Diskussion zu Segeberger See-Regeln: „Stand-Up-Paddling" auf der Kippe?

Was geht auf dem Großen Segeberger See? Was geht nicht? Was ist verboten? Schon im April 1988 einigten sich dazu die Stadt Bad Segeberg als Besitzerin des Großen Segeberger Sees, die Untere Naturschutzbehörde (UNB), die Naturschutzverbände, der Sportfischerverein als Pächter, die Segel- und Bootsclubs am See auf ein Regelwerk, zusammengefasst in einem kleinen Heft. Das sogenannte „Regelbuch“. Zuletzt wurde das Heft 2002 erneuert. Jetzt steht offenbar wieder eine Neuregelung an. Hinter verschlossenen Türen traf man sich auf Einladung der Stadt. Alles streng geheim. Es wurde absolutes Stillschweigen vereinbart. Auf Anfrage der LN wurde von Amtsleiterin Antje Langethal nichts mitgeteilt. Sie verwies auf eine Pressekonferenz, die stattfinden werde, wenn alles beschlossen sei. Offenbar soll hier weder Politik noch die Öffentlichkeit mit in die Beratungen einbezogen werden. Das „Buch“ zählt zurzeit 14 Seiten, die es aber in sich haben und zum Beispiel nur motorbetriebene Boote auf dem See zur Abwehr von Gefahren in Notfällen zulässt. Ansonsten dürfen auf dem See nur „durch Muskelkraft angetriebene“ Wasserfahrzeuge und Segelboote unterwegs sein. Segebergs „See-Bibel“ müsste also geändert werden, sollt dort ein Fährschiff, wie von Unternehmer Ingo Micheel vorgeschlagen,verkehren dürfen. Für Antje Langethal müsste aber so ein gravierender Eingriff darüber hinaus naturschutzrechtlich geklärt werden. Eine Ergänzung im Regelbuch würde nach ihrer Ansicht nicht ausreichen. Fremd-Paddler kennen keine See-Regeln: Der Trend geht auch offenbar dahin, die Regeln für Wassersportler eher noch zu verschärfen. So soll beraten werden, wie man das immer häufiger werdende Freizeit-Phänomen Stand-Up-Paddling (SUP), auch Stehpaddeln genannt, eindämmt oder regelt. Das ist eine Wassersportart, bei der ein Sportler aufrecht auf einem schwimmfähigen Board sich zügig oder gemächlich fortbewegt. Angler Walter Hyka hat schon zehn und mehr Aufrecht-Paddler gleichzeitig auf dem See gesehen. „Es gibt fremde Leute, die einfach am Ufer ihr Brett ’reinschmeißen und einfach lospaddeln, das ist nicht okay.“ Dabei dürfen nur Segler und Surfer, die über eine der insgesamt 40 Gast-Lizenzen verfügen, auf dem See Wassersport betreiben. Viele der Fremd-Paddler wüssten gar nicht, dass es Regeln gibt, die hier gerade am Ostufer die Uferzone schützten. Hyka: „Die fahren sogar in der Vogelbrutzeit direkt ins Schilf oder lagern am Ufer.“ Die Angler würden sich hingegen strikt an das Regelbuch halten. So müssen laut Regelbuch mindestens 50 Meter Abstand zu dem Röhrichtgürtel am Ostufer des Sees eingehalten werden. Hyka: „Die machen uns das kaputt. Mit den Seglern kommen wir hingegen wunderbar aus.“ Die Angler haben Ranger-Ausweise: Auch Amtsleiterin Antje Langethal sieht das Problem. Stand-Up-Paddling habe „einen recht großen Umfang angenommen, deshalb ist jetzt auch Gesprächsbedarf“. Es sei nicht zulässig, dass sich jeder mit einem Surfbrett vom Ufer oder der Seepromenade in den See gleiten lasse. Die Sportfischer hätten auch „Ranger-Ausweise“ um das zu kontrollieren, fordert Langethal von den Sportfischern, ihr „See-Recht“ auf dem von ihnen gepachtete Gewässer wenigstens an Wochenenden in die Hand zu nehmen. Doch die sitzen in ihren klobigen Fischerbooten und können kaum die Verfolgung aufnehmen, wenn uneinsichtige Paddler über den See flitzen. Auch bei den Naturschützern sieht man das mit Sorge. Der 83-jährige Alfred Ortmann, langjähriger Naturschützer am Großen Segeberger See, hatte kürzlich Kanuten am Ufer zur Rede gestellt, als sie von einem illegalen Ausflug in die Schilfgürtel zurückgekehrt waren. Er habe nur patzige Bemerkungen bekommen. „Das Regelbuch ist geschaffen worden, um gegen die ungeregelte Benutzung des Sees vorzugehen.“ Ortmann hofft, dass der Schutz der Wasservögel weiterbestehen bleibe. 1988 sei beschlossen worden, dass insgesamt nicht mehr als 300 Boote am See liegen sollen. „Das sind heute mit Sicherheit mehr“, schätzt er. Die aktuelle Diskussion um das Dampfboot „Mathilda“ auf dem See ist gar nicht so neu: Seit Jahrzehnten gibt es Ideen, den Großen Segeberger See attraktiver zu machen. Der 83-jährige Alfred Ortmann musste als Naturschützer oft intervenieren, um das aus seiner Sicht Schlimmste zu verhindern und den See zu schützen. 2002 landeten auf dem Großen Segeberger erstmals zwei Flugboote. Unter dem Protest der Naturschützer hatte das der damalige Bürgermeister Udo Fröhlich (SPD) zum Schleswig-Holstein-Tag in die Wege geleitet, so Ortmann. Er empfinde das heute als „Wahnsinnsidee“, die zumindest nicht wiederholt wurde. Der Segeberger See ist keine Landebahn geworden. In den Siebziger Jahren habe es das Hirngespinst gegeben, eine Gondelbahn vom Kurhaus aus über den den See bis Spitzenort zu bauen, erinnert sich Ortmann. Die Pläne verschwanden in einer Schublade. „Wir haben damals auch verhindern können, dass der Seeweg direkt am jetzt geschützten Ostufer des Sees gebaut wurde.“ Auch habe es die Idee von Investoren gegeben, auf der Ostseite des Sees bei Spitzenort einen Golfplatz anzulegen. Auch etwas für den Papierkorb. Der Segeberger See sei trotz der intensiven Nutzung auch heute noch ein „ornithologisch interessantes Gewässer“. Damit die Vögel ungestört brüten können, sei eine Abgrenzung der Bucht von der Badestelle bis zu Spitzenort nötig, um dort Ruhe zu bekommen. Sogar der Seeadler komme hier vorbei, um Fisch zu fangen. In allen früheren Planungen sei immer erwähnt worden, das Ostufer des Sees als Naturschutzgebiet auszuweisen, berichtet Ortmann. Das sei für ihn bis heute noch aktuell. Von Wolfgang Glombik