Debatte: Braucht der Kreis Segeberg kommunale Corona-Testzentren?

Braucht der Kreis Segeberg dringend mehr Zentren für Corona-Schnelltests? Für Aufsehen sorgt ein Vorstoß der FDP in Henstedt-Ulzburg. Die Liberalen fordern dort die Einrichtung eines gemeindeeigenen Corona-Testcenters. „Testen, testen, testen, das ist der wesentliche Schlüssel dafür, gerade die besonders gefährdeten Menschen intensiv zu schützen. Immer nur nach einem härteren und schärferen Lockdown und mehr Einschränkungen zu rufen, bringt gar nichts, wenn nicht gleichzeitig die Menschen besonders geschützt werden, die besonders gefährdet sind“, schreiben der Henstedt-Ulzburger FDP-Landtagsabgeordnete Stephan Holowaty und der Fraktionsvorsitzende Klaus-Peter Eberhard in einem Aufruf. Die FDP will besonders gefährdete und relevante Gruppen bis zu drei mal wöchentlich auf Kosten der Gemeinde im Antigen-Schnellverfahren testen lassen – zum Beispiel Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, Polizeibeamte, Mitarbeiter in Seniorenheimen, in Kitas sowie in der Gemeindeverwaltung mit Publikumskontakt. Darüber hinaus soll das Testcenter jedem offenstehen, der sich testen lassen möchte. Gerade Firmen mit Publikumsverkehr, Arztpraxen, Apotheken oder auch Besucher von Seniorenheimen würden ein Testangebot vor Ort mit kurzen Wegen sicher gerne nutzen, glauben die Freien Demokraten. Das einzige Testcenter der Kassenärztlichen Vereinigung im Kreis Segeberg in Borstel sei nicht genug. „Wir brauchen ein einfaches Testangebot hier am Ort.“ Immer mehr private Testzentren: Tatsächlich werden Zentren für Schnelltest immer beliebter. Vor Weihnachten gab es in der Bad Segeberger Burgfeld-Sporthalle ein Schnelltestzentrum, organisiert von privaten Experten wie dem Gynäkologen Dr. Andreas Lenhard und dem Apotheker Dirk Buckenberger von der Alten Apotheke. Die Initiative unter dem Motto „Safe Santa“ wurde mit Unterstützung der Stadt, aber gegen den Willen des Kreises durchgesetzt. Die Pumpenfabrik Grundfos in Wahlstedt hat derzeit sogar ein eigenes, vorübergehendes Testzentrum eingerichtet, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu erhöhen. Bürgermeister versprechen Unterstützung: Kommunale Testzentren lehnen die Bürgermeister der beiden Städte im Ostkreis derzeit aber ab. Sie können sich jedoch vorstellen, private Initiativen zu unterstützen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass als kommunale Leistung anzubieten“, sagt Bad Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD), „das ist nicht unsere Zuständigkeit, außerdem wären wir dann Dienstleister und müssten auch haften.“ Allerdings habe man als Stadt gemeinsam mit den Initiatoren auch das Schnelltestcenter vor Weihnachten gegen den Willen des Kreises durchgesetzt. „Und auch weiterhin ist jeder privater Anbieter berechtigt, so etwas anzubieten. Das Testcenter vor Weihnachten war erfolgreich und wir unterstützen als Stadt jeden gerne, der etwas für die Gesundheit tut.“ Ähnlich argumentiert Matthias-Christian Bonse (CDU), Bürgermeister von Wahlstedt: „Momentan halte ich ein kommunales Testzentrum für schwer umsetzbar. Da braucht man ja auch Fachleute für.“ Es sei aber klasse, „wenn es Kooperationen von Ärzten oder Apothekern gibt, die so etwas anbieten.“ Das würde man als Kommune unterstützen. Bad Segeberger Schnell-Testcenter wird erstmal nicht wiederholt: Eine Wiederholung des Testcenters in Bad Segeberg ist derzeit aber nicht geplant. „Wir hatten definitiv vor Weihnachten ein großes Interesse und auch danach noch Anfragen“, berichtet Apotheker und Mit-Organisator Dirk Buckenberger, „und wir haben dabei auch einige Infizierte noch vor Weihnachten gefunden, die dann niemanden mehr anstecken konnten. Von daher war es definitiv sinnvoll.