Bienensterben abgewendet: Segebergs Imker melden Erholung ihrer Völker

Eines ist klar, da legen sich Segebergs Imker fest. An ihren Schützlingen liegt es nicht, wenn die Äpfel zum Kummer mancher Hobbygärtner mancherorts so spärlich wie sonst nie an den Bäumen hängen. Die Bienen waren fleißig, es gibt auch landesweit genügend Völker. Doch da Spätfröste in diesem Jahr die Obstblüte beeinträchtigten, und die Bestäubung erst ab 12 Grad Celsius funktioniere, könne es hier und da schon Einschränkungen gegeben haben, berichtet zum Beispiel der Vorsitzende vom Segeberger Imkerverein, Herbert Gernandt. Kaum ein grünes Thema berührte die Gesellschaft seit über zehn Jahren so sehr wie das Wohlergehen der Bienen. Nach dem „Bienensterben“ war auch das wissenschaftlich belegte Insektensterben in aller Munde. Da liegt es nahe, besorgt zu fragen: „Segebergs Imker, wie geht es Euren Bienen?“ Prima! kann da Hobbyimker Ulrich Wiechern aus Seth für seine fünf Völker klarstellen. Er steht an einem noch herrlich blühenden Phacelia-Feld in der Nähe seiner Bienenstöcke. Es summt und schwirrt im Feld des „Bienenfreunds“. Erstaunt registriert der 63-Jährige, wie viele Nektarsammler hier noch unterwegs sind. Er selbst ist seit 14 Jahren dabei. Der schöne Spätsommer sei „on top“, die letzte Schleuderung des Honigs sei ja schon im Juli, August gewesen. Für die Bienen sei dass jetzt eine willkommene Nahrungs-Zugabe. Auch für Wiechern steht und fällt das Honig-Ergebnis mit der Rapsblüte. „Imker aus Niedersachsen und Hamburg ziehen nach Schleswig-Holstein, um hier mit ihren Völkern in die Rapsblüte hineinzuwandern. Für uns in Schleswig-Holstein ist der Raps enorm wichtig.“ Da tue es den Imkern sehr weh, „dass der Raps-Anbau von Jahr zu Jahr abnimmt“. Grund dafür sei, dass die Erlöse beim Raps nicht mehr so hoch seien. Der Mais sei finanziell vielversprechender für die Landwirte. Doch der Mais mit seinen grobkörnigen Pollen ist für Bienen längst nicht so wertvoll wie die gelbe Pracht. Dramatischer Start ins Bienenjahr: Das Bienenjahr 2020 habe „holprig“ angefangen, berichtet Gernandt. Der milde Winter sei nicht gut für die Völker gewesen. Die Bienen brüteten zu früh, waren draußen, um Wasser zu holen. Es war zu kalt, die Bienen „verklammten“ und gingen ein. Die Völker wurden immer kleiner, es schien dramatisch zu werden. Aber dann habe der Raps noch rechtzeitig Regen bekommen. Er habe toll geblüht, die Bienen waren bienenfleißig, „sie haben ihre Kisten voll bekommen und wir haben eine feine Ernte gehabt“, berichtet Gernandt erleichtert. So habe es in seinem Verein recht positive Rückmeldungen gegeben. In aller Munde, vor allem in denen von Politikern, waren die sogenannten „Blühstreifen“ auf den Feldern, die Landwirte anlegten. Um gegen das Insektensterben anzugehen, haben viele Landwirte auf ihren Ackerflächen Bereiche mit verschieden blühenden Pflanzenarten angelegt, um den kleinen Tieren Lebensraum zu schaffen. Gut fürs Image der Landwirtschaft. Doch für Imker sei das wieder eine gut gemeinte Aktion, die „am Schreibtisch“ entstanden sei. Die Streifen blühten für Honigbienen, aber besonders für die gefährdeten Wildbienen in der Regel viel zu spät. Wenn sich erst ab dem 16. Juni die Blütenpracht entfalte, sei vor allem den Wildbienenarten kaum geholfen. Die Blühstreifen müssten früher angelegt werden und von der Samen-Mischung anders gestaltet werden, fordert auch Wiechern. Ihm sei klar, dass Landwirte hier zum Beispiel keine Kornblumen dulden möchten. Die haben sie jahrzehntelang versucht, in ihren Getreidefeldern auszurotten und werden sie jetzt nicht in Blühstreifen hineinholen. Da würden vor allem Phacelia, Klee oder Sonnenblumen ausgesät. Die Blühstreifen würden meist so angelegt, dass mit dem Mais auch der bunte Streifen in einem Arbeitsgang gemäht und verwertet werden könne. Etwa 80 Prozent der heimischen Blütenpflanzen-Arten sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Aufgrund ihres Körperbaus und ihrer Lebensweise kommt der Honigbiene bei der Bestäubung eine ganz besondere Rolle zu, heißt es vom Deutschen Imkerbund in seiner Bilanz für die Jahre 2018/19. Doch auch Wildbienen (Hummeln und Solitärbienen) machen sich insbesondere bei Pflanzen, die von Honigbienen weniger beachtet werden, nützlich. Doch für viele wildlebende Insekten wird ebenso wie für Honigbienen das Überleben immer schwieriger. 3218 Imker mit 27029 Völkern gibt es in Schleswig-Holstein. Die Bienen im Norden sind offenbar besonders fleißig. Sie liegen mit ihrer durchschnittlichen Ernte pro Volk mit 46,7 Kilogramm an zweiter Stelle bundesweit. Die Bayern schaffen nur 25,8 Kilo. Wichtig ist den Bienenzüchtern auch eine bessere Kommunikation. Imker könnten zum Beispiel im Vorfeld vom Bauern informiert werden, wann und wo Phacelia ausgesät wird. Nachwuchs-Imker sollten sich an Vereine wenden: Immer mehr Menschen interessieren sich für den Umgang mit der Honigbiene, auch jüngere. Ulrich Wiechern aus Seth empfiehlt jedem Nachwuchsimker, sich einem Imkerverein anzuschließen und dort aktiv mitmachen. Er selbst habe sich vor etwa 14 Jahren mit seinen damals 50 Jahren wie ein Jungspund unter den betagten Imker gefühlt. Was sich aber für ihn gezeigt habe: „Die Erfahrung der alten Füchse mit den Bienenvölkern bekommt man nur im persönlichen Gespräch.“ Hier werde Vieles von Generation zu Generation weitergegeben. „Das ist ein Wissensschatz, den man nur auf Imker-Klön-Abenden heben kann, den gibt es nicht im Internet.“ Von Wolfgang Glombik