Corona: Segebergs erstes Impfzentrum startet in Kaltenkirchen

Die Halle im Gewerbegebiet von Kaltenkirchen ist unscheinbar. Nur das große Schild mit der Aufschrift „Impfzentrum“ weist darauf hin, dass hier reger Besucherverkehr zu erwarten ist. Nachdem die mobilen Impfteams ihre Arbeit in Seniorenresidenzen und Altenheimen in der Region aufgenommen haben, ist seit Montag, 4. Januar, 13 Uhr, auch Segebergs erste stationäre Einrichtung in Betrieb. Die Organisation: Das Impfzentrum in Norderstedt und das in Wahlstedt, für das irrtümlich Termine vergeben worden waren, die geändert werden mussten, starten später. Auch in Kaltenkirchen wird nicht gleich volle Fahrt aufgenommen. Zunächst steht eine von sechs Linien bereit. Drei medizinische Fachkräfte, vier Bundeswehrsoldaten und einige Mitarbeiter im Hintergrund sorgen für den reibungslosen Ablauf. Fast wie eine Ikone werden die ersten sechs Spritzen und das kleine Fläschchen mit dem Serum an einer Gruppe Journalisten vorbeigetragen, Filmkameras und Fotoapparate werden auf den Biontech-Pfizer-Hoffnungsträger gegen das Virus in Stellung gebracht. Anders als in der Öffentlichkeit derzeit diskutiert, werden nicht nur fünf Dosen verwendet, sondern alle sechs in einem Fläschchen enthaltenen. „Wir impfen zwölf Personen in der Stunde, 60 am Tag, sieben Tage die Woche“, skizziert Koordinatorin Tabea Ketzner aus dem zuständigen Fachbereich Feuerwehrwesen, Zivil- und Katastrophenschutz, Rettungsdienst des Kreises, den Zeitplan. „Ich würde mir wünschen, dass sich viele Menschen impfen lassen“, ergänzt Segebergs Landrat, Jan Peter Schröder (parteilos), der den Auftakt gemeinsam mit Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause (CDU) verfolgt. Die ersten Impflinge: Am 31. Dezember hätten sie Bescheid bekommen, darüber, dass nicht in Wahlstedt, sondern in Kaltenkirchen geimpft werde, sagt der Sohn von Günter Dreessen, der seinen Vater aus Bad Segeberg hierher kutschiert hat. Der frühere Polizist gehört zu den sehr alten Senioren, die gemeinsam mit Pflegekräften zur ersten Impfrunde gehören. Und er ist der erste Hochbetagte am Eröffnungstag. Vor ihm hatten sich Jule Friedmann (29) und Michael Schoop (37) vom ambulanten Pflegedienst „Hospital at Home“ in Fahrenkrug ihre Dosis abgeholt. Die ersten, die gegen Corona geimpft werden können, das sind die Hochbetagten und diejenigen, die in der Pflege und im intensiv-medizinischen Bereich arbeiten. 1929 Hochbetagte, die über 90 Jahre alt sind, leben laut aktueller Statistik für das Jahr 2019 im Kreis Segeberg. 1659 von ihnen sind Frauen. 15 900 Männer und Frauen waren im selben Zeitraum zwischen 80 und 90 Jahre alt. 62 Senioreneinrichtungen mit rund 6000 Bewohnern gibt es in Segeberg. 27 000 Pflegekräfte sind Mitglieder der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein. Von sich aus hätte es der 88-Jährige, der allein in seiner eigenen Wohnung lebt, jedoch nicht leicht gehabt. „Mein Sohn hat die Sache in die Hand genommen und dafür gesorgt, dass das gleich mit einem Termin klappt.“ Skeptisch habe er die Impfung nie gesehen, versichert Dreessen. „Sie ist dringend notwendig. Ich habe keine Angst vor Corona, aber ich weiß um die Gefährlichkeit.“ Der Ablauf: Die Termine sind so getaktet, dass es nicht zu größeren Menschenansammlungen vor dem Impfzentrum kommen soll. Parkplätze gibt es auf dem Gelände genug. Ordnungsamt und Polizei haben ein Auge darauf, wer sein Auto an der Straße und damit falsch abstellt. Ohne Mundschutz und desinfizierte Hände kommt niemand in das Gebäude. Auch der Ausweis, die Terminbestätigung und – wenn vorhanden – ein Impfpass sollten mitgebracht werden. Ein Angehöriger darf den zu Impfenden begleiten, sogar Assistenzhunde haben Zutritt. Paare, die sich gemeinsam angemeldet haben, dürfen auch gemeinsam eintreten. Zur Begrüßung werden ein paar Dinge erklärt, abgefragt und das Fieber wird gemessen. Dann geht es weiter in einen größeren Bereich zur eigentlichen Anmeldung. Dort muss ein Formular ausgefüllt werden. Wer sich online anmeldet, der sollte es sich schon vorher ausdrucken und ausfüllen, rät ein Angehöriger. Dann wird eine Nummer gezogen und der Impfling, wie die Organisatoren ihre Kundschaft nennen, wartet in einem größeren Bereich mit Stühlen und einem Informationsvideo, das in Dauerschleife auf einem Großbildfernseher gezeigt wird, bis seine Nummer auf einem Display erscheint. Nun folgt die Anamnese in einem separaten Raum. In einem Gespräch mit einem Arzt werden Vorerkrankungen ebenso abgefragt wie eingenommene Medikamente. Hier entscheidet sich, ob geimpft werden kann oder nicht. Trotz einiger Zipperlein bekommt Günter Dreessen das Okay von Dr. Lotte Lührs aus Kayhude, die als erste im Dienst ist. Lediglich am Ende solle er besser 30 als 15 Minuten, wie üblich, warten, rät sie dem Pensionär und begleitet ihn zum Impfraum. Medizinische Versorgung im Notfall: Wahlweise im Sitzen oder Liegen gibt es einen kurzen Nadel-Piks, bei Rechtshändern in den linken, bei Linkshändern in den rechten Deltamuskel. Das war’s. Nun heißt es wieder warten in einem großen Bereich mit Uhren und Stühlen auf Abstand. Falls es Probleme geben sollte, ist die medizinische Versorgung sofort gesichert. Erst nach Ablauf von 15 Minuten gibt es am Ausgang noch einmal ein paar Papiere mit auf den Weg und eine freundliche Verabschiedung – bis zum Wiedersehen für die zweite Dosis. Von Heike Hiltrop