Corona: Maskenpflicht beim Einkaufen: Ein Tag als Wachmann vor dem Supermarkt

Ein junger Mann drückt sich vor dem Eingang des Edeka-Marktes in Wahlstedt herum. Offenbar hat er nur eine Stoffmaske. Schließlich kommt er auf mich zu und zeigt seine Maske vor. „Darf ich damit rein?“, fragt er. „Es sind seit dieser Woche nur noch die medizinischen Masken erlaubt. Doch heute ist das noch mal okay. Aber bitte das nächste Mal daran denken“, sage ich freundlich und lasse ihn durch. Normalerweise arbeite ich ja als Redakteur für die Lübecker Nachrichten, aber an diesem Vormittag helfe ich im Edeka-Markt von Anja Kost als Wachmann am Eingang aus. Ich möchte mich selbst davon überzeugen, wie sehr sich die Segeberger an die neuen Corona-Regeln halten. Die meisten Kunden haben sich daran gewöhnt: Anja Kost hat da schon viel Erfahrung; seit der Einführung der Maskenpflicht im vergangenen April. „Ich sage mal, 95 Prozent haben das auch aufgrund der Länge der Zeit mittlerweile akzeptiert“, sagt die Supermarkt-Chefin. Ein paar Maskenverweigerer gebe es aber immer noch. Und da hat Kost auch schon einiges erlebt, bis hin zu Stempeln von einem Hausarzt, die sich später als gefälscht und selbst gemacht herausgestellt haben. „Aber wir können die Atteste ohnehin nicht auf Echtheit prüfen“, sagt Kost, „wenn bei einer vierköpfigen Familie alle krank sein sollen und ein Attest haben, wundert mich das auch, aber ich nehme das so hin.“ Die ganz überwiegende Mehrheit halte sich ohnehin an die Vorschriften. Seit dem 25. Januar gilt die neue Pflicht, auch in Supermärkten OP-Masken oder virenfilternde Masken der Standards N95, KN95 oder FFP2 zu tragen. „Wir wollen die Kunden in der ersten Woche aber nicht überfordern. Alle, die in diesen ersten Tagen noch mit Stoffmaske reinkommen, werden von unseren Kassenkräften freundlich auf die neue Gesetzeslage hingewiesen und darum gebeten, beim nächsten Mal die medizinische Maske zu tragen.“ Nur wenige Menschen mit Befreiung: Auf Freundlichkeit setze ich auch als Wachmann und begrüße alle Kunden mit einem „Guten Morgen“. Die ersten Tage seien noch rund zehn Prozent der Kunden mit Stoffmaske gekommen, doch es werden immer weniger. Das kann ich nur bestätigen, in der ersten halben Stunde kommt sogar überhaupt kein Kunde mit der falschen Maske. Ich habe sogar Zeit, zwischendurch mit einem der Angestellten neue Einkaufswagen zu holen oder etwas Müll wegzuräumen, den Kunden in ihrem Einkaufswagen liegen gelassen haben. Dann nähert sich eine Frau ganz ohne Maske. „Denken Sie noch an ihre Maske?“, frage ich. Die Frau ist diese Frage offenbar schon gewohnt. „Ich habe eine Befreiung, und drinnen wissen die auch Bescheid“, sagt sie routiniert. Ein älterer Herr nähert sich nur mit einem Faceshield aus Plastik. Als er mich sieht, zieht er eine Bescheinigung aus seiner Jacke, die er sich in Folie eingeschweißt um den Hals gehängt hat. Ich nicke ihm zu und wünsche einen schönen Einkauf. Ein älterer Herr ruft mir zu, dass das Desinfektionsmittel im Eingangsbereich alle sei. Ob ich mich darum mal kümmern könnte? Ich kann punkten, denn ich habe längst im Laden Bescheid gesagt. „Die Kollegin ist schon unterwegs, um neues zu holen.“ „Super, danke“, freut sich der Kunde. Eine andere Frau erschrickt, als ich sie begrüße. „Ich dachte, ich hätte schon wieder etwas falsch gemacht“, sagt sie lachend und ist sichtlich erleichtert, als ich ihr versichere, dass alles in bester Ordnung sei. Ampelsystem und Wegeführung vor dem Markt: Der Edeka-Markt hat mit Absperrgittern einen Eingang und einen Ausgang zum Markt markiert, damit es nicht so viel Begegnungen unter den Kunden gibt. Außerdem hat Anja Kost ein Ampelsystem eingeführt. Eine Kamera im Eingangsbereich zählt automatisch, wie viele Kunden rein- oder rausgehen. Sind mehr als 70 Kunden im Markt, springt draußen eine kleine Ampel auf Rot. Das passiert aber höchstens mal zu Stoßzeiten am Wochenende. „Und natürlich vor Weihnachten, da standen die Kunden draußen Schlange“, erinnert sich Kost. Eigentlich wollte Kost die Wegeführung in und aus dem Markt zusätzlich mit Pfeilen am Boden markieren. „Aber bisher war es zu nass, da hält das Klebeband nicht“, sagt sie. Ohne Klebeband scheint es aber kaum jemand zu verstehen. Ich spreche einen Mann an, der falsch geht. „Entschuldigung, könnten sie den rechten Gang als Ausgang nehmen.“ Der Kunde folgt meiner Bitte, fängt aber an zu grummeln. „Ich will aber in die andere Richtung. So ein Schwachsinn alles“, schimpft er. Ich beschließe, einfach weiter zu lächeln und gar nicht zu reagieren. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Manchmal liegen die Nerven blank: Auch die Marktleiterin ist schon mal von Corona-Leugnern angegangen worden, und sie sei sogar als „Nazi“ betitelt worden, weil sie auf die Maske bestand. „Aber wenn die Leute ausfallend werden, gehen bei mir auch ganz schnell die Schotten runter. Hier habe ich das Hausrecht“, sagt Kost. Manchmal trifft es aber auch gar nicht die Mitarbeiter. Kost: „Es kam jetzt in den ersten Tagen auch schon vor, dass andere Kunden sich einmischen und Leute, die noch eine Stoffmaske tragen, sofort anbrüllen oder von meinem Personal fordern, dass die die Kunden gleich rausschmeißen.“ Auch bei meiner Morgenschicht vor dem Supermarkt liegen bei zwei Kundinnen kurz die Nerven blank, weil die Abstandsregeln nicht eingehalten werden. „Kann man nicht mal eine Sekunde warten, echt ey“, schimpft eine junge Frau mit einer anderen Kundin, die ihr bei den Einkaufswagen zu nahe kommt. „Nee, wenn jemand fünf Minuten braucht, um sich einen Wagen zu holen, ist das schwer“, gibt die Frau zurück. Bevor ich beruhigend einschreiten muss, gehen sich die beiden dann aber doch lieber einfach aus dem Weg. Viele freundliche Kunden: Nach eineinhalb Stunden Einlasskontrolle ist es jedoch etwas anderes, das bleibt. Es ist, wie die Marktleiterin gesagt hat: Die allermeisten Kunden halten sich an die Regeln. Und es ist sogar noch besser: Hier in Wahlstedt leben sehr viele sehr freundliche Menschen. „Guten Morgen“, „Moin, Moin“, „Einen schönen Tag noch“, ich bin an diesem Tag bestimmt über einhundert Mal freundlich begrüßt oder verabschiedet worden – und oft habe ich durch die Maske sogar ein Lächeln geschenkt bekommen. Besser kann ein Dienst als Wachmann doch nicht laufen. Von Sven Wehde