Bürgermeisterwahl Bad Segeberg: Kandidat Toni Köppen will Berge versetzen

Bei Nieselregen ist heute Segebergs Wahrzeichen völlig verwaist. Beim Aufstieg erzählt Bürgermeisterkandidat Toni Köppen, dass er erst kürzlich mit seiner Ehefrau Michaela und seinen beiden Töchtern Suna (9) und Jordis (13) auf dem Kalkberg gewesen ist. Warum gibt es nicht die Möglichkeit, auf diesem symbolträchtigen Brocken in der Landschaft zu heiraten? frage er sich spontan. Das wäre doch eine Zugnummer und würde Gäste von weither anlocken. Der Mann hat Ideen. Oben stemmt er sich fürs Foto gegen den Fels. Ja, er will es wissen, er möchte Bürgermeister von Bad Segeberg werden – und dabei sehr viel bewegen. Der 38Jährige ist Familienmensch, lebt auf einem alten Resthof mit Familie und den Schwiegereltern in Seekamp unter einem Dach. „Ich bin da hineingeheiratet“, schmunzelt er. Generationsübergreifend wohnen – er weiß, wie das funktionieren kann. Treffpunkt für die Großfamilie sei die Küche, gemeinsam essen, das sei wichtig. Köppen sieht genau, was Bad Segeberg bieten muss, um für Familien attraktiv zu sein. Seine Kinder seien „Pferdemädchen“, sie voltigieren zweimal die Woche, sie können sich austoben. Kinder müssen unbefangen spielen können: Da ist er bestürzt, wenn er bei einem Spaziergang die Sicherheitsfirma Mebo im Auftrag der Stadt auf dem kleinen Südstadt-Bolzplatz kontrollieren sieht, damit dort für Nachbarn die Sonntagsruhe eingehalten wird. „Ich halte nichts davon, Kinderspielzeit so zu reglementieren, dass unbefangenes Spiel kaum noch möglich ist.“ Er möchte die Voraussetzungen schaffen, dass in Bad Segeberg Kinder unbeschwert in ihrer Umgebung aufwachsen können. Anders als seine Mädchen könne er übrigens selbst nicht reiten. Allerdings habe er bei einem Reiterfest auf einem Holzpferd mit akrobatische Übungen schon eine gute Figur gemacht. Zumindest sei seine Familie sehr zufrieden gewesen, erzählt er lachend. Thema „Wohnen in Bad Segeberg“, hier möchte er sich einmischen. Bürgermeister in Bad Segeberg ist viel mehr als nur eine Verwaltung leiten, beteuert er. Warum habe die Verwaltung nicht die Chance genutzt, in der geplanten großen Siedlung der Wankendorfer in der Südstadt generationsübergreifendes Wohnen zu ermöglichen? Warum gibt es hier nicht ein Wohnprojekt für Menschen mit Beeinträchtigungen? Das hätte man mittendrin, im Herz der Anlage planen können. „Wir brauchen in Bad Segeberg mehr bezahlbare Wohnangebote.“ Hier müsse dringend etwas passieren. Er habe festgestellt, dass es hingegen bei teuren Wohnungen in Bad Segeberg Leerstand gebe. Es gibt reichlich versiegelte Flächen in der Stadt: Doch wo ist noch Platz zum Bauen? Die Eigentümer-Verhältnisse in Bad Segeberg seien schwierig. Es gebe hier „Besitzer großer Flächen mitten in Bad Segeberg , die auf ihren Grundstücken nichts machen möchten, ja die versiegelte Flächen sich selbst überlassen.“ Köppen sieht das sehr kritisch und gesteht ein: „Das ist schwierig als Stadt hier zu reagieren.“ Im Ernst: Es ist für Köppen nicht die erste Offerte, als Bürgermeisterkandidat aufzutreten. In seiner Heimatgemeinde Seedorf sei man nach den Kommunalwahlen auf ihn zugekommen, um ihn als Kandidaten zu gewinnen. Er musste das Angebot fürs Ehrenamt ausschlagen. Wichtiger sei ihm damals die Arbeit als Wi-Se-Fraktionsvorsitzender im Kreistag gewesen. Beides wäre nicht gegangen. „Meine Frau sagt immer: entweder machst du es richtig oder gar nicht.