Ein Jahr Corona im Kreis Segeberg: So lief der Kampf gegen die Pandemie

Vor genau einem Jahr, am 28. Februar 2020, kommt eine ältere Dame aus einer Apotheke im Ärztehaus in Henstedt-Ulzburg. „Ich werde erstmal zu Hause bleiben“, sagt sie und warnt: „Das wird noch eine Pandemie werden.“ Sie sollte Recht behalten. Wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, dass in Schleswig-Holstein der erste Corona-Fall in Schleswig-Holstein aufgetaucht ist, und das im Kreis Segeberg, in der Großgemeinde Henstedt-Ulzburg. Ein Arzt des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) hatte sich bei einem Italien-Urlaub infiziert. Die Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken in den Drogerien und Apotheken waren nach Bekanntwerden des Falles innerhalb eines halben Tages überall ausverkauft. Aus einer Infektion wurden mehr als 4000: In den Wochen nach dem ersten Fall breitete sich die Krankheit rasant aus und genau ein Jahr später sind im Kreis Segeberg aus einem Infizierten 4208 geworden. Zum Glück sind 3703 wieder genesen, allerdings beklagen die Segeberger auch 130 Verstorbene an oder mit dem Corona-Virus. Aktuell sind 375 Personen mit Corona infiziert. Durchgemacht haben die Segeberger seitdem vieles: Lockdown, Maskenpflicht, Schließung von Schulen und Geschäften. Derzeit befindet sich der Kreis so wie das ganze Land einmal mehr im Lockdown. Kreisverwaltung wird Krisenzentrum: Das Gesundheitsamt Segebergs ist seit einem Jahr so etwas wie die Schaltzentrale und das Krisenzentrum des Kreises. „Zu Beginn war ja alles neu, da war das gesamte Land in einer Art Schockstarre. Seitdem sind die gesamten zwölf Monate im Prinzip eine Aneinanderreihung von neuen Wendepunkten“, berichtet Kreissprecherin Sabrina Müller. Der große Ausbruch im Vion-Schlachthof im Frühjahr sei sehr herausfordernd gewesen, ebenso wie die zahlreichen Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen, mit der die Anzahl der Verstorbenen von Herbst an rasant in die Höhe geschnellt sei. Eine Mammutaufgabe sei es gewesen, binnen weniger Wochen drei Impfzentren aus dem Boden zu stampfen und einsatzbereit zu machen. „Und die zahlreichen neuen, sich ständig ändernden Landesverordnungen, etwa zu Reiserückkehrern, stellen auch uns immer wieder vor Herausforderungen, weil wir den Bürgern vermitteln müssen, was aktuell gerade gilt und warum“, sagt Müller. Lob für die Mitarbeiter der Verwaltung: Doch es gab auch Positives. Müller: „Ein Wendepunkt für unsere Arbeit im Infektionsschutz war ganz klar der Einsatz der Bundeswehr ab November. Von dort bekamen und bekommen wir eine immense Unterstützung.“ Uwe Petry, Leiter des Fachdienstes „Infektionsschutz und umweltbezogener Gesundheitsschutz“ ist besonders stolz auf alle seine Mitarbeiter. „Als besonders schön empfand ich es, wie toll sich aus so vielen sich fremden Personen unterschiedlichen Alters, Herkunft und Qualifikation in den vergangenen Monaten ein Team bildete. Besonders bewundere ich das Engagement jedes und jeder Einzelnen und die Bereitschaft, sich bis spät abends und an Wochenenden stets mit bester Laune hier einzubringen“, sagt er und kriegt da Unterstützung von Landrat Jan Peter Schröder. „Wir haben als Verwaltung gezeigt, dass wir flexibel und kreativ auf Situationen reagieren können. Die 15 Kollegen im Infektionsschutz geben seit einem Jahr alles, um möglichst jede Infektionskette so schnell wie möglich zu durchbrechen – an sieben Tagen in der Woche. Das geht an die Substanz“, sagt er und denkt aber auch an alle anderen Verwaltungsmitarbeiter: „Sie lassen ihre normalen Tätigkeiten seit Monaten ruhen, um im Infektionsschutz zu unterstützen. Auch diese Flexibilität ist nicht selbstverständlich und ich bin stolz, ein solches Team hinter mir zu wissen.“ Unzählige Überstunden: Das Personal im Infektionsschutz hat in dem einem Jahr unzählige Überstunden und Urlaubstage angehäuft. „Wir müssen dafür sorgen, dass andere Kollegen die Arbeiten des Kernteams weiterhin übernehmen, damit dieses auch mal länger freinehmen kann“, sagt Schröder. Denn allein sinkende Infektionszahlen sorgen nicht unbedingt für die nötige Entlastung. „Die weiterhin zunehmenden Regelungen und Verordnungen belasten auch das Team zunehmend. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die vielen Aufgaben des Infektionsschutzes in den vergangenen zwölf Monaten nicht erledigt werden konnten und baldmöglichst aufgearbeitet werden müssen“, sagt Petry. Landrat hofft auf den Sommer: Wie es jetzt weitergeht, wissen auch die Experten beim Kreis nicht. „Wenn die Pandemie einen eines gelehrt hat, dann, dass nichts wirklich planbar ist. Insofern wage ich keine Prognose abzugeben. Nach wie vor gilt: Wir alle haben es selbst in der Hand, wie sich das Virus weiterverbreitet“, sagt der Landrat. Ob die Impfstoffe mittelfristig gegen Mutanten wirken? Ob sich genügend Menschen überhaupt impfen lassen wollen? „Das alles vermag ich nicht zu beantworten. Wir müssen in den nächsten Wochen weiter durchhalten – trotz allem Genervtsein von der Situation“, sagt der Verwaltungschef, der aber an ein gutes Ende glaubt: „Die Impfdosen werden hoffentlich immer mehr werden, sodass wir im Sommer schon eine ganz andere Situation haben könnten als im Moment.“ Von Sven Wehde