Brand in Flüchtlingsheim Högersdorf: Brandstifter muss ins Gefängnis

Zumindest in einer Sache sollte der junge Flüchtling recht behalten: Seine eigene Unterkunft in Högersdorf war nach dem Feuer völlig verwüstet – und unbewohnbar. Und eine neue Unterkunft gibt es jetzt nur hinter Gittern – auch wenn er sich anderes erhofft hatte, als er das Feuer in der Gemeinschaftsunterkunft am Dorfplatz legte. Die neue Unterkunft wird deutlich unkomfortabler: Der junge Afghane muss vier Jahre in Haft. Vor dem Landgericht Kiel ist er am Donnerstag der schweren Brandstiftung schuldig gesprochen worden. Für die große Strafkammer lag es auf der Hand, dass Jamal K. (Name geändert) in der Nacht auf den 24. April in dem Asylbewerberheim das Feuer gelegt hatte und seine Mitbewohner damit in große Gefahr brachte. „Wir sind überzeugt, dass Sie es waren“, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Worpenberg zum Angeklagten. „Vor dem Hintergrund, dass Sie verlegt werden wollten, weil Sie mit der Wohnsituation unzufrieden waren.“ Nach sechs Prozesstagen, diversen Zeugen und Gutachtern habe sich ein schlüssiges Bild ergeben. Verteidigung: Afghane wurde bewusst ausgegrenzt: Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Wie Rechtsanwalt Carsten Kerschies ausführte, mache ein schwieriges Zusammenleben aus seinem Mandanten nicht zwangsläufig einen Brandstifter. Die Mitbewohner hätten ihn absichtlich ausgegrenzt. „Ich vertrete seit zwölf Jahren Flüchtlinge und kenne die Problematik. Das ist ein riesiges Problem in Afghanistan. Es ist ein Land, in dem es um Stämme geht, die sich in irgendeiner Form hassen. Deswegen funktioniert es dort mit einer Zentralregierung nicht.“ Ein Komplott seiner vier Mitbewohner, die in der Heimat einem anderen Stamm angehören, schlossen die Richter jedoch aus. „Dann denkt man sich nicht so was Kompliziertes aus. Man denkt sich eine einfache Geschichte aus“, stellte Richter Worpenberg klar. Bei einem Komplott würden sich die Aussagen vermutlich decken. So sei es aber nicht gewesen. Jeder habe seine Sicht geschildert, ohne genau gesehen zu haben, wie das Feuer entstand. Der Hauptbelastungszeuge, sein direkter Zimmermitbewohner, habe konstante Aussagen gemacht – durch alle polizeilichen Abläufe hinweg. Demnach rührte das Feuer im Wohnzimmer von zwei Brandquellen her und ließ sich nicht mehr löschen. Das hatte der Angeklagte sogar untermauert: „Sie haben selbst berichtet, dass die Couch gebrannt hat und nicht etwa der Wintergarten.“ Mitbewohner fühlten sich durch Aggression bedroht: Vier Personen wurden bei dem Großbrand verletzt, 130 Feuerwehrleute kämpften stundenlang gegen die Flammen an. Das Haus war anschließend eine Ruine. Schwer gewogen haben dürfte bei der Urteilsfindung auch die Tatsache, dass die anderen Männer der Unterkunft im Frühjahr 2019 beim Amt Leezen darum gebeten hatten, Jamal K. zu verlegen. Der Grund: Sie fühlten sich durch seine aggressive Art bedroht. „Das Zusammenleben war nicht einfach, und daran trugen sie einen gewissen Anteil“, sagt Worpenberg. So sei er weder arbeiten noch zu einem Sprachkurs gegangen und telefonierte oft lautstark bis in die Nacht. Ein psychiatrisches Gutachten attestierte dem Brandstifter einen Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Nach Ansicht des Gerichts reiche aber nicht, um starke psychische Beeinträchtigungen herzuleiten. Er sei voll schuldfähig. Es machte am Donnerstag aber auch klar, dass es an objektiven Beweismitteln mangelte. Ein Gutachten mit einer DNA, das ihn eindrucksvoll überführe, gebe es nicht. Niemand habe ihn beim Zündeln gesehen. Auch ein elektrischer Defekt konnte von zwei Brandsachverständigen nicht ausgeschlossen werden – Hinweise darauf gab es allerdings auch nicht. Gutachten und Zeugenaussagen seien als belastende Beweismittel ausreichend. Gericht geht von Fluchtgefahr aus: Beim Urteil berücksichtigt wurde, dass der Afghane nicht vorbestraft war. Und dass er vermutlich nicht die Absicht hatte, einen so großen Schaden anzurichten. Demnach habe er wohl selbst nicht damit gerechnet, dass das gesamte Haus niederbrennt. Denn er habe keine persönlichen Dinge retten können. Dennoch: „Es war eine gefährliche Tat für eine Reihe von Menschen, besonders in der Nachtzeit“, urteilte Worpenberg. Mit ihrer Entscheidung folgten die Richter im Wesentlichen der Staatsanwaltschaft, die vier Jahre und zwei Monate Haft gefordert hatte. Die Untersuchungshaft, die der Mann bereits abgesessen hat, wird von der Freiheitsstrafe abgezogen. Auf freien Fuß kommt er zwischenzeitlich nicht – es besteht Fluchtgefahr. Von Irene Burow