Corona erfordert neue Wege der Seelsorge

Was tun, wenn die Seele auf Halbmast hängt, wenn sich Einsamkeit wie ein schwerer Felsbrocken auf das Gemüt legt und wegen der aktuellen Kontaktbeschränkungen niemand da ist, dem man sein Herz ausschütten kann? Pastoren des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Plön-Segeberg haben unterschiedliche Wege gefunden, wie sie ihren „Schäfchen“ auch in Coronazeiten beistehen können. Die Kirchengemeinde Bad Segeberg bietet seit dem zweiten Lockdown Seelsorge-Spaziergänge für die Bewohner des „Marienhofes“ an, die auf große Resonanz gestoßen sind. Durchgeführt werden die Spaziergänge durch die Pastoren Rebecca und Mathias Lenz und die Diakone Dorothea Kruse und Heinz Laukamp. Zu verabredeten Zeiten holen sie jeweils einen Bewohner ab, um mit ihm unter vier Augen bei einem Spaziergang nicht nur über Gott und die Welt, sondern auch über Sorgen und Nöte zu reden. „Spaziergänge sind ohne Mitarbeit der Pfleger nicht möglich“: Die Resonanz auf die Seelsorge-Spaziergänge ist groß. „Während des ersten Lockdowns haben wir ehrenamtlich auf den Pflegestationen des Marienhofs geholfen und konnten dort Kontakte zu den Bewohnern und den Pflegekräften aufbauen. Ohne die Pfleger wäre das alles nicht möglich. Sie weisen die Senioren immer wieder auf die Termine hin, erinnern sie daran, und je nachdem, wie eigenständig die Senioren sind, müssen sie schließlich auch angezogen werden“, erzählt Rebecca Lenz. Von den halbstündigen Spaziergängen ist sie genauso begeistert wie die Bewohner: „Wir haben ganz intensive Gespräche geführt. Bei einem ungezwungenen Spaziergang fällt es uns offenbar leichter, über das zu reden, was uns bedrückt“, glaubt die Pastorin, die mit ihren drei Mitstreitern immer wieder versucht, ein wenig Licht in den Alltag der Marienhof-Bewohner zu bringen. Auch jüngere „Schäfchen“ können einen Termin für einen Seelsorge-Spaziergang vereinbaren. Reinfelder Pastorin schreibt Briefe in Großbuchstaben: Für Gabriela Glombik, Pastorin der Kirchengemeinde Reinfeld, ist das Telefon das wichtigste Utensil ihrer seelsorgerischen Arbeit geworden. Darüber hinaus jedoch setzt sie auf Briefe, mit denen sie immer wieder den Bewohnern der vorn ihr betreuten Seniorenheime ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Geschrieben sind ihre Briefe mit persönlicher Widmung in Großbuchstaben. „Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Die Menschen freuen sich, dass jemand an sie gedacht hat. Manchmal bekomme ich sogar Briefe zurück“, erzählt die Pastorin, die die von ihr betreuten Senioren immer wieder dazu ermuntert, nach draußen zu gehen. „Impulse von außen sind sehr wichtig. Traurigkeit, Einsamkeit und Disharmonien in den Familien verstärken sich leider, wenn die Gedanken nur noch um diese Themen kreisen“, weiß Gabriela Glombik. Die derzeitige Situation mit Lockdown und Kontaktbeschränkungen sei besonders für Senioren schwierig: „Den meisten fällt das Tragen einer Maske schwer. Die Angehörigen nicht so oft sehen zu können, hinterlässt ebenfalls Spuren. Auch die geistige Mobilität wird weniger. Bei allen versuche ich, das Vertrauen in Gott zu stärken.“ Nicht nur die Pastoren vor Ort helfen in Krisen weiter, sondern auch die Telefonseelsorge Lübeck. Unter den Rufnummern 0800-1110111 und 0800-1110222 sowie bei der Internetseelorge unter www.telefonseelsorge.de gibt es kostenfreie und anonyme Hilfe rund um die Uhr. Seit einem Jahr: Seelsorge über „Whatsapastor“: Steffen Paar, Pastor der Kirchengemeinde Sülfeld, hat bereits während des ersten Lockdowns den Messengerdienst „WhatsApp“ unter der Telefonnummer 0151-27538888 für seine seelsorgerische Arbeit genutzt. Im März wird das Angebot „Whatsapastor“ ein Jahr alt. „Es gibt Kontakte, die seitdem bestehen, Im Sommer wurden die Nachrichten weniger, jetzt im Winter sind sie wieder angestiegen. Nicht alle verraten ihren richtigen Namen, aber das ist für mich auch in Ordnung“, erzählt Steffen Paar. Bei den meisten Menschen, die seinen seelsorgerischen Rat suchen, ist Einsamkeit ein ganz großes Problem. „Es ist erschreckend, wie viele Menschen niemanden haben, mit dem sie reden können“, so der Pastor, der Alte und Junge gleichermaßen betreut. „Ältere, die schon viel erlebt haben, sorgen sich eher um die eigenen Kinder und Enkel. Aber ich betreue auch Menschen, die um die 40 Jahre alt sind. Sie leiden anders. Für sie macht gleich das ganze Leben keinen Sinn. Jemand sagte mir, dass es keinen Tag gebe, an dem er lachen könne. Das ist schlimm.“ „Auswirkungen der neuen Einschränkungen werden wir in 14 Tagen sehen“: Der Bad Oldesloer Pastor Volker Hagge hat bislang für die Seelsorgearbeit auf das Telefon zurückgegriffen. Dort, wo es möglich war, hat er aber auch das persönliche Gespräch gesucht und Hausbesuche gemacht. „Wie es jetzt nach den zusätzlichen Einschränkungen weitergehen soll, ist noch nicht entschieden“, verrät er. Lesen Sie auch Hohe Impf-Hürden für Senioren: Bürgermeister fordert Minister zum Handeln auf Die Einsamkeit und fehlenden Kontaktmöglichkeiten haben für ihn bereits deutliche Spuren hinterlassen. „Die Auswirkungen der zusätzlichen Einschränkungen werden wir erst in 14 Tagen zu spüren bekommen“, ist Volker Hagge überzeugt, der bei seiner Arbeit Renate Bohl vom Psychosozialen Dienst an seiner Seite weiß. Von Petra Dreu