“ Auch wenn es kurz angedacht war: In der Größenordnung sei eine langfristige Weiterführung des Testcenters privat nicht möglich. „Das ginge nur in kleinerem Rahmen, ist aber aktuell nicht geplant“, so Buckenberger. Wer sich in Bad Segeberg testen lassen wolle, könne sich derzeit nur an seine Arztpraxen wenden. Gesundheitsamt bleibt skeptisch: Der Kreis hingegen bleibt ohnehin bei seiner ablehnenden Haltung. Dort rät man auch von der Einrichtung kommunaler Testzentren ab und betrachtet Antigen-Test-Aktionen mit Skepsis. Erst bei mehrmaliger Testung in der Woche würden diese eine sicherere Aussagekraft erzielen. Das Gesundheitsamt zweifele daher weiterhin an Sinn und Zuverlässigkeit von einmaligen Antigen-Schnelltests, wenn keine Symptome vorliegen. Gesundheitsministerium und Robert-Koch-Institut würden diese Einschätzung teilen. „Wie bei der Schnelltest-Aktion in Bad Segeberg würden wir eine solche Initiative in Henstedt-Ulzburg zur Kenntnis nehmen, aber nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Art der Testung verschiedene Ungewissheiten und Risiken birgt“, sagt Landrat Jan Peter Schröder. Antigen-Schnelltests seien nur ein Baustein von vielen im Zuge der Pandemiebekämpfung und immer nur eine Momentaufnahme. Ein negatives Ergebnis könne bereits ein paar Stunden oder ein, zwei Tage später ganz anders aussehen. Zudem könnten die Schnelltests wegen ihrer geringen Sensitivität immer wieder auch falsch-negative Testergebnisse anzeigen. Es könne also jemand trotzdem negativem Resultat ansteckend sein. Deswegen warnt der Kreis davor, sich nach einem Schnelltest in falscher Sicherheit zu wiegen: „Es ist nach Auffassung des Gesundheitsamtes äußerst wichtig, die AHA-L-Regeln auch mit Testung weiterhin konsequent einzuhalten – also Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen und Lüften“, sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Neue Testverordnung in SH: Wer jetzt nur noch getestet wird Kürzere Quarantäne: Das sind die neuen Regeln für Reiserückkehrer So verhalten Sie sich, wenn Sie keinen Corona-Test bekommen Das sind die neuen Corona-Schnelltests – und so werden sie eingesetzt Positiv auf Corona getestet worden, aber nicht ansteckend? Was der Ct-Wert über die Infektiosität verrät Drosten: PCR-Corona-Tests sind „zweifelsfrei“ Was unterscheidet den Corona-Schnelltest vom PCR-Nachweis? Wie entscheidend sind „falsch positive“ Testergebnisse? FDP-Vorschlag abgelehnt: Für Henstedt-Ulzburgs Bürgermeisterin Ulrike Schmidt (parteilos) sprechen jedoch noch mehr Gründe gegen kommunale Testzentren. „Neben dem organisatorischen und personellen Aufwand sind dies die hohen Kosten, die bei der Einrichtung und dem Betrieb dieses Testzentrums entstünden. Diese Kosten wären durch die öffentliche Hand, sprich: die Allgemeinheit zu tragen“, so Schmidt. Deshalb erteilt sie dem Antrag der FDP auch eine Absage. Wie in Bad Segeberg und Wahlstedt würden private Anbieter jedoch unterstützt und offenbar gibt es auch schon erste Pläne für ein solches Testzentrum. „Uns sind private Bestrebungen bekannt, im Gemeindegebiet ein Corona-Schnelltestzentrum einzurichten“, sagt Schmidt und verspricht, dass die Gemeinde Henstedt-Ulzburg die Einrichtung und den Betrieb eines privaten Corona-Schnelltestzentrums „wohlwollend begleiten wird“. Von Sven Wehde