Brand in Flüchtlingsunterkunft Högersdorf: Mitbewohner sagen vor Gericht aus

„Ich habe gleich gesagt, dass er das Feuer angezündet hat“, sagt Youssef P. (Name geändert) vor dem Landgericht Kiel. Gleich, nachdem die Polizei am 24. April am Einsatzort in Högersdorf eingetroffen sei. Doch gesehen hat der Iraner, dessen Worte eine Dolmetscherin für das Gericht übersetzt, das nicht. Dennoch belastet er den Angeklagten Jamal K. (Name geändert) schwer. Dieser muss sich vor Gericht verantworten, weil er die Flüchtlingsunterkunft in Brand gesteckt haben soll. Beide Männer hatten sich dort ein Zimmer geteilt. Nach Ansicht des Zeugen haben alle Bewohner der oberen Etage in dieser Nacht bereits geschlafen. Nur der Angeklagte habe sich im Wohnzimmer aufgehalten und geraucht. Das habe er noch gesehen, bevor er sich schlafen legte, sagt P. Erst als sein Mitbewohner nachts gegen 2.30 Uhr ins Zimmer kam, habe er Brandgeruch bemerkt. Daraufhin habe er noch versucht, das Feuer zu löschen – vergeblich. „Es hat keine 20 Minuten gedauert, bis es nach ganz oben aufgestiegen war“, schildert Youssef P. Eine Matratze und ein Sofa standen in Flammen. Er weckte alle anderen, die sich ins Freie retteten. Was sich in diesen Minuten in dem Wohnzimmer abgespielt hat und was genau den Angeklagten zur schweren Brandstiftung veranlasst haben könnte, versucht das Gericht herauszufinden. Ärger wegen Lautstärke durch dünne Wände: Nach Aussage des Mitbewohners hatte es immer wieder Ärger gegeben, weil der Angeklagte bis nachts laut videotelefonierte. So auch in dieser Nacht. Außerdem soll der 22-Jährige verärgert gewesen sein, weil er eine hohe Handyrechnung von mehreren Hundert Euro begleichen sollte. „Er war genervt an dem Abend und hat sich beschwert“, berichtet P. Als weiteren Grund für die Tat gibt der Zeuge an, dass Jamal K. seit einem Jahr woanders wohnen wollte. Lieber in Pinneberg oder Hamburg. Bei den polizeilichen Vernehmungen schilderte er den Beamten mehrfach, dass der Afghane die Tat angekündigt habe. „Er wolle das Haus abbrennen“ und ähnliche Sätze verliest Richter Stefan Worpenberg aus den Protokollen. Im Gerichtssaal widerspricht sich der Zeuge jedoch, sagt etwa „Das hat er (Jamal K.) doch nur im Spaß gesagt“ oder „Er hat die Tat nicht angekündigt.“ Auseinandersetzung bei Ausbruch des Feuers: Sicher ist er sich jedoch, dass es zu einer Auseinandersetzung kam, während das Feuer ausbrach. Auch wenn er es in verschiedenen Versionen schildert. Demnach soll der Angeklagte ihn davon abgehalten haben, nach dem Rauch zu sehen. „Lass es brennen, damit wir in ein anderes Gebäude gebracht werden“, soll dieser zu ihm gesagt haben. „Lass es schwarz werden. Ich mache das Feuer später aus.“ Verteidiger Carsten Kerschies wird es zeitweise zu bunt. „Was er bisher erzählt hat, ist hanebüchen. Wir haben heute schon mehrere Falschaussagen gehört“, ärgert er sich. Wegen so etwas sitze sein Mandant seit sechs Monaten in Haft. Der Angeklagte selbst hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Anders als beim Prozessauftakt vor einer Woche angekündigt, kommt es auch bei der Fortsetzung der Verhandlung am Freitag nicht dazu. Das Gericht hat noch ein straffes Programm vor sich. Weil die Befragung des direkten Mitbewohners so lange dauert, müssen für den Nachmittag geladene Zeugen erneut umgeplant werden. An den kommenden Prozesstagen sollen weitere Flüchtlinge der Unterkunft, ein Brandgutachter, Spürhundeführer sowie die Verlobte des Angeklagten aussagen. Nächster Verhandlungstermin ist am 10. November. Von Irene Burow