Rebellen befolgten Corona-Regeln vorbildlich: Mal wütend, mal geduldig abwartend, mal amüsiert – die Reaktionen gab es Dienstag bei den Pendlern auf der Bundesstraße 206. Wie berichtet wurde die von den Behörden genehmigte Blockade-Aktion „deeskalierend“ von der Polizei begleitet, die mit der straffen Demo-Organisation von Tom Wilderland, Kopf der Gruppe, sichtlich zufrieden schien. Die Regeln wurden von den 30 Protestlern penibel befolgt, die Flyer bei wartenden Autofahrern sogar vorbildlich mit Handschuhen und Mund-Nasen-Schutz verteilt. Wilderland, schon im Rentenalter, führte die bunte Truppe an und gab per Megafon die Kommandos. Nach der ersten Straßenbesetzung wurden die Teilnehmer von ihrem „Trainer“ gleich zur Manöverkritik an den Rand der Straße gebeten. Ein straffes Regiment: Ihnen wurde auch ausdrücklich untersagt mit der Presse zu reden. Dafür gebe es eine Pressesprecherin. Diese Rolle hat übrigens Iris Ulrich-Brandt übernommen. Sie saß früher für die FDP in der Stadtvertretung, zählte vor zehn Jahren eher zu den konservativen Hardlinern, die zum Beispiel gegen die Rebellen vom damaligen Jugendzentrum HaK eine resolute Haltung zeigten. Nun ist sie selbst rebellisch. BBS will Kreide-Graffiti nicht tolerieren: Bad Segebergs Politiker sind nicht alle für einen Schmusekurs gegenüber den Klimaaktivisten zu haben. Auch wenn Bad Segeberg den Klimanotstand ausgerufen hat. „Kreidesprühereien und andere Graffiti auf öffentlichen Flächen sind aus Sicht der BBS-Fraktion nicht zu tolerieren“, kritisiert zum Beispiel BBS-Fraktionsvorsitzender Jürgen Niemann per Mail. Er fordert die Stadtvertreter auf, hier zu reagieren. Bürgermeister Schönfeld indes habe selbst nie die Absicht gehabt, sich „den Anzeigen von Privatpersonen anzuschließen“. Wie berichtet hatte „Extinction Rebellion“ auch schon bei Bad Segebergs Supermarkt-Betreibern mit Sprühkreide auf deren Privatgelände für Verdruss gesorgt. Es sei nicht in Ordnung, Straßen und Plätze zu verunzieren. Das habe auch den Bauhof zusätzliche Arbeit gemacht, bis zu 500 Euro Arbeitskosten. Schönfeld: „Ich weiß nicht, ob es dem Klima hilft, wenn die Sprühkreide dann in der Kanalisation landet.“ Schönfeld sei aber grundsätzlich zu Gesprächen mit Vertretern von Extinction Rebellion bereit. Tom Wilderland stellte sich in der Einwohnerfragestunde als „Neubürger“ der Stadt vor, dankte dem Bürgermeister artig, dass dieser ein offenes Ohr für sie habe. Die Corona-Krise sei nur „ein kleiner Vorgeschmack“, was uns mit der Klimakatastrophe erwarte. „Die Zeit drängt.“ Er möchte in einer Sondersitzung der Stadtvertretung zum Thema Klimaschutz Wissenschaftler einladen. Schönfeld stellt aber klar, dass dafür die Stadtvertretersitzung nicht geeignet sei. Ein Rederecht für Aktivisten sehe die Gemeindeordnung nicht vor. Er plädiere für eine Einwohnerversammlung. Da könnten alle Einwohner mitreden, auch Anträge stellen. „Wir wollen ja mit Ihnen in Dialog treten.“ Lesen Sie auch: Bad segeberg: Strafanzeigen gegen Extinction Rebellion „Extinction Rebellion“ kapern Stadtvertreter-Sitzung in Bad Segeberg – LN - Lübecker Nachrichten Von Wolfgang Glombik

„Extinction Rebellion“ - Bürgermeister will mit Klima-Rebellen reden