Damsdorf: Reise in das Innere einer Windkraftanlage

Da steht diese Metallkabine. Sie ist gerade mal so groß wie früher die Telefonzellen, nur eben, dass sie silberfarben ist und oben drauf ein kleiner Motor sitzt, von dem aus ein paar Drahtseile nach oben führen. So weit, dass ich das Ende nicht mehr sehen kann. „120 Meter geht es jetzt nach oben“, sagt Marc Lang vom Technischen Windparkmanagement der Denker & Wulf AG – und lächelt freundlich. Das soll mir Mut machen. „Es könnte etwas wackeln“, sagt Lang noch, das sei ganz normal. Kein Wunder, schließlich gibt es keinen Aufzugsschacht, sondern wir schweben fast frei in der Luft. Der 33-Jährige drückt auf einen Knopf und laut ratternd steigt die Metallkabine immer weiter in die Höhe. Fast zehn Minuten Fahrt liegen vor uns. Ich werfe noch einen Blick auf den großen Tragesack, den der technische Betriebsführer bei sich trägt. Darin sind rund 160 Meter Seil – für eine mögliche Rettungsaktion. Natürlich nur für den Notfall. Genau wie die großen Karabiner an dem Klettergurt, den wir umgelegt haben und mit denen wir uns jetzt in der Aufzugskabine in einen Stahlhaken einhängen müssen. Hatte ich erwähnt, dass Marc Lang und ich zusammen nur ganz knapp unter dem zulässigen Gesamtgewicht für diesen Aufzug liegen? Hätte ich meine letzte Diät bloß durchgehalten. Aber es wird schon gut gehen... 135 Meter hoher Stahlriese: Der Korbaufzug steht übrigens in einer Windkraftanlage bei Damsdorf. Der 135 Meter hohe Metallriese vom Typ E 115 wurde 2017 gebaut. Wie die anderen 53 Windräder im Kreis Segeberg sieht die Anlage von Weitem wie ein riesiger dünner Spargel mit Propeller aus. Erst wenn man direkt davor steht, wird klar, welche Ausmaße so eine Windkraftanlage hat. Es ist, als stünden wir vor einem riesigen Turm. Hinter der Eingangstür am Fuß der Anlage empfängt uns daher auch ein runder Raum, der so groß ist, dass hier locker genug Platz für eine kleine Geburtstagsparty wäre. Zwölf Meter Durchmesser hat der, erklärt Lang. Aus der Feier wird jedoch nichts, denn wer hier hinein und vor allem auch hoch hinaus will, muss jede Menge Voraussetzungen erfüllen und ein ziemlich langes Formular ausfüllen. Alkohol ist natürlich tabu, Herzkrankheiten auch, Höhenangst ist nicht ratsam und es muss immer eine Schutzkleidung bestehend aus Helm, Klettergurt und festem Schuhwerk getragen werden. Leiter führt hoch in die Gondel: Mit einem Ruck kommt der Metallkorb zum Stehen. Aussteigen! „Ab jetzt müssen wir die letzten 15 Meter klettern“, sagt Lang. An der Turmwand vor ihm ist eine äußerst schmale Leiter angebracht. Daran wird ein Sicherheitsgerät befestigt, ein so genannter Steigschutzläufer, der mit dem Klettergurt verbunden ist. So können die Techniker nach oben steigen, aber nicht abstürzen, weil der Läufer dann blockiert. Es sei jedoch wichtig, der Ausrüstung zu vertrauen, da man sich am besten nach hinten in den Gurt lehnt, erklärt Lang. Also in den Abgrund, um genau zu sein. Da kommt es hin und wieder vor, dass unerfahrene Besucher, also Leute wie ich, plötzlich Panik kriegen und sich an die Leiter klammern. „Aber dann komme ich und helfe“, sagt Lang. Im Notfall habe er alles dabei, um mich abzuseilen. Na ja, ich wollte ja unbedingt mal sehen wie es in der Gondel, so heißt das große Teil an dem die Rotorblätter befestigt sind, aussieht. Also gibt es jetzt kein Zurück, ich hake mich in die Leiter ein und folge Lang nach oben. Der Turm schwankt im Wind: Ohne Zwischenfall kommen wir oben an. Dort sieht es ungefähr so aus, wie ich es mir in einem modernen U-Boot vorstelle. Alles ist eng, überall stehen Schaltschränke und große Maschinen. Vorne in der Narbe ist der Ringgenerator der für die Stromerzeugung zuständig ist. Der 33-Jährige macht jetzt den Job, für den er eigentlich hier ist. Er kontrolliert die Anlagen und die Mechanik. In der Mitte führt ein breites Bündel dicker schwarzer Kabel in die Tiefe, darüber wird der produzierte Strom abgeleitet. Über Funk gibt er die Ergebnisse an seinen Kollegen weiter, der unten im Wagen sitzt und parallel den Bericht schreibt. „Es ist alles in Ordnung, nur die eine Metalltür ist etwa schwergängig, die muss mal nachgestellt werden“, sagt Lang. So weit oben schwankt der Turm bei Wind unheimlich. Und es bläst draußen gerade ziemlich stark. Wir gehen wie auf einem Schiff bei leichtem Seegang. Das Rauschen des Windes dröhnt durch den Raum, der fensterlos ist. Fast fensterlos. Ganz oben gibt es eine Art Dachluke. Höher geht es nicht, da warten nur noch die Rotorenblätter, die einen Durchmesser von 115 Meter haben. Lang öffnet die Luke und über eine kleine, letze Leiter geht es nach oben. Nur wenige Meter von den riesigen Rotorblättern entfernt, komme ich mir sehr winzig vor. Dazu empfängt uns der Regen und der Wind noch stärker als unten, doch der Ausblick ist selbst bei diesem Wetter grandios und reicht kilometerweit über Felder und Seen. Da kann selbst der Kalkberg nicht mithalten. Von Sven Wehde