“ An das Bürgermeisteramt in Bad Segeberg habe er erst gar nicht gedacht, aber die Freie Wählergemeinschaft BBS sei schon „sehr hartnäckig gewesen und hat immer wieder nachgefragt. Die empfanden mich als charmante Lösung.“ Wichtig für die Stadtpolitiker sei sein couragiertes und gleichzeitig kenntnisreiches Auftreten im Kreistag gewesen. „Da habe ich immer deutlich gemacht, was ich von einer Verwaltung erwarte.“ Segebergs Landrat Jan Peter Schröder hat kürzlich auf dem Bad Segeberger Wochenmarkt seinen Flyer lächelnd zurückgewiesen. „Ich brauche keine Informationen, ich kenne Herrn Köppen mehr als genug.“ Vielleicht wäre der Landrat ja froh, „wenn er mich im Kreistag los wird“, schmunzelt Köppen. Aber er ist sicher: In der Kreisverwaltung schätze man ihn als gut vorbereiteten Politiker. Der Landrat habe ihm schon mal mitgeteilt, dass es gut fände, wenn Köppen auch mal die andere Seite, die Verwaltung kennenlernen würde. „Den Blick in die dunkle Seite der Macht“, habe Köppen zurückgewitzelt. Für ihn sei der frühere Bürgermeister von Norderstedt, Hans-Joachim Grote, das große Vorbild. Der habe das Amt nicht nur als Verwaltungschef verstanden, sondern auch selbst mitgestaltet. Ein Stellenangebot pro Woche: Transparent Handeln. So solle eine Verwaltung geführt werden. So habe es auch der ausgebildete Großhandelskaufmann, der einen Führungsjob im IT-Bereich eines großen Unternehmens hat, immer gehalten. Nötig hat es Köppen nicht, sich für ein mühseliges Wahlamt auf Zeit zu bewerben. „In meinem Bereich gibt es bundesweit 6000 offene Stellen, ich kann mir den Arbeitgeber aussuchen und bekomme einmal pro Woche eine Stellenangebot zugeschickt“, sagt er. Man verdiene als Bürgermeister schon ordentlich, „aber ich kann in meinem Job weitaus mehr Geld verdienen – bei bedeutend weniger Arbeit“. Lesen Sie auch: Bad Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld will noch einmal durchstarten Trotzdem möchte er sich das antun. Man sei als Bürgermeister für vieles allein verantwortlich. Es reiche in dem Amt auch nicht nur aus, leitenden Mitarbeitern ein guter Coach zu sein. Auch im Verwaltungsrecht und in den Abläufen müsse man sich auskennen. Da werde er einiges dazulernen müssen. In der Familie habe es schon Befürchtungen gegeben, dass das Bürgermeisteramt zeitlich eine große Belastung sein könnte, aber mit einer 60 bis 70-Stunden-Woche komme seine Ehefrau klar, ist er sicher. Dass der Chefsessel im Bad Segeberger Rathaus auch Konflikte mit sich bringe, weiß Köppen. „Aber da bin ich als ehemaliger Pirat sehr gut darauf vorbereitet. Dort habe ich das Streiten gelernt.“ Bürger wünschten sich Veränderung: „Einfach mal machen“, sagt er. Zum Beispiel bei der digitalen Umrüstung der Stadt. Kopfschüttelnd habe er gehört, dass man in der Verwaltung vorsintflutliche Rechner noch einmal aufrüsten möchte, statt gleich neue, bessere anzuschaffen. Das würde in seinem Unternehmen nicht passieren. Köppen plädiert auch für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. „Warum lässt man nicht auch die Umbenennung von Straßen durch einen Bürgerentscheid prüfen?“ Er wisse schon, dass er als Außenseiter gegen einen langjährigen Amtsträger antrete, „aber ich spüre in vielen Gesprächen den Wunsch nach Veränderung in der Stadt“. Von daher rechne er sich die Stichwahl aus. „Dann werden die Karten neu gemischt.“ Lesen Sie auch Fäulnis im Fachwerk: Bad Segebergs ältestes Haus droht zu vergammeln Ausnahmeregelung für Segeberg: Vorerst keine strengeren Corona-Regeln Von Wolfgang Glombik