Corona-Krise und Karl-May-Aus: harter Schlag für Campingplatzbetreiber

Auch wenn keine Gäste da sind, auf den Plätzen rund um den Großen Segeberger und am Mözener See gibt es viel zu tun. Instandsetzungen, Pflege, Bürokram. Tim Ratajczak vom Seecamping Weißer Brunnen in Wittenborn hat kräftig investiert: Fünf Schlaf-Fässer, zwei neue Mietwohnwagen, gerade baut er ein Camping-Pod und seit einer Woche läuft die voll automatische Reinigungsanlage für WC-Kassetten. Alles in allem sei er im sechsstelligen Investitionsbereich seit er den Platz am 1. Januar 2019 übernommen hat. 400 Plätze, davon rund 175 Dauercamper aus dem ganzen Norden, sogar bis runter aus Köln. Dann kam Corona. Seit über vier Wochen sind die Dusch- und WC-Anlagen abgeschlossen. Der Schlagbaum ist unten. Übernachten verboten, der Platz ist dicht. „Jetzt wäre die Zeit, um Geld zu verdienen und einen Puffer aufzubauen, damit auch in der eher ruhigen Winterzeit die Kreditraten weiter bezahlt werden können“, sagt der 39-Jährige, während sein Blick über die menschenleere Wiese am See streift. Erst in ein paar Monaten werde er wissen, wie groß das Problem durch die Corona-Krise wirklich ist. Die ersten Stornierungen von Gästen, die zu den Karl-May-Spielen wollten, kamen direkt nachdem bekannt wurde, dass am Kalkberg 2020 nicht geritten wird. „Und die spontanen Gäste, die wegbleiben, das kann ich noch gar nicht bewerten.“ Warten auf Soforthilfe: Drei Stunden nachdem Soforthilfen angekündigt worden waren, habe er den Antrag gestellt. „Da ist bis heute nichts gekommen.“ Normalerweise beschäftigt der Platz sechs Personen. Momentan sind es zwei. „Ich weiß gar nicht, wie lange das noch geht.“ Tim Ratajczak kann nicht nachvollziehen, dass die Politik nicht zwischen Campern und Hotelgästen differenziert: „Der größte Teil ist in der Lage, sich selbst zu versorgen. Jeder hat seine eigene Küche dabei, sein eigenes Klo und schon aus Brandschutzgründen sind immer mindestens drei Meter Abstand zwischen den Wagen. Das ist eine relativ sichere Form des Urlaubs.“ Doch derzeit sehen lediglich ein paar Dauercamper, ob alles auf ihrer Parzelle in Ordnung ist. So wie Jörn Reimers, der gerade die Markise seines Wohnwagens wienert. „Ich bin froh, dass ich das hier habe. In meiner Wohnung würde ich kaputt gehen.“ Mehrmals in der Woche ist er da, um etwas zu reparieren oder den Rasen am Vorzelt zu mähen: „Ich bin in einer halben Stunde hier, darum macht es mir nichts, dass ich hier nicht übernachten darf.“ Auch die Ordnungsbehörden vom Amt Leezen sehen auf Nachfrage kein Problem darin, dass Dauercamper, ähnlich wie Kleingärtner, vorbeischauen. Die Corona-Regeln vom Land sind offenbar nicht eindeutig genug formuliert. Denn Brigitte Schmidt und Uwe Maletzki ( Seecamping Segeberg ) ist es vom Ordnungsamt in Bad Segeberg dagegen untersagt worden, Dauercamper, die sich vergewissern wollen, ob Wohnwagen und Parzelle okay sind, auf den Platz zu lassen. Doch das ist derzeit ihr geringstes Problem. „Wir wissen nicht, wie wir das finanziell schaffen sollen.“ Rund 220 000 Euro investiert: Auf den Antrag für Soforthilfe, den sie am 26. März gestellt haben, gab es vor einer Woche die Antwort, dass dafür alle Unterlagen vorliegen müssen. Das sei der Fall, betonen die Platzbetreiber. „Es sagt auch niemand, was genau fehlt. Nur dass wir das alles noch einmal einreichen sollen – zum dritten Mal.