Corona: Restaurants in Segeberg müssen wegen Lockdown wieder liefern

Die Gastronomen ertragen es tapfer. Wieder kommt der harte Schnitt. Wieder trifft es diese Branche mit voller Wucht. Ab Montag müssen Restaurants in Segeberg erneut schließen. Tische in Cafés werden gesperrt. „Es ist ein harter Schlag für unsere Branche. Jeder sollte sich mal in unsere Lage versetzen“, sagt Lutz Frank, Chef des Hotel- und Gaststättenverbandes im Kreis Segeberg. Nicht alle, aber viele hätten durch einen guten Sommer Boden gut machen können. „Aber ob wir statt vier doch acht Wochen schließen müssen, das wissen wir nicht.“ Und das, obwohl unklar sei, ob die Gastronomie überhaupt Verursacher für die Ausbreitung des Virus ist. Man müsse die Entwicklungen abwarten. „Sollten die Fallzeiten so bleiben, haben wir im Dezember noch zu“, befürchtet er. Absagen hagele es jetzt schon. Der eine oder andere Betrieb werde wegbrechen. Wirklich verstehen können die Wirte die Schließung nicht. „Wir kommen immer an erster Stelle, obwohl es keine Rechtfertigung dafür gibt“, sagt Kathrin Bahr, Geschäftsführerin des gerade erst eröffneten „Kleinen Genussladens“ in der Kurhausstraße. „Wir halten Abstand, desinfizieren und tun alles, was man nur tun kann. Nicht nur wir, sondern alle anderen Gastronomen auch.“ Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Lieber im Restaurant als zu Hause: Sie und Inhaber Florian Ritzki hätten noch Glück: Zwar muss das Restaurant schließen. Aber der vordere Verkaufsraum darf geöffnet bleiben. Sie waren im Oktober ohnehin mit einem Außer-Haus-Verkauf gestartet. Die Speisekarte ist jetzt online – auf der neuen Homepage. Erfahrungen im Liefern, Umrüsten und Anpassen hat auch Gastronom Vivek Talwar. Er ist enttäuscht. „Das Virus wird auch in vier Wochen nicht verschwinden“, ist er sich sicher. „Die Menschen sind in Restaurants besser aufgehoben als zu Hause.“ Die Situation sei absehbar gewesen, ärgert er sich. „Wenn die Grenzen offen sind, machen die Leute was sie wollen. Das hätte man schon eher einschränken müssen“, meint der Steakhouse -Inhaber. Er liefert weiter im Umkreis von zehn Kilometern aus. Kaum waren die neuen Auflagen von der Regierung am Mittwochabend verkündet worden, reagierten die ersten betroffenen Segeberger Betriebe in den sozialen Netzwerken. Sie klingen ernüchtert bis hoffnungsvoll. „Das ist für viele in der Branche hart... da kommt noch was auf uns zu“, schreibt eine Segeberger Nutzerin. Man rechnet schon damit, dass es nicht beim November bleiben wird. Andere werden weiter kreativ. So spricht etwa der Obst- und Gemüsemarkt in der Oldesloer Straße direkt die ältere Bevölkerung an. „Wir liefern auch für weniger Bestellwert“, heißt es für die Zielgruppe. Die „ Brasserie No. 1 “ auf dem Gelände des Golfplatzes in Wensin kündigt an, ab Freitag auch Sushi zu liefern. Viele weitere teilen Speisekarten und Lieferzeiten. Alles geht von vorn los. Maßnahmen für Dorfkrüge übertrieben: „In Großstädten kann ich Schließungen nachvollziehen. Aber für die Dorfkneipen ist das etwas übertrieben. Hier ist so wenig los, da wird zu hart durchgegriffen“, meint Benjamin Rademann, der im Service des Grabauer Dorfkrugs arbeitet. „Wir werden sehen, wie unsere Kunden am Wochenende darauf reagieren.“ Das Team will einen neuen Flyer auflegen und ihn in den Dörfern verteilen. „Was ab Montag ist, steht außer Frage. Da ist zu. Da brauche ich nicht drüber nachzudenken“, sagt Hartmut Ramhold, Inhaber des Landhauses Holsteiner Stuben in Högersdorf. Gerade hat er noch eine große Getränkelieferung in Empfang genommen. „Das Geld ist erst mal weg.“ Und auch sonst muss er sich nun Gedanken machen, wie all die Ware verarbeitet werden kann, ohne zu viel entsorgen zu müssen. Die Schließung komme ja doch recht plötzlich. Er könne und wolle sich darüber nicht hinwegsetzen. „Wenn es mit dem Virus schlimmer wird, wird es auch nicht einfacher“, so Ramhold. „Es sind nicht die Gastwirte“: Jedoch ärgert er sich über die Unvernünftigen, die alle anderen mit runterreißen würden. Eine Berliner Fetisch-Party mit Hunderten Leuten, feiernde Jugendliche und Fußball-Fans, die im Stadion zwar Abstand wahren, aber in der Bahn anschließend jubeln. „Hochzeiten mit Hunderten Gästen – muss das sein?“, fragt er. „Wer sich an die Regeln hält, ist am Ende gekniffen. Ich hoffe, dass die Sanktionen wirken und die Privatleute vernünftig werden. Es sind nicht die Gastwirte, sondern die Leute selber. Aber die konnte man bisher nicht greifen.“ Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Das sind die aktuellen Corona-Regeln in Schleswig-Holstein Halloween: Diese Regeln gelten wegen Corona So unterschiedlich sind die Corona-Regeln in den Nord-Bundesländern In diesen Texten informieren wir kostenlos über Corona-Regeln: Beherbergungsverbot: Das sind die Regeln in den anderen Bundesländern Diese weiteren Corona-Regeln haben die anderen Bundesländer erlassen Telefonische Krankschreibung ist wieder möglich Fragen und Antworten: Wo gilt die Maskenpflicht? Welche Ausnahmen gibt es? Immerhin gebe es mit den neuen Regelungen jetzt eine rechtliche Handhabe. „Richtig interessant wird es dann im Dezember mit den Feiertagen und Silvester. Ich möchte zurzeit kein Politiker sein“, sagt er. Nun heißt es Technik herunterfahren, Kurzarbeit anmelden. Abwarten. Alles geht von vorn los. „Unser Ziel ist der Verkauf. Aber mit einer Zwangsschließung können wir das nicht“, kritisiert Dehoga-Chef Lutz Frank. „Ich wünsche mir, dass sich die Gewinner der Pandemie solidarisch zeigen. Lebensmitteleinzelhandel, Baumärkte, Handwerk: Es müsste ein Solidarprinzip geben.“ Er ist jedoch auf mehreren Ebenen realistisch: Sollten die Staatshilfen so kommen, wie angekündigt, sei das ein fairer Ausgleich. Und in gewisser Weise fände derzeit auch eine Marktbereinigung von jenen Betrieben statt, die vorher schon nicht gut gewirtschaftet haben. „Dieses Jahr ist in jeder Hinsicht historisch.“ Von Irene Burow