“ Hinzu komme, dass sich ihre Hausbank mit der Bearbeitung der Mitte März beantragten Kredite viel Zeit lässt. „Da heißt es, es werde geprüft, ob das überhaupt geht“, sorgt sich Brigitte Schmidt. Denn die beiden haben den Campingplatz erst seit Januar 2016 und seither, wie es der Vertrag mit der Stadt vorsieht, kräftig renoviert. „220 000 Euro sind das.“ Die sanitären Anlagen seien für 50 000 Euro kernsaniert. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach „Und da ist keine einzige Arbeitsstunde, die ich reingesteckt habe, dabei“, sagt Uwe Maletzki. „Wir haben jeden Cent, den wir bisher eingenommen haben, reinvestiert“, ergänzt Brigitte Schmidt. „Und dann kam am vergangenen Mittwoch die Hiobsbotschaft, dass die Karl-May-Spiele und die Kalkbergkonzerte ausfallen.“ Damit brechen den beiden 80 bis 90 Prozent der Jahreseinnahmen weg. Ein wirtschaftliches Fiasko. „Wir hoffen, dass viele, die uns unterstützen, wiederkommen, wenn die Reisebestimmungen gelockert werden. Erste Stammgäste haben das signalisiert. Aber das wird die Einbußen nicht wettmachen.“ Die beiden renovieren den Platz weiter. Und sie durchdenken gerade verschiedene Ideen. „Wenn das Bewirtungsverbot gelockert wird, können wir vielleicht etwas draußen machen, um wenigstens ein bisschen einzunehmen. Mal sehen.“ „Wir versuchen durchzuhalten“: Auch im Klein Rönnauer Klüthseecamp mit seinen mehr als 500 Stellplätzen, von denen laut Chefin Evelin Erdmann die meisten Dauercamper seien, sind ein paar Wohnwagenbesitzer vor Ort, um kleine Reparaturen auszuführen. „Aber Freizeitgestaltung gibt es nicht, wir halten uns strikt an die Vorgaben und achten sehr darauf“, betont sie. Auch sie hat Soforthilfe beantragt, die sei jedoch abgelehnt worden. „Ich habe sogar eine Betriebsschließungsversicherung für das Restaurant. Aber die weigern sich zu zahlen.“ Pandemien seien nicht abgesichert, habe man ihr mitgeteilt. Der finanzielle Verlust durch die Corona-Krise sei schwer zu beziffern, sie rechne mit mehreren 10 000 Euro, so Evelin Erdmann weiter: „Aber wir versuchen, das auszusitzen und durchzuhalten.“ Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Weitere Lockerungen: Schleswig-Holstein öffnet Tierparks und Einkaufscenter Diese Großveranstaltungen fallen im Norden aus So fährt Schleswig-Holstein ab 4. Mai die Schulen wieder hoch Die Regeln für Schleswig-Holsteins Abi-Prüfungen Hier bekommen Betriebe im Norden Hilfe LN-Umfrage zur Corona-Krise: Mehrheit für längeres Kontaktverbot Corona löst Digital-Boom an Schleswig-Holsteins Schulen aus Infektiologe: „Wir haben keine Sicherheit, auf der wir uns ausruhen können“ Auch Mittelständler können jetzt Zuschuss beantragen Coronavirus: So kooperieren die Lübecker Forscher Lübecks Bürgermeister beantwortet die Fragen der Bürger Corona: 17 Ärzte und Pfleger in Lübeck infiziert Von 150 bis 4000 Euro: Alle Bußgelder für Schleswig-Holstein im Überblick Was passiert, wenn ich als Infizierter in die Klinik muss? UKSH verdoppelt Zahl der Intensivbetten Striktes Besuchsverbot in allen Kliniken und Pflegeheimen Quarantäne – was bedeutet das für mich? Von Heike Hiltrop

Corona - Corona-Krise und Karl-May-Aus: Harter Schlag für Campingplatzbetreiber